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cher unermüdlich bald aus dem Illyrischen ins Italiänische, bald umgelehrt überfest, bald in beiden Sprachen zugleich schreibt, und von dem wir aufer zahlreichen literarischen, historischen und archäologischen Auffäßen eine Schilderung dalmatischer Volksfitten: Običaji kod Vlahah, eine ausführliche dalmatische Literaturgeschichte (Poviest narodne dalmatinske kniževnosti), eine Sammlung dalmatischer Volkslieder und Sprüchwörter, die Ueberseßung des bekannten französischen Werks von Eichhof über die slavischen Sprachen, die Numismatik des alten Dalmatiens und eine dalmatische Bibliographie theils schon befißen, theils noch zu erwarten haben.

Professor Kuzmanich in Zara, der frühere Redacteur der Zora dalmatinska, welcher als Stylist unter den Slavisten bekannt ist, giebt jezt die einzige in Dalmatien noch bestehende Zeitung in illyrischer Sprache, den Glasnik, heraus.

Religiöse und geistliche Bücher werden fortwährend, theils mit lateinischer, theils mit illyrischer Schrift, veröffentlicht. Die bedeutend ften find vom Professor Pietro Knezevich, aus Knin (,,Leiden unseres Herrn Jesus Christus und Klagen seiner Mutter"), P. Luka Vladmi rovich (Beichte") und Sime Starčevich (,,Homilieen"). P. Smolje, der Guardian des Franziskanerklosters Maria delle Palude bei Spalato und bedeutendste illyrische Kanzelredner Dalmatiens, sammelt seine Predigten zum Druck.

Der Lehrer Andria Stazić in Zara schrieb eine ausführliche Grammatik der illyrischen Sprache für Staliäner, („Grammatika ilirska za Italiane"), Girolamo Sutina, aus Zlarin, ein Lesebuch für die Jugend (,,Zabavno stivenje u hervatskom jeziku za mladeż dalmatinska") und Dialoge zur Erlernung der Sprache („Vocabuli di prima necessità te.") und der bekannte Slavist Rud. Veselić in Wien gab ein vorzügliches Wörterbuch der illyrisch-dalmatischen Sprache heraus.

Einzelne Artikel in illyrischer Sprache finden wir von den meisten der bei der italiänischen Literatur genannten Namen, zu welchen noch Giovanni Danilo in Spalato, Josip Michajlov Grubifić, aus Makarska, und dessen Landsmann Stepan Jvičević, der Herausgeber des Kačić, der Kaplan Kovačević in Spalato, der Pope Spiro Margetich in Zagora, Matteo Jvcevich, aus Trau, u. A. hinzugefügt werden müffen.

دو

In der illyrischen Kunstpoesie ist vor Allem eine Dichterin, Anna Vidovich, die Gattin des oben genannten Marc Antonio Vidorich, aus Sebenico, zu nennen, welche, außer zahlreichen, hier und da verstreuten Gedichten, eine größere Dichtung, „Anka i Stanko“, und einen Band Gedichte („Pisme Anne Vidovićeve") heraus, gab. Eine andere Gedichtssammlung unter dem Titel: Vila dalmatinska”, „dalmatische Vila“, ist von A. Zorieić, aus Sebenico. Pietro Preradovich, zwar nicht durch die Geburt, aber durch den geistigen Einfluß, welcher ihn in Dalmatien zur Poesie bestimmte, dalmatischer Dichter, erwarb sich durch seine „Erstlinge“ („Pervenci”) einen bedeutenden Ruf, überseßte mit Glück viele bekannte deutsche Gedichte von Bürger, Gleim, Goethe, Lenau u. A. ins Zllyrische und gab 1853 einen zweiten Band Gedichte: „Neue Lieder", heraus.

Die Volkspoesie ist in Dalmatien verbreiteter als irgendwo. Jeden Tag entsteht ein neues Lied, fast jeder Ort, ich möchte sagen, fast jeder Sänger hat seine eigenen Versionen der bekannteren Lieder. Manche Volksdichter, wie Niccolò Blachie in Sebenico, Cippeco in den den Castellen und einige Andere, haben sich in ganz Dalmatien einen Namen erworben viele Andere bleiben unbekannt, nur ihre Lieder werden fort und fort gesungen. Denn fingen hört man überall: in Bergen und in Thälern, im Garten und im Feld, auf dem Wasser wie auf der Erde, Nichts geschieht, Nichts thut man ohne Gesang, doch die Art und Weise dieses Gesanges und den Inhalt dieser Lieder näher zu besprechen, muß einem anderen Artikel vorbehalten bleiben. Frh. v. Reinsberg.

Frankreich.

Typographie und Kriegskunft auf der Pariser UniversalAusstellung. *)

Unter den trophäenartig geordneten Gruppen, die zu Ehren der Hauptindustrieen in dem Mittelschiffe des Palastes der Champs-Elysées aufgestellt worden, durfte wohl eine Trophäe der Typographie nicht fehlen. Es ist das eine gebührende Huldigung für die neuzeitige Erfindung, die das Meiste zum Fortschritt der civilisirten Gesellschaft beigetragen.

Die Buchdruckerkunft zeigt sich unter einem doppelten Gesichtspunkt. Einerseits ist sie mit der geistigen Bewegung der Welt im engsten Bündniß und bildet ihren mächtigsten Bundesgenossen; anderer seite nimmt sie durch die Zahl der Hände, die sie beschäftigt, durch die Kapitalienmaffe, die sie in Umlauf feßt, eine gewichtige Stelle im

*) Nach Audiganne im Moniteur Universel.

Staatshaushalt ein. Außer Paris haben wir in Frankreich Städte ersten und zweiten Ranges, welche den Mittelpunkt ausgedehnter Verlagsoperationen bilden; Berge von Druckschriften thürmen sich hier. In erster Reihe sind aufzuführen: Tours, Limoges, Lyon; dann Straßburg, le Mans, Lille u. a.

In Paris allein beläuft sich der Umsaß in dem eigentlichen Buchbruckereigeschäft, ungerechnet die accessorischen Industrieen der Schriftgießer, Papierhändler, Broschürer, Buchbinder u. s. w, auf 15 bis 16 Millionen Franken. Die Anwendung der seit dreißig Jahren in den Druckereien der Hauptstadt eingeführten mechanischen Verfahrungsweisen hat diese Industrie völlig umgestaltet. Das alte Material ift verschwunden, das frühere System hat sich von grundaus verwandelt. In Betreff der raschen Arbeit sind die Fortschritte so wunderbar, daß man mit Recht sagen darf, der Unterschied zwischen dem heutigen Verfahren und dem des vorigen Jahrhunderts sei eben so groß, wie der zwischen einer Druckerpresse Gutenberg's und einem alten Abschreiber. Zu seinem Bericht über die Ausstellung von 1849 behauptete Ambroise Firmin Didot, der die Geschichte und die Statistik des Buchdrucks gründlich kennt, daß manche Pariser Offizin allein so viel liefern kann, als vor 26 Jahren alle Pariser Druckereien zusammengenommen.

