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Kritik, inneren Gründen gegenüber, noch sonderlich ins Gewicht fallen könnte. Und die hier vorliegende kennzeichnet sich wohl selbst als das, was sie ist. Man vergleiche besonders die Fabeln von Tucca und Varius, mit denen die Fälschungen im Vergil unterstützt wurden; ihnen ist im Minos ein eigenes Capitel gewidmet worden. Aehnliches in Beziehung auf Ode IV, 4 und hier die Notiz des Sueton gleich bedenklich. S. w. u.

Es hat für uns nichts Auffallendes, dass zur Zeit, da Sueton schrieb, die Fälschungen im horazischen Text schon feststanden, denn alles weist darauf hin, dass diese in die Zeit vor ihm zu setzen sind, und das wäre also für letzteres auch nur eine neue Bestätigung. Gleiches gilt von Quintilian, wie das bereits im Minos berührt worden. Nun giebt es aber auch einen zweiten Ausweg. Möglich, dass der Satz Expressitque nebst dem Citat gar nicht dem Verfasser der Lebensbeschreibung des Horaz gehört, sondern späterer Zusatz wäre aus anderer Quelle, oder gar nach dem Text unserer Epistel. Dasselbe mit noch mehr Grund liess sich bereits von der Stelle behaupten, welche den jungen Lessing so sehr in Harnisch gesetzt: Nam speculato cubiculo scorta dicitur habuisse disposita et cet. Es fällt dies aus dem Stil, passt nicht als Erklärung zu intemperantior, und was scorta disposita hier sein sollen, bleibt unverständlich; auch dicitur so nahe bei traditur fällt auf.

Und nun müssen ja auch diejenigen, welche vor jeder kühneren Operation zurückschrecken, zugeben, dass in der Epistel nicht alles in Ordnung sei und sie müssen sich zu dreisteren Abhülfen entschliessen, die dennoch unzureichend bleiben. V. 101 quid placet - wird von Haupt nach V. 107 gesetzt; richtiger hat ihn Lehrs nebst seinem Nachbarn streichen zu müssen geglaubt; noch auffallender aber dass letzterer V. 173: quantus sit nach V. 56 bringt. Ausserdem, man beachte es wohl! sieht Lehrs sich genöthigt V. 94 vitium in lusum oder auch requiem zu verändern. Er meint in solcher Weise das Unerträgliche entfernt zu haben; aber wie wenig sagt dies gegen die ungleich grösseren Bedenken, die überall und in dem Ganzen liegen!

Ebenso hat es für die Uebersetzung mancher Künste bedurft, um über die Anstösse hinwegzukommen, um einen leid

lichen Zusammenhang zu gewinnen. Von Wieland bis Döderlein haben die Uebersetzer sich zu mancher Nachhülfe in den Uebergangspartikeln und sogar zur Untreue genöthigt gesehen. Um so auffallender dabei Wielands Schätzung, welcher der Epistel einen vorzüglichen, ja ersten Rang zuwies. Ihm machte noch Eindruck, was uns wohlfeil erscheint und in der Nähe des Gemeinplatzes bleibt, so der Nutzen der Dichtkunst, besonders, wenn erwogen wird, dass diese Worte zu Augustus gesprochen sein sollen! In Summa: Nirgend geht das Gedicht über das hinaus, was ein Rhetor, oder ein rhetorisch gebildeter Dilettant vermag.

Dass ich aber auf dem Standpunkt, den ich im Minos einnahm, mich noch nicht zur Verwerfung des Ganzen entschliessen konnte, wird man erklärlich finden, dagegen glaube ich auf der rechten Spur gewesen zu sein und jenes Resultat der Kritik musste vorauf gehen; denn allem Anschein nach ist die ursprüngliche Unterschiebung eben bei V. 231 zu schliessen, von da ab aber haben wir eine zweite Fälschung, noch erheblich schlechter als die erste.

XV.

EPIST. II, 2.

Anders verhält es sich mit der zweiten Epistel des zweiten Buches, denn sie ist eines der werthvollsten Stücke, das wir überhaupt von Horaz besitzen, und doch wieder in hohem Grade verunstaltet durch umfangreichen Einschub der verwegensten Art.

