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Der Plautinische Trinummus im Coder Ambrosianus.

An Herrn Geh. Rath Fr. Ritschl in Leipzig.

Mangel an Zeit und Ruhe zur Arbeit machen es mir, Hochverehrter Herr, unmöglich, die Uebersendung meiner Nachträge für den Miles Gloriosus, Pönulus und Trinummus in der Weise zu be schleunigen, wie ich es gewünscht hätte. Für den Augenblick kann ich nur in aller Eile und ohne Ordnung zusammenstellen, was für den Trinummus aus dem Mailändischen Palimpsesten nachzutragen oder zu berichtigen ist, die Mittheilungen aus den beiden übrigen Comödien muß ich gezwungen auf ein anderes Mal verschieben. Daß ich gerade den Trinummus auswähle, hat seinen Grund einmal ganz zufällig darin, daß meine nochmalige Revision in diesen Tagen zu diesem Stücke zurückgekehrt ist, dann aber sind Dank der verhältnißmäßig guten Erhaltung der betreffenden Bergamentblätter und der Sorgfalt, welche Sie und Hr. Prof. Geppert auf die Lesung verwandt haben, der Nachträge hier weniger als in irgend einem der anderen Lustspiele. Meist handelt es sich um Kleinigkeiten, deren Feststellung für die Kritik des Textes von untergeordneter Bedeutung ist. Dennoch werde ich auch alle orthographischen Varianten mit aufführen, weil in vielen Stellen abweichende Angaben bei Ihnen und Geppert zu finden sind, wie es ja leicht geschieht, daß man in der gedruckten Ausgabe, welche man zur Vergeichung benugt, einen Buchstaben zu tilgen ver: gißt, und nachher die Lesart des Drucks für die des Coder hält. Zu wenig an manchen Stellen gelesen zu haben, darf nicht zum Vorwurf gemacht werden, da der, welchem mehr freie Zeit und bessere Beleuch tung zu Theil wurde, aus jedem Palimpsesten nüßliche Nachträge liefern können wird. Dazu kommt, daß unter allen lateinischen Ba limpsesten, welche ich kenne, der Plautinische Ambrosianus am schwersten lesbar ist, weil fast durchgehends jede Linie des Plautinischen Textes genau gedeckt wird von einer entsprechenden Linie des lateinischen Tertes der alttestamentlichen Bücher der Könige; nur ganz vereinzelt bei grō: ßeren Abschnitten ist die Plautinische Schrift nicht durch Auftragung der häßlichen und ungeschlachten Züge der Bibelvulgate entstellt. Die Züge der ursprünglichen Schrift sind regelmäßig und viel eleganter, als das von Mai gegebene Facsimile sie darstellt, die der Vulgate sind zwei bis dreimal so breit, und daher kommt es, daß ein Theil