So wie die Erfindung der Buchdruckerkunft auf wunderbare Weife der Vorläufer einer Epoche war, in welcher der menschliche Geist von allen Seiten zur Thätigkeit angeregt wurde: eben so entwickelt sich die neueste Erfindung neuer, unermüdlicher Maschinen, die in gedruckten Fluthen die vervielfältigte Schrift ausströmen, um den Bedürfniffen einer Zeit genügezuthun, in der eine täglich wachsende Masse berufen ist, an dem Genusse des Unterrichts theilzunehmen. Die Kunst, den menschlichen Gedanken auf dem Papiere sichtbar zu machen, würde ihre Bestimmung verfehlen, wenn sie in einem Jahrhundert schläfrig und langsam bliebe, in welchem eine vielleicht noch ftauenswürdigere Erfindung unsere Gedanken über unmeßbare Abstände mit Blißesschnelle fördert.

Die Bedürfnisse sind in dem Umfange angewachsen, daß, trog der Macht der neuen Apparate, die Zahl der Arbeiter in den Druckereien seit der Anwendung der mechanischen Hülfsmittel zugenommen hat: sie übersteigt jest die Ziffer 4000.

In den Druckereien ersten Ranges spielt der Dampf eine eben so bedeutende Rolle wie in den Baumwollenspinnereien. Und doch hat der Mechanismus dort noch nicht das Höchste erreicht; noch sträubt sich mancher Arbeitszweig gegen seine Gewalt, die den Widerstand zulegt doch überwinden wird. Die ersten Drucker, die vor beiläufig 400 Jahren, 20 Jahre nach Gutenbergs Erfindung, nach Paris kamen, um sich hier unter dem Schuße der Sorbonne niederzulassen, hätten schwerlich die jest verwirklichten Vervollkommnungen vorhergesehen; uns ist leichter, die Vervollständigung der bereits gemachten Eroberung vorauszusagen.

Könnten wir von der Trophäe der Typographie aus einen Blick in das Innere irgend einer Anstalt der Hauptstadt werfen: wir würden sehen, wie sich dort die Arbeit zwischen Menschen und Maschinen theilt. Und da die Weltausstellung den Beschauer aufs lebhafteste anregt, in das Getriebe der verschiedenen Fabricationen eingeführt zu werden, so dürfte es hier wohl nicht am unrechten Orte sein, dem Mechanismus des industriellen Schaffens einige erklärende Zeilen einzuräumen.

Das Seßen der Buchstaben ist das Werk der Menschen, das Abziehen der Bogen ist Sache des mechanischen Apparats. Um die ihnen zugewiesene Aufgabe zu lösen, theilen sich die Arbeiter in mehrere Klaffen. Die zahlreichste ist die der Sezer, denen die Handschrift übergeben wird; sie seßen die Zeilen in einer fortlaufenden Reihenfolge, wie die Kolumnen einer Zeitung. Diesen Sag bekommt dann der umbrechende Seßer, der diese langen Kolumnen, je nach dem Format, welches das Buch erhalten soll, in Seiten zertheilt. Die Korref= toren besorgen die Verbesserung der Fehler, die sich bei der raschen Arbeit des Seßens eingeschlichen haben. An der Spiße des ganzen hierarchischen Personals steht der Faktor, das eigentliche Haupt der Anstalt, was die innere Bewegung und Leitung derselben betrifft.

Es sind achtzig Druckereien in Paris mit 848 Preffen, darunter 276 Maschinenpreffen. Man hat berechnet, daß diese Apparate, von denen, wegen der besonderen Sorgfalt, welche die Prachtdrucke in An spruch nehmen, ein Theil beständig in Ruhe ist, vier bis fünf Millionen Kilogramme (etwa 80,000-100,000 Zentner) Papier zu Büchern die Zeitungen ungerechnet -jährlich verbrauchen.

-

Vom Raume beschränkt, konnte diese Trophäe nicht vollständig genug errichtet werden, um den Augen des Beschauers ein ausführliches Gemälde aller neuesten Verbesserungen zu bieten. Indessen finden sich die Elemente dieses Ganzen theils in den Seitengalerieen, die den besonderen Ausstellungen vorbehalten find, theils in einem Nebengebäude am Seineufer, wo einige Preffen neuer Erfindung aufgestellt sind. Im Laufe unseres Studiums wird es gut sein, diese zerstreuten Züge zusammenzufassen: das verlangt das Interesse der

französischen Typographie, die nicht ohne Mitkämpfer, namentlich von Desterreich aus, in die Schranken_tritt.")

Herr Plon, sehr geschickt in seiner Kunst, hat die schwierige Aufgabe übernommen, die Trophäe der Typographie im Schiffe zu errichten. Ihm verdankt die Buchdruckerkunft besonders erfolggekrönte Versuche im Farbendruck, der dem Herrn Silbermann in Straßburg zu europäischem Ruf verholfen hat. Nichts ist schwieriger, als ein folcher Druck; denn um die eine Seite in verschiedenen Farben zu drucken, muß man für jede Farbe die Platte einmal auflegen, und es begreift sich, wie sehr der Abdruck gefährdet ist, wenn man nicht genau immer dieselbe Stelle trifft. Das Werk: Le livre du mariage, ift die vollendetste Probe der Arbeiten Plon's in diesem Fache. In dieser Trophäe sind auch verschiedene typographisch abgezogene Aquarellproben; besonders mehrere Exemplare eines Portrait der Dubarry. Ein Er emplar im Rahmen kostet nur zwanzig Franken. Unter den Drucksachen macht sich eine saubere Ausgabe der Fables de La Fontaine in Diamantschrift bemerklich, die an den Horaz Pierre Didot's erinnert; dasselbe Werk ist in Oktav auf Pergament auf beiden Blattseiten gedruckt, wovon nur ein einziges Exemplar da ist. Auch eine Presse im Kleinen, aus der Werkstatt Loeilleur's, die bei der kleinen Ausgabe der Fabeln angewendet worden, ist ausgestellt; man wird sie vor den Augen des Publikums arbeiten lassen. Ein bemerkenswerthes Sortiment von Lettern und Matrizen bekommen wir hier zu sehen, darunter eine mit dem Grabstichel bearbeitete und mittelst einer Maschine geglättete Zierschrift.

Wie vortrefflich aber auch die Druckproben sind, für eine Gruppe im Schiffe, mitten unter so vielen glänzenden Gegenständen, nimmt sie sich etwas dürftig aus. Die Fächer, in denen man die Eremplare aufgestellt, sind überdies von dem Besucher zu weit entfernt, als daß er die Einzelnheiten mit dem Auge erreichen könnte. An der Vorderfeite der Trophäe hat man das verjüngte Modell einer Papiermaschine mit dem dazu gehörigen Trocknen-Apparat aufgestellt; es ist dadurch eine in einem solchen Zelte unvermeidliche Leere ausgefüllt. Jedenfalls giebt diese weltbezwingende Macht der Buchdruckerei dem Geiste Stoff zum Denken.

