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Zu Ennius und den christlichen Dichtern.

In der Schrift des Beda über die Schemen und Tropen der Rede, auf S. 610 [3. 20] der Rhetores Latini von Halm findet sich als Beleg des Homoeoteleuton folgende Zeile:

'pervia divisi patuerunt caerula ponti'.

Zu welchen Worten der um den Text jener bisher ziemlich stiefmütterlich behandelten Kinder der Römischen Litteratur so verdiente Gelehrte folgendes anmerkt 'an ex Ennio'? eine Vermuthung, auf die auch im Index Scriptorum Bezug genommen ist. Es würde gewiß Niemand etwas dagegen haben, wenn wir diesen artigen Herameter den spärlichen Fragmenten des alten vates oder (da er selbst diesen Ausdruck verschmähte) poeta aus Rudiae zufügen könnten, allein die Annahme Halms ist nicht begründet; wie man denn schon an sich bei herrenlosen Versen in Beda oder andern Grammatikern des siebenten und achten Jahrhunderts gewöhnlich mit mehr Recht an einen christlichen, modernen als an einen alten und heidnischen Autor denken wird. Jenes Citat stammt vielmehr aus einem noch zum größten Theil unbekannten, aber handschriftlich vorhandenen Gedicht ,,de pentateucho". Dies ergibt sich aus folgendem Citat des Aldhelmus (p. 314) 'nam patuerunt indicativi modi est temporis praeteriti perfecti ubi semper e producitur ut

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pervia divisi patuerunt caerula ponti.

scanditur pervia, divi, sipatu, erunt. et infra

et ieiuna novum vomuerunt marmora potum'.

In diesen Worten bedeutet das Adverbium infra nach bekanntem Sprachgebrauch soviel als 'an einer spätern Stelle desselben Werkes'. Uebrigens verdirbt Aldhelmus hier, wie so oft in seinem metrischen Sendschreiben an den Acircius, Zeit und Papier mit unwürdigen Triviali.

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täten grammatischen und prosodischen Inhalts, freilich wohl eben so sehr aus praktischer Nothwendigkeit als aus speciellem Vergnügen. Im vorliegenden Falle nun hat er gewiß mit der Sache selbst auch die Citate der eigenen Gelehrsamkeit zu verdanken; ein altrömischer Grammatiker brauchte seinen Landsleuten nicht zu erzählen, noch gar zu beweisen, daß erunt im Perfectum lang sei. Danach aber ergibt sich unzweifelhaft, daß jene zwei Verse unmöglich dem Ennius angehören können, da Niemand glauben wird, daß Aldhelmus etwas vollständiges von diesem Dichter vor sich gehabt hätte. Fragen wir aber, woher denn die Hexameter kommen, so darf nicht unbeachtet bleiben das eben vorausgehende Citat, so wie man überhaupt bei herrenlosen Fragmenten oft genug mit Nußen die nächste bestimmte Erwähnung eines Autors oder Schriftstückes in's Auge fassen wird. Die bezügliche Stelle also lautet folgendermaßen 'coticula vero cuius primitivum cos paeoni primo adsciscitur versifico de aqua contradictionis

rumpuntur cotibus amnes'.

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Dies geht auf Cap. XVII der Exodus und wahrscheinlich schloß der Vers 'et ieiuna' etc. sich unmittelbar an jene Worte an. Daß er aber hinter 'pervia divisi patuerunt caerula ponti' sich vorfand, liegt auch vor dem Auge offen. Diese Zeile geht eben auf den Durch: zug der Israeliten durchs rothe Meer, der im vierzehnten Kapitel des zweiten Buches Mosis berichtet wird. Dicht daneben stand das folgende [Aldhelm. p. 297] 'sicca peregrinas stupuerunt marmora plantas', wobei es Beachtung verdient, daß dieser Hexameter von Beda in der Metrik auf S. 2367 unmittelbar hinter dem Fragment, von welchem dieser Auffah ausgeht, angeführt wird.