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der Plautinischen Lettern unter der zweiten Schrift spurlos begraben liegt; wäre das Verhältniß umgekehrt, so würde der Palimpsest ohne Schwierigkeit gelesen werden können. Unter diesen Umständen jedoch wäre es vergeblich, auf besondere Erfolge neuer chemikalischer Reagentien zu hoffen. Gewiß werden viele bei flüchtigem Einblick in die zer feßten Trümmer des Ambrosianischen Coder geneigt sein, die Schuld an dem Verfall zum größten Theile der vom Cardinal Mai ange= wandten chemischen Reagenz beizumessen, und wenn man andere Palimpseste damit zusammenhält, deren Zustand im Vergleich dazu vor: züglich ist, so kann man leicht verführt werden, darin eine Bestätigung finden zu wollen. Eine solche Ansicht ist aber durchaus irrig, wie mich eine achttägige genaue Untersuchung des Tertes der Vulgate ge lehrt hat, die bisher unterlassen worden war. Da das Ergebniß meiner Prüfung der Bergamentblätter mit verschiedenen Tincturen auch für die zukünftige Behandlung anderer Palimpseste Werth haben kann, so will ich lieber zu ausführlich als zu kurz darüber berichten. Mai be: diente sich zur Wiederbelebung der zum Theil abgeschabten, zum Theil abgewaschenen Schriftzüge unvermischter Galläpfel-Tinctur, wie ich sie genau ebenso habe anfertigen lassen. Von allen Tincturen, welche ich kenne, ist dies die einzige, welche das Pergament so gut wie gar nicht angreift, wenn schon einmal Galläpfel-Tinctur aufgetragen wor: den ist. Ich spreche dabei nicht von Palimpsesten, die noch gar keine chemische Behandlung erfahren haben, obwohl ich überzeugt bin, daß die vorzügliche Lesbarkeit z. B. der in Turnin befindlichen Palimpsesten nicht sowohl der neuen, von Peyron angewandten Tinctur zuzuschreiben ist, als dem guten Zustande des Bergamente, zur Zeit, da die Ba limpseste behandelt werden sollten Der Plautinische Coder war da= gegen, wie sich ganz sicher erweisen läßt, schon im 8ten Jahrhunderte zum Theil in kläglichem Zustande. Ferner ist bei der Behandlung aller Palimpseste der Unterschied zwischen der inneren und äußeren Seite des Bergaments zu beachten, d. h. zwischen der glatteren, am Körper des Thiers anliegenden Hautseite, und der dieser entgegenges seßten rauberen. So sorgfältig nämlich auch immer die äußere Seite geglättet werden mag, so dringen doch die meisten Tincturen, wenn die alte Schrift abgeschabt worden ist, in der Weise in die Poren ein, daß alles verschwimmt, und gar nichts gewonnen wird. Das gilt namentlich von der übrigens vorzüglichen Mischung aus 1 Theil Kalk mit 1 Theil Schwefel, die in einer Retorte, in der sich 2 Theile Sal miat befinden, unter Vorlage von 2 Theilen destillierten Wassers bei allmählig bis zum Glühen der Kapelle erhißtem Feuer destilliert werden; so vorzüglich die Wirkung dieser Reagenz auch bei noch nicht behandelten Palimpsesten sein mag, so hilft sie bei den schon von Gall äpfeln beneßten Pergamenten doch meist nur auf den inneren Seiten. Die Giobertsche Tinctur hat wie die Galläpfel den Vorzug, weniger in die Poren einzudringen, bewirkt aber bei den mit Galläpfeln schon

behandelten Blättern keine größere Deutlichkeit. Somit ist vorläufig für den Plautus-Coder aus den neuen Chemikalien kein erheblicher Gewinn zu ziehen; in der Hoffnung aber, daß es einmal gelingen wird, ein Mittel ausfindig zu machen, das erwünschtere Resultate liefert, habe ich es nicht gewagt, durchgehends oder auch nur häufiger Tinctur bei der Collation anzuwenden. Die Proben mit den verschiedenen Tincturen habe ich an gleichgiltigen und ganz kleinen Stellen vorgenommen; ich konnte sie auch sofort aufgeben, da die Resultate werthlos waren. Nur an den Enden der Zeilen, wohin zuweilen Mai's Galläpfel-Tinctur nicht durchgehends hingekommen war, habe ich vielleicht an 120 Versen dieselbe Reagenz angewendet. Da sie sich in der Farbe von der Mai'schen nicht unterscheidet, so wird ein Nachfolger sie nicht erkennen können; das einzige Kennzeichen ist, daß das Pergament ein flein wenig glänzender ist. Vorgefunden habe ich in dem Palimpsest noch auf mehreren Seiten die Spuren von Versuchen mit mir unbe: kannten Tincturen, welche nach Mai gemacht worden sein müssen. Die eine, sehr selten vorkommende Tinctur ist unsorgfältig aufgetragen und hat eine häßliche blau-grüne Farbe hinterlassen; eine andere Tinctur, die etwas häufiger vorkommt, hat dem Bergament wenig geschadet, aber einen rosa-weißlichen Schleier zurückgelassen, der jedoch mit jeder Flüssigkeit abgehoben werden kann. Wer diese Tincturen angewandt hat, weiß ich nicht; sicher aber ist, daß keine von allen Tincturen geradezu verderblich für die Erhaltung des Pergaments gewesen ist. Größer ist die Schuld, welche die früheren Conservatoren der Ambro: fianischen Bibliothek trifft, da der Coder mit solcher Sorglosigkeit ver packt war, daß die zum Theil aus Feßen bestehenden Blätter nicht einmal durch Seidenpapier von einander geschieden wurden, daher bei dem Gebrauch die Handschrift nothwendig leiden mußte, so oft jemand die ineinander und durcheinander gezerrten Blätter sondern und prüfen wollte. Für bessere Erhaltung in Zukunft ist Sorge getragen. Seit Schwarzmanns im Jahre 1835 vorgenommener Collation find dennoch nicht allzuviele große Trümmer der Handschrift abgerissen oder ver: loren, wie mich meine neue Vergleichung im Hinblick auf das von Schwarzmann erkannte gelehrt hat. Der wahre Zerstörer des PlautusCoder war vielmehr jener fromme Schreiber der Vulgata im 8ten Jahrhundert, welcher offenbar, um die heidnische Schrift möglichst wenig durchscheinen zu lassen, einen so entseßlich ungeschlachten Schriftcharakter wählte, wie ihn kaum eine andere Handschrift aufweist. Ich weiß nicht, durch welchen Frrthum in ihre Prolegomena ad Trinummum p. VIII die Notiz gekommen ist, daß die alttestamentliche Schrift dem 9ten Jahrhundert angehöre; schon der Charakter des späteren Schrei bers, welcher zerstörte Stücke in sogenannter angelsächsischer Schrift er: gänzte, und von welchem ich sogleich sprechen werde, verbietet, die Handschrift jünger als das 8te Jahrhundert zu seßen. Das Pergament, welches dem Schreiber des Plautus gedient hatte, war wie das der