Und um neben dieser als Gegenbild eine andere überwältigende Macht zum Vergleichen und Unterscheiden vor dem äußeren und inneren Auge zu entrollen, hat man - Zufall oder Absicht einige Schritte von dem Zelte der Typographie, eine Trophäe der Kriegskunst auf gestellt. Hier sind alle Waffen und Rüstungen, für die Flotte wie für das Landheer, vertreten. Auch hier zeigt sich der Riesenfortschritt der Neuzeit. Der Abstand von einem gedruckten Buch zu einem alten Manuskripte ist nicht größer, als der von einer Pairhans-Kanone zu einer Balista.

Die Gegenstände der Kriegskunst, zu Wasser und zu Lande, haben aber auch in anderem Betracht die volle Berechtigung zu einem Plage in dem Palast der Industrie. Denn zuvörderst sind sie die Ergebnisse der besonderen Fabricationen, die in der Staatshaushalte ordnung eine reelle Wichtigkeit haben. Ueberdies stehen die Künste des Krieges mit den Schicksalen der Industrie in innigem Bezuge. Die Marine bahnt ihr die Wege in ferne Gegenden durch den Handel, dem sie ihren Schuß leihet; sei es, daß er von dort die zum Leben der Fabriken unumgänglich nöthigen Rohstoffe herbeiholt; sei es, daß er die daraus verfertigten Produkte dahin führt. Indem fie den Wechselverkehr zwischen den Völkern fördert, wird sie zum mächtigen Hebel der Civilisation. Das Landheer leistet der Nationalindustrie anderartige, aber nicht minder nüßliche Dienste. Was würde aus der Arbeit in einem Lande werden, deffen Unabhängigkeit stets auf der Schaukel stände, dessen Handelsinteressen im Auslande jeden Augenblick ungestraft gefährdet wären? Die Industrie ist allerdings ihrer Natur nach Freundin des Friedens; allein um sich zu entwickeln, muß die Civilisation auf ihrem Gange die Hindernisse besiegen, die ihr die Barbarei und die Dummheit um die Wette in den Weg werfen. So sehr also durch gewisse von der Geschichte mit Recht verurtheilte Kämpfe die Fortschritte der Menschheit gehemmt worden, so sehr fanden sie in anderen Kriegen einen heilsamen Impuls.

Die Errichtung dieser Trophäe ist dem Herrn Penguilly-Laridon, Artillerie-Obersten, anvertraut worden; einem Militär, der seine Aufgabe als Künstler und als Mann von Fach gelöst hat. Den Hinter grund des Zeltes nehmen die symmetrisch geordneten blanken Waffen ein; die Feuerwaffen bilden drei Gruppen im Vordergrunde; zwei bestehen aus Infanterie- und Kavallerie-Gewehren, die dritte aus Feldstücken.

*) Die K. K. Hof- und Staatsbuchdruckerei in Wien ist auch auf der Pariser Ausstellung, wie sie es 1851 in London war, in sehr würdiger Weise vertreten. Besonders der Naturdruck" von Pflanzen, Spißenmußtern 2. hat fich diesmal großer Theilnahme zu erfreuen. D. R.

Das wesentlichste Intereffe dieser Ausstellung ist, daß sie die Muster der gegenwärtig in der französischen Armee gebrauchten Waffen vereinigt hat und so den Stand der Fabrication in den. Werkstätten des Reichs zur Anschauung bringt. Hier sehen wir neben der Infanterieflinte den Karabiner des Fußjägers, die Muskete der Kavallerie und Gendarmerie, die Doppelflinte der korsischen Voltigeure; dort reiht sich der Schleppsäbel der Linienkavallerie an den kurzen Säbel des Infanteristen und dieser an den Bajonettsäbel des Fußgängers und Artilleristen.

Das Publikum wird nicht ohne Intereffe die neuen Waffen betrachten; z. B. die Muskete der Hundertgarde, die am Bodenstück geladen wird; das Modell verdankt man dem Kommandanten Treuil de Beaulieu. Auch die Kavalleriemuskete des Kommandanten Clerville wird freilich für jeßt nur versuchsweise am Bodenstück geladen. Die Mittelgruppe ist aus den Geschüßen nach neuem Muster, womit der Kaiser die Artillerie versehen hat, zusammengestellt. Dieses Geschüß hat das Eigene, daß es Kanone und Haubige zugleich ist, aus dem es Kugeln ohne Unterschied schleudert. Es erseßt vier Stücke: eine acht- und zwölfpfündige Kanone, eine funfzehn- und sechzehnpfündige Haubige. Auch der Laie in der Kriegskunst begreift die Vortheile eines solchen Systems auf dem Schlachtfelde. Die große Vereinfachung, daß das Geschüß auf ein einziges Kaliber zurückgeführt ist und anstatt je vier nur je einen einzigen Pulver- und Provisionskarren nöthig macht, erleichtert den Transport und beschleunigt die Bewegungen. Die Artillerie kann nun den Schwenkungen der Kavallerie folgen, was die Fachmänner stets für sehr wichtig hielten, was aber bei der alten Methode fast unmöglich erschien. Ueberdies schießt die Kaiserkanone mit merkwürdiger Richtigkeit. Sie hat an den Tagen von Alma und Jnfjerman ruhmvolle Dienste geleistet und die Bluttaufe erhalten und wird in den Jabrbüchern der Artillerie Epoche machen.

Rechts und links von der Trophäe längs der Wand sind die beiden Theile eines Zeitmessers unter dem Namen Geschüßuhr (fusilpendule) aufgestellt. Mit Hülfe dieses Apparats läßt sich die Schnelligkeit des Geschoffes jeglicher Feuerwaffe im Moment der Lösung bestimmen. Die einfache algebraische Formel zur Berechnung der Schnel ligkeit hat den praktischen Werth, daß, wenn z. B. zu den Ladungen verschiedene Pulversorten gebraucht werden, man die verhältnißmäßige Kraft jeder Pulverart genau bestimmen kann. Das Instrument ist nicht neu, verdankt aber seine gegenwärtige größere Vervollkommnung den Experimenten des Generals Morin.

Unter den Marinegeschüßen wird das Publikum gewiß mit vielem Interesse die zwei Riesenstücke betrachten, die den Mittelpunkt einnehmen: Eine funfzigpfündige Kanone, die beiläufig 500 Mètres (ungefähr 1540 Fuß) trägt, und eine Haubigenkanone à la Paixbans mit 27 Centimètres (etwas über neun Zoll) Mündungsdurchmesser, wovon seit dem Beginn des gegenwärtigen Krieges so oft die Rede war. Der Funfzigpfünder ist auf der französischen Flotte unter den Geschüßen zum Werfen in Vollkugeln das stärkste Kaliber. Diese beiden Ungeheuer von Feuerschlünden sißen auf ihren Laffetten und sind mit allem Zubehör und Takelwerk versehen.

Erwähnenswerth ist noch ein Sortiment Enterwaffen: Haken, Säbel, Beile, Piken, in deren Handhabung die französischen Seeleute um den Preis ihres Blutes einen glänzenden Ruf erlangt haben. Zu sehen find noch Schiffslaternen zu den Signalen, Flaggen, Fahnen, Wimpel, Ständer, Anker u. f. w.