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Von diesem Gedichte nun waren seit alter Zeit bekannt die ersten 165 Verse, die bei der Strafe Cains abbrechen. Dieselben sind unter Cyprians Namen zuerst von Morelius und Fabricius, von andern im Anhang des Tertullianus herausgegeben worden. Dahingegen veröffentlichte Martene in der seit 1724 erschienenen Collectio Veterum Scriptorum etc. aus einem Manuscript der alten West= phälischen Abtei Corvey das ganze erste Buch des Pentateuchs, bestehend aus 50 Capiteln und 1441 Versen. In dieser erweiterten

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Gestalt, deren Existenz den Herrn Giles und Oehler übrigens gänzlich unbekannt geblieben, ward dies Werk als Anhang des Juvencus, dem es auch Martene zuschrieb, von Arevalus und Migne später wieder abgedruckt. Allein auch die übrigen vier Bücher sind gerettet, wie man aus folgender wichtigen Notiz des neusten englischen Herausgebers der Werke des Aldhelmus ersehen kann [Vorr. S. VIII. IX]: In dem Catalog der Bibliothek des Trinity Colleges zu Cambridge wird ein anderes Werk dem Aldhelmus zugeschrieben. ist ein langes Gedicht von mehrern [several] tausend Zeilen, betitel t 'de Pentateucho'. Der Coder gehört dem zehnten Jahrhundert an und das Werk, welches er enthält, ist das vollständige Opus, von dem ein Stück unter dem Titel 'Genesis Carmen' dem Tertullianus und Cyprianus zugeschrieben ist und sich in allen Ausgaben des zweiten vorfindet. Der Herausgeber war in der Lage sich hierüber genau zu unterrichten durch die Freundlichkeit des Rectors vom Trinity College, der ihm den Coder anvertraute, was eine genauere Untersuchung ermöglichte und die Identität der beiden Gedichte gänzlich constatirte. Das Manuscript ist vermuthlich ein Unicum und das nach von großem Werthe'.

Nun, diese Angabe ist ja deutlich genug, und wir glauben selbst ohne natürlich jenes Manuscript weiter zu kennen die Verszahl der fünf Bücher leidlich genau firiren zu dürfen. Da nämlich das erste Buch Mosis, bekanntlich das längste von allen, sich nach der Capitelzahl zu den übrigen verhält etwa wie 5 zu 14, der Anonymus sich aber stets ziemlich genau an den Text hält, von dem er oft nur eine Paraphrase liefert, so mag das ganze Epos gegen 5500 Verse zählen.

Wer der Verfasser desselben sei, ist gänzlich ungewiß, nur das sicher, keiner unter den zahlreichen, zum Theil handschriftlich wohlbezeugten Candidaten, über welche man besonders die Vorrede der Ausgabe des Juvencus von Arevalus [§ 16. 17. 44] nachsehen möge. Zunächst muß ich dagegen Protest einlegen, daß Juvencus, Tertullianus oder Cyprianus mit dem Werk irgendwie zu schaffen hätten. Denn von Juvencus ist es sicher, daß er den Ablativ der ersten oder die adverbia multiplicativa nicht verkürzt hat, von den beiden andern

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müßte erst das Gegentheil erwiesen oder doch wahrscheinlich werden, bevor man sie als Candidaten zuließe. Ebenso ist es aus prosodischen Gründen nicht denkbar, daß Sedulius der Autor unseres Gedichts sei, den Béda zu bezeichnen scheint an der schon oben herangezogenen Stelle optima autem versus dactylici ac pulcherrima positio est cum primis penultima ac mediis respondent ultima, qua Sedulius frequenter uti consuevit ut

pervia divisi patuerunt caerula ponti

sicca peregrinas stupuerunt marmora plantas
edidit humanos animal pecuale loquelas.