meisten wirklich alten lateinischen Manuscripte, dünn, wenn es auch von dem des Mediceischen Virgil und anderer Handschriften an Feinheit übertroffen wird. Die Dünnheit des Pergaments steigerte sich noch durch das Abschaben und Abwaschen des ursprünglichen Tertes. Als dann vollends die ungethümen Grundstriche der Bibelvulgate darüber geschmiert wurden, entstanden an vielen Stellen Löcher, welche eben diese Tinte bewirkte. Daher hat später ein anderer Mönch des Klosters S. Columban in Bobbio (oder waren es mehrere?) dieselben Buchstaben, deren Formen zum Theil schon ein Loch waren, noch einmal übergeschrieben. Der Beispiele hierfür sind sehr viele: einzelnes ist übergeschrieben z. B. auf den Seiten 53. 100 (unten). 180. 321 (unten). 371 (unten); mehr noch auf S. 111. 141. 145. 151. 159 (oben). 168 (oben). 183. 199. 208. 215. 243. 244 (oben). 289 (unten). 341. 347. 354. 356. 373. 383. 389. 390. 396. 409. 414. 434. 440; noch mehr auf S. 109. 127. 128. 153. 155. 160 (oben). 177. 179. 185. 188. 191. 197. 203. 204. 207. 332. 346. 377. 384. 388. 399. 400. 401. 405. 407. 416. 420. 428 A. 427 B. 469 A. 470 B. u. s. w. Bemerkenswerth ist, daß jener Conservator das Ueberschreiben der Lettern viel häufiger auf den äußeren als auf den inneren Seiten des Pergaments anwenden mußte. Die übergeschriebenen Buchstaben sind freilich zum Theil im Allgemeinen im Charakter der Vulgatschrift selbst gehalten, doch ist möglich, daß der Conservator diesen nur imitierte, und daß er theilweise identisch ist mit jenem Schreiber, der einzelne erloschene Lettern und zum Theil ganze Seiten, die erloschen waren, nachzog, jedoch mit angelsächsischem Schriftcharakter, wie er aus Handschriften des 8ten Jahrhunderts bes kannt ist. Besonders lehrreich ist dafür z. B. Seite 466 B., wo zum Theil die erloschenen Lettern der Vulgatschrift in angelsächsischem Schriftcharakter nachgezogen sind, zum Theil aber, d. h. an den Stellen, wo die Tinte das Pergament schon durchgefressen hatte, über die Vulgatschrift in demselben Charakter, nur etwas feiner, die ausgefallenen Lettern übergeschrieben sind. Es sei erlaubt, diese Ausbesserer der Handschrift der Kürze wegen den angelsächsischen Conservator zu nen nen. Dieser fand die Handschrift also schon in einem einmal durch die Nachwirkungen der Vulgattinte, dann aber auch wohl durch schlechte Conservirung bedauerlichen Zustande vor. Daß auch sorglose Conser virung zur Verschlechterung beigetragen hatte, beweist der Umstand, daß einmal die inneren Lagen der Vulgat-Quaternionen noch jezt besser erhalten sind als die äußeren, zweitens der Anfang des ersten und die Enden der beiden Bücher der Könige bedeutend mehr gelitten haben als der Anfang des zweiten und die Mitten. Der Vulgatcoder um= faßte nämlich keine weiteren heiligen Schriften als die in unsern Ausgaben gemeinhin als vier, in dem Coder als zwei (lib. I+II edit. lib. I cod. ; lib. III+IIII edit. lib. II cod.) bezeichneten Bücher der Könige. Jedes von diesen beiden Büchern der Könige Muf f. Phil. N. F. XXI.