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Mannigfaltiges.

Lacirtes Fleisch. Bis jest konnte man Fleisch und andere Nahrungsmittel nur durch Salz, Effig, Trocknen oder Räuchern eine Zeitlang vor dem Verderben bewahren, jezt hat sich in Paris eine Gesellschaft gebildet, welche eine neue Erfindung, durch eine Art Lack, Conservatine genannt, alle Lebensmittel jahrelang aufzubewahren, für die jeßige Zeit des Mangels und der Theuerung erfolgreich auszubeuten verspricht. Rohes Fleisch, Geflügel, Fische, Gemüse, Früchte werden durch Eintauchen in die Masse dieses eigenthümlichen Lacks in voller Frische mehrere Monate oder auch Jahre (?) erhalten. Der Lack bildet eine Kruste um die Gegenstände, die durch Uebergießen von warmem Wasser wieder entfernt wird, wenn der Gebrauch eintreten soll, alsdann ist das Fleisch noch so frisch wie beim Schlachten, die Frucht so faftig wie beim Pflücken. Man kann in Paris, Boulevard Bonne Nouvelle No. 18., fich durch den Augenschein von der Trefflichkeit dieser Erfindung überzeugen, es sind daselbst alle Sorten von Proben ausgestellt. Die Pariser hoffen, daß die wilden Büffelbeerden von Central-Amerika nächstens als übertünchte Leichen zu Schiff ge= bracht und nach Paris geführt werden, um dem dortigen Fleischmangel abzuhelfen.

Böchentlich erscheinen 3 Nummern. Preis jährlich 3 Thlr. 10 gr., halbjährlich 1 Thlr. 20 Sgr. und vierteljährlich 25 Sgr., wofür das Blatt im Inlande portofrei und in Berlin frei ins Haus geliefert wird.

@ 86.

für die

Bekellungen werben von jeder deutschen Buchhandlung (in Berlin bei Beit u. Comp., Jägerftr. Nr. 25, und beim Spediteur Neumann, Niederwallstr. Nr.21), so wie von allen königl. Poft-Aemtern, angenommen.

Literatur des Auslandes.

Schweiz.

Berlin, Donnerstag den 19. Juli

Der Genfer Chronist Antoine Fromment.

Die Stadt Genf besist in ihren Archiven aus der Periode ihrer Lossagung vom Papftthum eine sehr merkwürdige Chronik, die bisher zwar von den meisten Kirchenschriftstellern, welche die Geschichte der Genfer Reformation behandelten, im Manuskript eingesehen und zu Rathe gezogen, durch den Druck aber erst kürzlich, und zwar mit sorgfältigster Beibehaltung der alterthümlichen Sprache, Orthographie und Interpunction, splendid ausgestattet, veröffentlicht worden ist.) Verfaffer dieser Chronik ist Anton Fromment, aus dem Dauphiné gebürtig und ein Landsmann des berühmten Reformators Wilhelm Farel. Auch Fromment wandte sich frühzeitig dem neuen Glauben zu, was ihn nach aller Wahrscheinlichkeit zur Auswanderung aus seiner Heimat nöthigte. Als Farel und Saunier durch brutale Akte der Priester-Partei aus Genf ausgetrieben worden, trafen sie den erst zweiundzwanzig- bis dreiundzwanzigjährigen Fromment in dem waadtländischen Städtchen Orbe als Prediger und Verbreiter der gereinigten Lehre. Sie bewogen ihn, an ihrer Statt nach Genf zu gehen, mit dem Auftrage, allda die geheimen, aber eingeschüchterten Anhän. ger der neuen Lehre im Bekenntniß zu stärken und zu einer Gemeinde zu sammeln. Fromment ging und traf am 3. November a. St. 1532 in Genf ein. Die Chronik berichtet in ihrem ersten Kapitel, wie Meifter Wilh. Farel und seine Gefährten das erstemal, wo sie nach Genf kamen, von den Gegnern behandelt worden sind. Vom zweiten an erzählt Fromment feine eigenen dortigen Erlebnisse. Er sah sich von steten Gefahren umringt, mehr als einmal mit dem Tode bedroht und ein Versteck zu suchen genöthigt. Eine seiner Predigten, die er vor zahl reichem Volke auf dem Molard von einer Bank herab über Matth. 7,15 ff. hielt, und welche, soweit sie gehalten werden konnte, im vierten Kapitel aufgenommen ist, wurde zuerst durch obrigkeitliche Intervention, der er sich jedoch nicht fügte, unterbrochen und mußte im ferneren Verlauf ganz abgebrochen werden, als seine eigenen Freunde ihn be schworen, sich vor der unausbleiblich drohenden Lebensgefahr zu falviren. Längere Zeit mußte sich der „lutherische Keher", wie ihn die Widersacher schalten, bei Freunden verborgen halten. Ja, als er den noch einmal über die Rhonebrücke ging und nicht Acht haben wollte auf den Gefang der Priester, die zu nämlicher Zeit in Prozession dar überschritten, heßte man einen Schwarm Weiber auf ihn los, die ihn unfehlbar in den Strom gestürzt haben würden, wenn ihn nicht noch zeitig genug einige beherzte und handfeste Freunde in Sicherheit ge bracht hätten. Den Genfer Weibern ist Fromment überhaupt nicht hold. Es gab," sagt er, in der ersten Zeit darunter keine einzige, fo Luft gezeigt hätte, die Wahrheit kennen zu lernen, so sehr waren fleangesteckt von dem Pestbrobem der Lehre, des Lebens und der Gespräche ihrer Pfarrer. Die Weiber waren es, die dem Eingang des Evangelii und denen, welche es nach Genf brachten, den heftigsten Widerstand leisteten, und zwar auf Anftiften ihrer Geistlichen; denn diese waren theils ihre Vettern, Brüder, Freunde, Nachbarn, Gevat tern, theils ich will aber zu dieser Stunde nichts weiter sagen, um das Schamgefühl der Damen zu schonen."

bei

Nachdem die Kirchenverbesserung festen Fuß in Genf gefaßt hatte und gesichert war hierzu trug die Einschließung des Schloffes Peney und die Einnahme von Chillon (leztere am 29. März 1536) wesentlich verschwindet Anton Fromment für längere Zeit vom Schau plag. Bedeutendere Leute, als er, Calvin und Beza, fezten das Reformationswerk mit ungleich größerem Erfolge fort. In dieser Zeit soll er zu Thonon, Collonges, St. Gervais als Prediger fungirt haben, ohne daß man Näheres weiß. Erst im Jahre 1548 taucht er wieder auf, und zwar als Sekretär Bonivard's, des berühmten Gefangenen von Chillon, der sich mit Abfaffung der Chronik seiner Vaterstadt be

*) Les Actes et Gestes merveilleux de Genève nouvellement convertie à l'Evangille faictz du temps de leur Reformation et comment ils l'ont receue redigez par escript en fourme de Chroniques Annales ou Hystoyres commençant l'an LDXXXII. Par Anthoine Fromment. (Mis en lumière par Gustave Revilliod. Genève, 1854.)