item pentametro

dignatus nostris accubitare toris

rubra quod adpositum testa ministrat holus'. Dagegen ist es wieder zu viel Ehre, wenn in dem Catalog der Bibliothek des Trinity College Aldhelmus als Verfasser dieser Lateinischen Bearbeitung des Pentateuchs genannt wird. Wer je die Sedichte des Aldhelmus gelesen (und das ist keine Kleinigkeit) wird mir bezeugen, daß sie überall den stammelnden Fremdling zeigen, während jenes Epos zwar alle Spuren späten Alters trägt, aber, wie jeder auf den ersten Blick erkennt, von Jemand kommt, dem das Latein Muttersprache war. Auch citirt ja Aldhelmus selbst das Gedicht, während er übri gens niemals in dem metrischen Tractatus à la Nonius sich der eige: nen Autorität bedient. Freilich könnte statt der jedenfalls nicht ganz ungerechtfertigten Bescheidenheit auch vielleicht ein äußerer Grund jener Zurückhaltung existiren. Es ist mir nämlich nicht unwahrscheinlich, daß die Räthsel das frühste poetische Produkt des Erzvaters der Bi schöfe von Salisbury sind, und daß er gerade aus diesem Grunde, wie ein Programm seiner poetischen Grundsäge, denselben jenen halb philosophisch-mystischen, halb metrisch-grammatischen Commentar an den Acircius, alias Regioswaldus beigefügt hat, dessen zweiter Theil neben vielem absurden manches nüzliche enthält, sowie gute Vorfäße, die leider nicht immer gehalten sind. Endlich, um dies noch bei läufig zu erwähnen, ist es auch undenkbar, daß Salvianus aus Mar: seille der Verfasser unseres Epos sei; denn die Stelle des Gennadius [Cap. 67], auf die man ihm zuweilen das carmen in Genesim vin

diciren wollte, beweist gerade, daß es nicht von ihm herrührt. Der Grund aber, weshalb jenes Opus so verschiedenen Autoren beigelegt worden, dürfte einfach der sein, daß schon im siebenten Jahrhundert der wahre Name des Autors unbekannt war, weshalb diesen Aldhelmus allgemein bezeichnet, während Beda und andere Gelehrte oder Abschreiber des Mittelalters nach Belieben für denselben irgend einen berühmten Namen der altrömischen Patristik substituirten. Denn mit herrenlosen Gedichten christlichen Inhalts war man in jenen Zeiten mindestens eben so freigebig als im 15. und 16. Jahrhundert mit ähnlich verwaisten Produkten des klassischen Alterthums.

Auch die Zeit unseres Gedichtes läßt sich nicht genau bestim men, doch ist dieselbe mit ziemlicher Sicherheit im fünften oder sechsten Jahrhundert zu fixiren, und der frühere Termin kommt mir noch etwas probabler vor als der spätere.

Ebenso ist das Vaterland des Anonymus ganz im Ungewissen. Denn wenn Herr Oehler in Bezug darauf sagt 'certa Afri auctoris indicia stilus habet nulla', so vermisse ich ebensosehr sichere Anzeichen für einen Stalischen, Gallischen, Hispanischen, Britannischen oder Jllyrischen Ursprung, der kleineren Provinzen des Westens gar nicht zu gedenken. Am leichtesten möchte ich mich für Gallien entscheiden und zwar nur aus einem Grunde, der aber nicht ganz absurd ist, nåmlich weil überhaupt Gallien vom vierten bis zum sechsten Jahrhundert in profaner wie weltlicher, prosaischer und poetischer Schriftstellerei das regste geistige Leben zeigt, so daß man bei namenlosen Werken immer zunächst an jenes Land, erst etwas später an die übrigen denken wird. Das Gedicht enthält manche schöne Stellen. Freilich war es auch nicht gerade schwer bei Bearbeitung der alten hebräischen Volkssagen Poesie zu zeigen, zumal wenn man sich, wie unser Anonymus, recht genau an die Ueberlieferung des Originals hielt. Und in Wahrheit ist vieles in jenem Epos eigentlich nichts weiter als eine Paraphrase des Bibeltertes, wohlgemerkt nach der Italischen Ueberseßung, nicht nach der Vulgata. Auch wandte sich die Poesie der lezten Zeiten des römischen Alterthums mit Vorliebe ähnlichen Objecten zu (ich komme später noch einmal auf diesen Punkt zurück), und vielleicht hätte man so dem Lateinischen Heldengedicht, das schon lange auf den

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