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Der Plautinische Trinummus im Codex Ambrofianus.

An Herrn Geh. Rath Fr. Ritschl in Leipzig.

Mangel an Zeit und Ruhe zur Arbeit machen es mir, Hochverehrter Herr, unmöglich, die Uebersendung meiner Nachträge für den Miles Gloriosus, Pönulus und Trinummus in der Weise zu be schleunigen, wie ich es gewünscht hätte. Für den Augenblick kann ich nur in aller Eile und ohne Ordnung zusammenstellen, was für den Trinummus aus dem Mailändischen Palimpsesten nachzutragen oder zu berichtigen ist, die Mittheilungen aus den beiden übrigen Comödien muß ich gezwungen auf ein anderes Mal verschieben. Daß ich gerade den Trinummus auswähle, hat seinen Grund einmal ganz zufällig darin, daß meine nochmalige Revision in diesen Tagen zu diesem Stücke zurückgekehrt ist, dann aber sind Dank der verhältnißmäßig guten Erhaltung der betreffenden Pergamentblätter und der Sorgfalt, welche Sie und Hr. Prof. Geppert auf die Lesung verwandt haben, der Nachträge hier weniger als in irgend einem der anderen Lust: spiele. Meist handelt es sich um Kleinigkeiten, deren Feststellung für die Kritik des Textes von untergeordneter Bedeutung ist. Dennoch werde ich auch alle orthographischen Varianten mit aufführen, weil in vielen Stellen abweichende Angaben bei Ihnen und Geppert zu finden sind, wie es ja leicht geschieht, daß man in der gedruckten Ausgabe, welche man zur Vergeichung benußt, einen Buchstaben zu tilgen vergißt, und nachher die Lesart des Drucks für die des Coder hält. Zu wenig an manchen Stellen gelesen zu haben, darf nicht zum Vorwurf gemacht werden, da der, welchem mehr freie Zeit und bessere Beleuch tung zu Theil wurde, aus jedem Palimpsesten nüßliche Nachträge liefern können wird. Dazu kommt, daß unter allen lateinischen Pa limpsesten, welche ich kenne, der Plautinische Ambrosianus am schwersten lesbar ist, weil fast durchgehends jede Linie des Plautinischen Textes genau gedeckt wird von einer entsprechenden Linie des lateinischen Textes der alttestamentlichen Bücher der Könige; nur ganz vereinzelt bei grö Beren Abschnitten ist die Plautinische Schrift nicht durch Auftragung der häßlichen und ungeschlachten Züge der Bibelvulgate entstellt. Die Züge der ursprünglichen Schrift sind regelmäßig und viel eleganter, als das von Mai gegebene Facsimile sie darstellt, die der Vulgate sind zwei bis dreimal so breit, und daher kommt es, daß ein Theil

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