1855.

schäftigte, hierzu aber eines geschickten Sekretärs bedurfte, als welcher ihm Fromment seitens des Senats mit einer monatlichen Remuneration von zwei Thalern, wozu später, als er sich beklagte, daß er damit nicht auskommen könne, noch freie Wohnung auf sechs Monate kam, empfohlen und von ihm angenommen wurde. Es könnte fonach scheinen, daß Fromment nicht einmal primo loco Autor und Konzipient dieser Chronik, sondern nur Bonivard's Mitarbeiter in zweiter Linie gewesen ist, Bonivard, theils mit seiner Feder, theils als Mithandelnder und Augenzeuge so vieler der erzählten Begebnisse, mit seinem frischen Gedächtniß unterstüßt hat. Erwägt man aber, daß Bonivard sechs lange Jahre, bis zum Tage der Eroberung Chillons, in den Souterrains dieser Veste gefangen saß, so ergiebt sich, daß die Abfaffung der von 1532-37 reichenden Chronik rein auf Fromment's Rechnung kömmt, unter deffen Augen oder in deffen nächster Nähe alles darin Erzählte vorging.

Aus Bonivard's eigener und gelehrterer Feder dürfte wohl auch ein beffer stylisirtes und redigirtes Werklein hervorgegangen sein, gewiß indeß kein wahrheitgetreueres und mit größerer Naivetät gewürztes Gemälde jener Zeit. Die oft so launige Treuherzigkeit und Natürlichkeit Fromment's erhöht das Intereffe dieser Chronik ungemein. Es soll schließlich eine Probe daraus mitgetheilt werden, so weit man aus einer Ueberfeßerprobe auf Kern und Sprache des Originals zurückzuschließen vermag. Als die Chronik zu Stande war, bat Bonivard um Erlaubniß, fie drucken zu lassen. Allein die begutachtende. Kommission, wozu auch Calvin gehörte, fand die Sprache bald zu heftig, bald zu frei (familier), außerdem fand sie mehrere Stellen anstößig und die Herren zu Bern und Freiburg zu reizen geeignet. Also wurde das Gesuch abgeschlagen. Aus demjenigen, was Fromment nachmals auf eigene Faust drucken ließ (Bericht über die Kriegsereignisse von 1532-1537), las die Behörde sogar Injurien heraus, ohne zu sagen gegen wen, und ließ alle Exemplare aufgreifen und vernichten. Seitdem verlautet nichts mehr über Fromment, als daß er, wie es heißt, den geistlichen Stand aufgab, Civilist wurde und als bescheidener Notarius in Genf starb man weiß nicht einmal wann.

Ueber das Verdienst des Herrn Gustave Revilliod um Herausgabe dieser Chronik seiner Vaterstadt haben sich mehrere franzö fische Journale, darunter die Revue des deux Mondes, sehr anerkennend und beifällig geäußert. Nur die,,Annales catholiques de Genève" meinen, ein Soldat Tamerlan's würde in der Betrunkenheit nicht besser, nicht schlechter geschrieben haben, und Herr Revilliod würde besser für seinen Beutel und Ruf gesorgt haben, wenn er Fromment den Würmern überlassen hätte, die ihn in aller Stille in den Archiven Genfs zernagten.

Dem Buche ist ein Motto vorgefeßt, welches so lautet:
Qui de Genève voudra veoir
La vraye et vive pourtraicture
Sur ce liure faut l'oeuil avoir,
Yci depeinct, non en figure,
Mais en son essence et nature,
Qui de moeurs, de doctrine et geste
Est pour traicture manifeste etc.

Auf des Herausgebers Vorwort folgt eine 15 Seiten lange, vom Jahre 1550 datirte, von Adam bis zur babylonischen Gefangenschaft fortgesponnene Epistel Fromment's an die „Magnifiques et très honorez Seigneurs" von Genf, welche die heutigen Genfer Herren zu lesen sich wohl hüten würden. Begreiflich wird diese Fülle von Reminiscenzen aus dem Alten Testamente dadurch, daß der Brieffteller ein Geiftlicher, daß Bibellesen, nach der Ueberseßung von Calvin's Landsmanr, Pieron Robert Olivetanus, ein Allgemeingut und Bedürfniß geworden war, daß die Republik Genf so eben noch im ersten Stadium ihres reformatorischen Eifers stand, weshalb Fromment sich auch befugt glaubt, den Magnifizenzen vorzuhalten, wie begnadigt sie durch Einführung der reinen Lehre find, im Gegensaß zum Volke Jsrael, welches seinem Jeremia nicht glauben wollte. Hierauf folgt die Chronik selbst in 69 Kapiteln (249 SS.), verziert mit 40 fauberen Holzschnitten von Gandon, worunter die Bildniffe W. Farel's und des in Genf vergifteten Pierre Viret. Zum Schluffe ein CCIX SS. füllender und die

Jahre 1532-36 betreffender Auszug aus den Staatsregistern, mit Uebergehung des bereits anderwärts Gedruckten, schließend mit der Einnahme von Chillon. Just dieser Abschnitt oder der Eingang des Fiebenundfunfzigsten Kapitels sei als Probe dem Leser vorgelegt.

Die Berner und Genfer (Geneyvans), sehend, daß nichts mehr zur Unterwerfung zu bringen war, als nur die Burg Chillon im Winfel des Sees, ließen sich angelegen sein, kurz nach Einnahme von Yverdon, Volk auszulesen, das dahin ziehen sollte. Das sehend, waren die Friburger nicht faul, gleichfalls dem armen Herzog von Savoyen Land abzunehmen, obschon (jaçoitque) fie das Bündniß mit Genf aufgegeben hatten, unter dem Vorgeben (coulleur), das Christenthum obenzuhalten, wie sie Papstes Gesez und Messe heißen. Auch die Walliser, von der anderen Seite, haben unter gleichem Vorgeben einen Zipfel Landes von selbigem Herzog an sich geriffen, sagend, es wäre um das Christenthum (wallisisch: Chrestiandar) obenzuhalten. Und igo haben sie etwa zwei Tagereisen weit davon inne, und die Friburger eine Tagereise, die Berner etwa drei Tagereisen in die Länge und zwei in die Breite. In derselbigen Zeit nahm der König von Frankreich seinem Ohm, dem Herzog von Savoyan, schier den Rest (la reste) alles feines Landes, außer der Grafschaft Nizza, und was der Kaiser von Piemont nahm, sehend, wie Jeder diesem Herzog eine Feder ausrupfte, das nahm er, um damit seinen Mailänder Vogel bunt zu färben. Und also wurde der arme Herzog von allen Seiten und zur gleichen Zeit berupft, und igund ist er schier ohne Federn.