Ich habe hier eine Schuld abzutragen und halte die Sache für einfach, falls man den Glauben an die Kühnheit solcher Interpolationen mitbringt. In der That ist es schwer zu verstehen, wie man so lange Zeit ruhig über alles das hat fortlesen können; von älteren Kritikern stiess nur Daniel Heinsius bei V. 140, 41 an und half sich durch Bezeichnung einer Lücke. Wieland war, wie stets in solchem Fall, bei seiner Uebersetzung zu mancherlei Nachhülfen genöthigt, um nur einen gewissen Schein von Zusammenhang zu erhalten, so dass besonders Ribbeck zu loben ist, welcher zuerst die mehrfache Störung desselben erkannt, so wenig wir auch seiner versuchten Abhülfe durch die stets missliche Versetzung das Wort reden können. Es ist ein Leichtes sich zu überzeugen, wie wenig dies Mittel in unserem Fall anschlägt, denn das Uebel wird nur noch grösser. Die mehrfachen Absätze, die er zu machen genöthigt ist, deuten ohnedies auf den noch immer verbleibenden Mangel an Zusammenhang, trotz aller Operation!

Ich will kurz sein. Die mittlere Partie des überlangen Gedichtes ist fremdartig, sie unterbricht den einfachen Fortgang, bringt das Stück mit sich selbst in den unverkennbarsten Widerspruch. Horaz ist gerettet, wenn man den

Mut gewinnt, V. 77-140 auszuscheiden, denn hier schliesst sich der Ausführung, dass er in Rom keine Verse machen könne und wolle, übrigens mit Laune gesagt, die Aeusserung an, dass er sich der Philosophie zuwende, was er auch sofort thut. Die Schilderung von dem gegenseitigen Lobe der Dichter, so artig sie an sich ist, gehört ganz und gar nicht hieher, während die, den Grammatiker verrathende, an sich sehr wohlgefasste Stelle von dem, was die Aufgabe des guten Dichters sei, sogar mit dem folgenden im Widerspruch steht, denn zu diesem Ernst passt nicht V. 141 im wieder Echten der Ausdruck abjectis nugis. Es handelt sich übrigens hier nur von lyrischer, von erotischer Poesie, nur um verba fidibus modulanda Latinis, so wie oben um versus canoros.

Man könnte noch V. 78 Scriptorum chorus - bis V. 86: connectere digner beibehalten wollen; allein das ist lediglich Amplification des Obigen und Wiederholung des Ausdrucks, so dass jener kurze Schluss in V. 76 nur verliert. Ich halte übrigens auch für möglich, dass die etwas zu allgemein gehaltenen Verse, 55-64 nicht von des Dichters Hand, sondern von einer anderen, jedenfalls sehr geschickten seien, denn kürzer und leichter ist weiterhin derselbe Inhalt ausgedrückt in V. 141: Et tempestivum pueris concedere ludum, wogegen die Erwähnung des sehr verschiedenartigen Geschmackes durchaus nicht schmeichelhaft für den Empfänger des Briefes, ohnedies im Widerspruch mit dessen Bitte um Mittheilung, ja eigentlich auch schon mit den anderen viel allgemeineren Gründen der Ablehnung, ganz besonders aber mit der durchgehenden Laune und der leichtbeflügelten Behandlung.

Allerdings glaube ich hier eine Herstellung vollbracht zu haben, welche uns recht eigentlich den wahren Horaz zeigt, so wie sie denn ein Gedicht rettet, das einen Höhenpunkt der römischen Literatur bezeichnet.

In der That, wir haben Horaz, seine Laune, seine Feinheit, seine weltmännische Gewandtheit wieder, und damit besteht schwerfällige Lehrhaftigkeit so wenig wie jene wilde Planlosigkeit, welche in dem Ueberlieferten so stark hervortritt. Bei der vollbrachten Ausscheidung darf aber nicht unbeachtet bleiben, von welcher Art sich hier wieder die interpolierten Stellen erweisen: sie haben viel Bestechendes und sind keineswegs einzelner Vorzüge baar, sie deuten aber be

sonders auf rhetorische Bildung, namentlich auch auf gute rhetorische Principien hin und können unmöglich der Zeit eines tieferen Verfalls angehören; sind sie doch sogar leichter und fliessender als der echte Horaz! ganz im Einklang mit dem Ergebniss unserer Untersuchungen und immer neue Mahnung, wie sehr man auf der Hut zu sein hat.

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