Es blieb noch über den Bergen das Schloß Chillon übrig. Aber kurze Zeit nachdem Yverdon wiedergewonnen war, schickten die Berner zum Schloßhauptmann, genannt Anton van Braustoot, er sollte das Schloß und die Gefangenen, die er von Genf hätte, herausgeben. Wollt's aber nicht thun. Aber (ains) die Excellenzen von Bern und Genf, nachdem sie Kriegsvolk mit Geschüß aufgebracht hatten, zogen dahin ab und belagerten besagtes Schloß Chillon, und kanonirten die Berner von der Neustadt in Vevey her (d. h. wohl Villeneuve) und vom Berge aus, und die Genfer zu Waffer. Aber der Schloßhauptmann, wie er Bern und Genf mit so vielem Geschick agiren sah, wurde dergestalt muthlos, daß er sich auf die Bedingung freien Abzugs (Cabagues saulues) ergab. Jedennoch, kurz zuvor, als er Berns Heranzug vernahm, brachte er sein Weib mit drei Kisten Gold, Silber und Effekten in Sicherheit, und solche wären mehr werth, als er und sie im Vermögen hatten; denn man muß wissen, daß zehn Stun den in der Runde aus dem Savoyerlande Jeder seine besten Sachen dahin schaffte, sogar aus Thonon, und also büßten alle die das Ihrige ein, so es dem Hauptmann in Verwahrung gegeben hatten, und er ging reicher von dannen, als wenn er geblieben wäre. Die Berner aber waren nun Herren der Mauern und der in Haft gehaltenen Genfer. Alle die anderen Gefangenen wurden auch freigemacht, außer einem Meuchelmöder, Namens Darbignon, der abgethan wurde, und der Hauptmann Neguolli nahm im Namen seiner Herren Poffeß. Als nun der andere Hauptmann, der den Befehl über die Galeere von Chillon führtè, inne wurde, daß das Schloß überging, flüchtete er in großer Eile sammt seiner Galeere über den See weg nach Lugrin, fteckte sie in Brand und warf das Geschüß in den See, auf daß Niemand je wieder davon Gebrauch machen könnte, und rettete sich übers Gebirge. Und so wurden die drei Pläße des Landes diefseit der Berge wiedergewonnen und zur Unterwerfung gebracht, Yverdon, Chillon und Perthuys de la Cluse, und Genf auch von seinen Widersachern erlöft und seine Gefangenen in Freiheit gefeßt, nämlich Herr Franz v. Bonivard, Seigneur von St. Victor, ein sehr gelehrter Mann in feiner Zeit, der sechs Jahre lang tief unten in der Veste, hart am Waffer auf einem Felsen, gefangen gelegen hatte. Der hatte, wenn er sich austhat und auf- und niederschritt, nach und nach ein Geleise gemacht und die Spur seiner Füße in den Stein gedrückt (engrevé), so viel spazierte er, wobei er viele kleine Sächelchen (pensées) und Balladen auf Lateinisch und Französisch verfertigte, wie seine Gewohnheit ist und er selbst umständlicher in seiner Chronik von den Liguen, die er übersegt hat, berichtet. Derselbe war gefangen gehalten worden, weil er sein Lebenlang die Freiheiten und Gerechtsame Genfs hatte behaupten wollen und sich sogar unterfangen hatte, in einem Schloffe Besaßung wider den Herzog von Savoyen zu halten."

England.

Literatur-Briefe aus England.

(Fortseßung.)

E. K-r.

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blafirt machen. Die bisherige englische freie Tagespreffe" hat unstreitig sehr viel zu dem Stumpffinn, der Oberflächlichkeit und Eitelkeit der Engländer in ihren öffentlichen Angelegenheiten und in Beurtheilung ausländischer beigetragen. Wer Tag für Tag, Jahre lang, wie alle Engländer der guten Gesellschaft, den Leitartikel-Kohl der Times las und sonst selten etwas oder nichts über Politik, der ist unheilbar verðummt und verdorben und fortan ein Sklave ihrer stets nach der Mode eingefeßten Leitartikel-Leierkasten-Walzen.

Unter den Magazinen“ habe ich neuerdings Tait's Magazine als ein ganz besonders tüchtiges, frisches und gründliches entdeckt und deshalb jede Lieferung mit steigendem Interesse gelesen. Es hat alle Vorzüge der Jugend: Frische, Kraft, Elastizität, Wärme und Pathos für das Rechte und Gute, Haß und Bitterkeit gegen Humbug und Hypokrifie, während sich mehrere greifige, respektable, für die WestendKlubs geschriebene Kollegen in trauriger Schwäche und phraseologischer Beschönigung hinschleppen. Wie wahr, wie stechend ist die Schilderung eines neuerdings zum Mode-Thema gewordenen militärischen Grundübels, der Frage: Wie verschafft man sich Offizierstellen?“

,,Die Manier, wie hierzulande Offiziere gemacht werden, würde uns eben so lächerlich erscheinen, wie etwa die kalmückische Art, den Kopf zu schmücken, nämlich mit ein Paar Hörnern, oder die indianische Decoration der Nase mit einer durchgestochenen Fischgräte, wenn wir nicht daran gewöhnt wären. Wie werden aber bei uns Offiziere gemacht? Ein Gentleman, sei er Lord oder bloßer Landlord, fühlt in der Regel nach Vervielfältigung seiner Familienphysiognomie endlich die Verpflichtung, für zwei oder drei Söhne zu sorgen. Der älteste natürlich befindet sich zuhause sehr wohl, denn er ist der Kanal, welcher gebraucht wird, das Stamm-Eigenthum von einer Generation zur anderen zu leiten. Ist ein guter Kopf unter ihnen, läßt man ihn für die Barre (Justiz) oder das Parlament zurechtmachen, und ein wenig Ta lent gilt für großes Talent unter der guten Gesellschaft. Hat der Vater für einen Dummkopf zu sorgen, muß er Priester oder Soldat werden. Giebt es aber keine fette Pfründe als Erbglück in der Familie, wählt er natürlich den rothen Rock. So arbeiten auch Shopkeepers, die viel Geld und Würde gemacht, Schneider, welche Kleiderfabrikanten, Geldverleiher, die Banquiers geworden sind, den schlechtesten Stoff ihrer Nachkommen in eine Offizier-Uniform hinein. Der Geschäftsmann, findet er in seinem Sohne nur etwas Hirn, bringt ihn irgendwie in eine geschäftliche Laufbahn, und der Bursche ist in der Regel selbst viel zu klug, als daß er seine 6-7000 Pfund zum Einkauf in die rothe Laufbahn verwenden sollte, die keine Zinsen bringt und die große Auslage streicht, wenn er stirbt oder auf dem Felde der Ehren umgebracht wird. Aber giebt es da einen gahkigen®) Sohn in der Familie, der sich für zu viel von einem Gentlemen“ hält, als daß er arbeiten sollte, wie Papa oder sein Lehrer, und nicht so ein Narr ist" (gleichviel was für einer), nun, so denkt Papa, daß er ihm wohl eine Kommission verschaffen" müffe (,,get a commission", wie der Ausdruck für das Einkaufen unter den Offizieren lautet). Und wie wird das nun angefangen? Papa schreibt an das besondere KriegsDepartment, Horse Guards, und bietet Geld, dem Jungen eine Kommission zu kaufen. Aber Hunderte von Vätern haben daffelbe vor ihm gethan, und Hunderte werden es nach ihm thun. Wenn er daher nicht einer der Großen unter den Whigs und Tories, denen England gehört, sein sollte, bei denen Wünschen und Haben eins ist, wird der Name feines Sohnes unter dem Bodensaße der Liste beim Chef-Commandeur bleiben, bis der jüngste Tambour-Knabe der älteste Veteran geworden. Aber Papa kennt den General Bang, welcher im HauptQuartier etwas zu sagen hat; oder da ist das Parlamentsmitglied des Flecken, Mac-Barkaway, dem er seine Stimme gegeben und sein,,Intereffe, und ein Parlamentsmitglied ist inkarnirtes Intereffe. So zwängt ihn entweder der General oder das Parlamentsmitglied durch die Hinderniffe. Aber auch wenn Papa kein Großer unter den Oberften ist und sein Interesse nicht mit einem herrschenden Interesse assoziirt hat, Papa braucht deshalb nicht zu verzweifeln. Er braucht blos eine Anzeige in den Zeitungen loszuschießen: "Douceur. Zweihundert Pfd. Sterl. Dank für die Dame oder den Herrn, der dem Anzeiger eine gefeßlich käufliche Staats-Anstellung verschafft. Adreffen u. f. w." Nun ist aber eine Offizierstelle bekanntlich gefeßlich käuflich, nur die Mäklergebühren sind ungeseßlich. Aber wer braucht darum etwas davon zu wiffen? Zuweilen erscheint eine Dame in der Scene und macht sich anheischig, das Geschäftchen durch ihren Freund, Lord Noodle, besorgen zu lassen, zuweilen ein Veteran des Klubs und des amtlichen Vorzimmers, welcher sich mit Papa verständigt und nun hinunter geht zu den Horse Guards und seines Freundes" Sohn auf das wärmste empfiehlt: vielversprechender, feiner, junger Gentleman u. s. w. So bringt er das Geschäft zwischen Ihrer Majestät und dem jungen Unterthanen zu Stande und steckt den ,,Dank" in die Tasche. „Pa“ und

*) Gawky, wofür in Sachsen ein Stellvertreter ist. Man sagt dort „Gahkmaus" u. s. w., um das dumme Gaffen mit offenem Munde zu bezeichnen.

besonders „Ma“ sind ganz glücklich über das Geschäft, wenn „Guftavus Potts" in der Gazette als Fähnrich oder Seconde-Lieutenant erscheint, Schwestern und Cousinen werden schwärmerisch, da Gustavus ,,mein zu reizend" in der Uniform aussieht, während alle ehrlichen Leute ringsum ganz erstaunt sind, wie ein Bursche, dem sie kein Draht puppen-Personal für den Jahrmarkt anvertrauen würden, Offizier über Vaterlands-Vertheidiger und Ruffenzerschmetterer werden konnte."

Und wie sieht es unter den gemeinen Soldaten aus? Wir wollen hier keine der jezt häufigen Anwerbungs- und Rekrutirungsscenen, wie sie uns im Leben und in Holzschnitt-Illustrationen so oft begegnen, ausmalen, da sie nicht eigentlich zur Literatur gehören, sondern nur auf Buckingham's Autobiographie (,,Autobiography of J. S. Buckingham") aufmerksam machen, durch welche wir auch in die Geheimnisse des englischen Reform- und Marine-Lebens und der „neunschwänzigen Kaße" eingeweiht werden. J. S. Buckingham führte ein ziemlich buntes Leben, und Wenige haben mehr Schicksale und Launen desselben erfahren, als er. Er war Soldat, Kaufmann, Vorleser, Schriftsteller, Parlamentsmitglied u. f. w. und ist jezt Biograph aller dieser verschiedenen Phasen seines Lebens geworden. In keiner derselben war er glücklich oder groß, offenbar weil er zu schwach, zu ehrlich, zu anständig dazu war, um sein Glück zu stoßen" (push his fortune), wie die englische Phrase sehr bezeichnend lautet. Wer nämWer nämlich hier auf- und durchkommen will, muß Alles mit Füßen treten und in die Rippen boren, was ihm in den Weg kommt. Auch Bucking ham's schriftstellerischen Erzeugnisse sind nur im Allgemeinen und dunkel als unbedeutend bekannt; dagegen liest fich seine Selbstbiographie als ungemein unterhaltend, interessant, leicht, lebhaft und reich an Stoff und Form. Wir erinnern nur an die Schilderung einer „Knutënftrafe durch die ganze Flotte" (a flogging round the fleet). Der Verbrecher (er war des Nachts von seiner Familie weggeriffen und zum Matrosen der Flotte gepreßt worden und wieder entlaufen) mußte zu diesem Zwecke durch alle Schiffe im Hafen, nackt auf zusammengebundene Balken geschnürt, die Runde machen, um auf jedem zwölf Streiche mit der Flottenknute (cat o' nine tails) zu empfangen. Die Balken waren so gebunden, daß er darauf förmlich gekreuzigt werden konnte, die Füße unten zusammen, die Hände oben in möglichster Ausdehnung von einander gefnebelt, der ganze Oberkörper entblößt. Die Flottenknute ist viel schwerer und komplizirter, als die für Landfoldaten. Jeder der neun dicken Stricke ist voller Knoten, so daß zehn Hiebe der ersteren in gleichem Course mit hundert der leßteren stehen. Für den Deserteur war außerdem verordnet, daß zwischen jedem Hiebe, nach dem Gefeße mit der vollen Kraft des geschwungenen Arms und Marter-Instruments zu appliziren, mindestens eine Minute vergehen mußte. Gleich nach dem ersten Streiche sprißte Blut. Nach Beendigung des ersten Duhends war der ganze Rücken des Unglücklichen eine wüste Masse von zerriffenem Fleisch und Blut. Es ward ein in Essig getauchtes Stück Zeug darüber gedeckt und der Gekreuzigte nach dem zweiten Schiffe gebracht. Als er auf das zehnte Schiff gebracht ward, schrie und ächzte er nicht mehr, sondern lag ganz ftill. Als man hier die geseßmäßige Portion etwa zur Hälfte aufgetragen und der Körper ganz ruhig blieb, erklärte der Wundarzt, der Mann könne ohne Gefahr für sein Leben nicht weiter gepeitscht werden, obgleich noch fieben Schiffe zur Vollendung,,der Runde" übrig waren. Die Sache war, wie sich nachher ergab, daß bereits auf dem vorlegten Schiffe die Streiche auf einen todten Körper gefallen waren. Sehr erklärlich: schon nach dem ersten Hiebe sprang das Blut, zwischen jedem folgenden mußte eine civilisirte Minute verstreichen, und der Transport von einem Schiffe zum anderen dauerte 10-15 Minuten.

Die neunschwänzige Kaße“ gehört noch heute zu den unentbehrlichsten Waffen westlicher Civilisation" gegen öftliche Barbaren, deren Knute in der englischen neunschwänzigen Kaße nur eine ebenbürtige Schwester sehen kann. Cobden, der einmal nachwies, das England in focialer Construction der ruffischen eigentlich ganz ähnlich und befreundet sei, hat dieses wesentliche Element der Gleichartigkeit ganz übersehen. Man stiehlt und raubt zwar die Soldaten nicht mehr zusammen, wie für den berühmten Wellington; aber die Werbungen durch falsche Vorspiegelungen, blinkendes Gold und benebelnde Spirituosen in stinkenden Bier- und Gin-Paläßten find moralisch nicht um ein Haar beffer. So lange die Administrativ-Reform-Bewegung nicht den Muth und die Einsicht hat, eine wesentliche Aenderung in den Gefeßen und Instrumenten zu erzielen, durch welche Civil-Beamte und Militair gemacht werden, wofür gerade Preußen Muster liefern könnte, kann England keine Kriege für die Civilisation“ führen, so lange bleiben Civil- und Militairmassen Werkzeuge und Kreaturen der Whigs und Tories gegen die zwanzig und dreißig Millionen der eigentlichen und der Kolonial-Engländer. Der schreckliche Unsinn und das unersättliche Unheil dieses Krieges in England liegt wesentlich in dem Widerspruche, daß er als „people's war" unwillig und in Verlegenheit, ohne Ernst und Ehrlichkeit den regierenden Klaffen" aufgedrungen ward, daß er als „volksthümlicher Krieg" fortwährend gepriesen und von den Whigs

und Tories aus Unwillen und Unfähigkeit und zum Theil auch absichtlich so fortgeführt wird, daß Niemand mehr darunter leidet, als das englische Volk selbst, unter welchem die Arbeitslöhne finken und die Preise für Soldaten in ungeheurer Höhe noch fortwährend steigen. Das ist der gerade Weg zur Barbarei, zur Prätorianer Wirthschaft, zu Verwilderung und Verarmung.

Oho, so schlimm ist's denn doch auch nicht, hör' ich hier ausrufen, und wenn die Leitartikel-Sprüche eines Salomo in Berlin Glauben finden, geht England mit gesunder anglosächsischer Gründlichkeit, aber sehr langsam, weil gründlich, vorwärts, und nur den „englischen Korrespondenten", deren Schmerz er begreift, aber nicht billigt, gehts nicht rasch genug. Etwas, mein guter Salomo, geht sehr schnell, nämlich der Weg ab- und rückwärts. Vom 5ten Juni vorigen Jahres bis 5ten Juni heuer kam die WaarenBilanz Englands, des Produzenten und Spediteurs für die ganze Welt, in runder Summe von 600 auf 300 Millionen Pfund; die Arbeitspreise fielen, während über 100,000 Arbeiter brodlos von der Hälfte der Einkünfte für schweres Geld zum Todmachen aufgekauft wurden, alle Lebensmittel-Preise um 100 bis 200 Prozent stiegen und die ältesten, reichsten Häuser von Fabrikanten mit 5- bis 700,000 Pfund bankeroit machten und unzählige kleinere Firmen mit hinabzogen, die mit verstärkter Kraft fortziehen. Das ist viel in einem Jahre, das ist schnelles Herunterkommen gegen dein gründliches und langes Vorwärts, gegen deine Alltrösterei mit erhabenen, glückseligen Jahrhunderten für unsere Enkel, Urenkel oder wenigstens deren Urenkel,,,denen der jezige Krieg doch zu Gute kommen muß", etwa wie uns jezt die Schlacht bei Marathon oder,,Iphigenia auf Tauris", da ja ein Goethe des 36sten Jahrhunderts vielleicht eine noch schönere Iphigenia auf der Krim schreiben kann. Ich will dem Berliner Leitartikel-Salomo nur ein Rechen-Erempel aufgeben: Wenn man schnell, also z. B. eine Meile in der Stunde, rückwärts und langsam, also z. B. 100 Schritte in der Stunde, vorwärts kommt, um wie viel kommt man dabei mehr vor als rückwärts? — Aber England hat doch constitutionelle Freiheit, Parlament, Wahlrecht u. s. w. Viele wiffen freilich kaum, daß z. B. Preußen jezt immer noch ein viel ausgedehnteres und durch und durch gleichmäßigeres Wahlrecht hat, als England; daß in Preußen wirklich gewählt, in England aber mit Bier und Schnaps und 5-6000 Pfd. pro Vertreter jede Parlaments-Stelle gekauft und erschwindelt und diese Praris offen im Parlamente vertheidigt und festgehalten wird. Und wenn man in Preußen behauptet, diese Kammern vertreten das Volk nicht, heißt es hier: die Whigs und Tories vertreten sich die Füße auf dem Rücken des Volkes und bilden einen so feindlichen Gegensaß gegen daffelbe, daß sie die Sonntagsbill zweimal mit großer Majorität annahmen, bis sie sich durch die Sonntags-Emeuten der Maffen als Feiglinge einschüchtern ließen und ihre fromme Pille dem Arzte selbst zum Einnehmen zurückgaben. Was ist das für eine Vertretung, ein Parlamentarismus, der das Sonntag und Woche beschwindelte Volk um die legten Reste seines schon bis zur traurigsten Dede entkleideten Sonntags bringen will, den Antrag zweimal mit großer Majorität annimmt und sich nun erst durch eine rohe Demonftration des Volks-Unwillens bewegen läßt, seine Weisheit zurückzunehmen? Der Parlamentarismus war immer im Gegensatz zu den Intereffen des Landes und Volkes, ließ sich aber immer noch zu rechter Zeit, ehe es zu Emeuten kam, einschüchtern. Jeßt ist er so frech geworden, diese erst heraufzubeschwören und dann zu fliehen, wie Lord Robert Grosvenor. (Schluß folgt.)

Belgien.

Belgische Forschungen über die Komponisten des „God save the King" und der „Marseillaise“.

Französische Blätter wärmten kürzlich wieder einmal die alte, abgeschmackte Geschichte auf, daß die Melodie des Liedes „God save the King" eine Composition Lully's sei, die Händel bei einer Reise durch Frankreich von den Damen von St. Cyr in deren Kapelle habe aufführen hören und die er nachmals dem Könige Georg I. als eigene Composition habe vortragen (lassen. Dieses, dem Rufe des großen deutschen Komponisten, der den eigenen reichen Lorbeer mit keinem fremden Blatte zu schmücken nöthig hatte, so nachtheilige Märchen ist zwar schon oft durch die bloße Angabe widerlegt worden, daß das „, God save the King" in England lange vor Georg I. und Händl bekannt gewesen sei; dergleichen Klatschgeschichten finden jedoch immer wieder von neuem Glauben, besonders, wenn sie von historischen Kaffeeschwestern, wie Frau v. Créqui, in ihren Memoiren berichtet und von journalistischen Kaffeeschwestern unserer Zeit nacherzählt werden. Ein gelehrter musikalischer Feuilletonist der Indépendance Belge (Herr Fetis?) weist darauf hin, daß ein englischer Schriftsteller, Herr Nichard Clark, bereits vor einiger Zeit in seiner Schrift: „An Account of the

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