Billeder på siden
PDF
ePub

vierteljährlich, 3 Thaler für das ganze Jahr, ohne Er. höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie.

No 5.

für die

Expedition (Mohren - Straße Nr. 34); in der Provinz so wie im Auslande bei den Wohllsbl. Post - Aemtern.

Literatur des Auslandes.

Berlin, Freitag den 10. Januar

A egypten.

Skizzen aus Aegypten.

Mitgetheilt von einem Englischen Marine Offizier. Ein Europäer, der sich Aegyptens Gestaden zum ersten Male nähert, hat die Einbildungskraft voll von großartigen Trümmern und uralten Schlachtfeldern, von Memnon und Mumien, Pyramiden, Sphingen und Krokodillen. Allein kaum ist er an's Land gestiegen, so verschwinden alle diese prächtigen Gebilde. Freilich finden wir Neues und Ungesehenes in Ueberfluß, und Mancher würde z. B. in der Sonderbarkeit und Mannigfaltigkeit der Kleidertrachten viel Malerisches entdecken; wir gestehen jedoch, daß unser Geschmack in dies fem punkte nicht sehr raffinirt ist. So hat man gesagt, die Mor genländische Kleidung sey die schönste auf Erden. Wir wollen die Thatsache nicht bestreiten, versichern aber dem Leser, daß mancher, Drientale so schlecht gekleidet ist, als es nur ein Mensch seyn kann, wenn nämlich ein zunächst an Nacktheit gränzender Zustand überhaupt Anjug heißen darf. Beeilen wir uns jest, nach Alexandrien zu

tommen.

Wäre es möglich, daß recht viele Häuser, Moscheen und andere Gebäude mit einem Male vom Himmel herunterfielen und am Drte des Niederfallens eine Stadt bildeten, so möchte ich gern glauben, Alexandrien verdanke einem solchen Zufall sein Daseyn; denn es ist schwer, zu begreifen, wie Menschenhände einen Drt erbaut haben können, dessen Anlage jedem Begriff von Ordnung und Planmäßigkeit so ganz widerstrebt. Die Straßen sind eng und entseßlich schmuzig; die jum See Arsenal gehörigen Gebäude nehmen sich weit erbärmli cher aus, als eine Reihe von Scheunen in England. Die Moscheen und ihre Minarets sind in dem desolatesten Zustande und würden häufig einstürzen, wenn man nicht unaufhörlich, obfchon auf sehr ge schmacklose Weise, daran flickte und flüßte.

Bei allem dem giebt es viel Sehenswürdiges in Alexandrien. Die Veredlung geht raschen Schrittes vorwärts, und in wenigen Jahren kann die Stadt ein ganz anderes Anseben erhalten. Jest Bietet sich dem Beschauer noch eine so romantische Mischung des Antiken und Modernen, wie er sie nur wünschen kann, und wäre er der glühendste Liebhaber eleganter Konfusion. Die Türken betrach ten das Antife ohne Zweifel mit großer Geringschäßung, und wir seben die prächtigsten Trümmer zu den niedrigsten Zwecken benust; fchöne Säulen aus Granit und Marmor müssen Schilfhütten und Waarenlager unterstüßen; Knäufe und Sockel grandioser Art liegen als Treppen vor den Thüren, und an vielen Stellen sind ganze Ges bäude aus Ruinen errichtet. Selbst der Pascha scheint sich um das Andenken eines Cheops oder Ptolemäus wenig zu fümmern. Die meisten Festungswerke, das Arsenal, die Waarenhäuser, Magazine u. f. w., Alles ist durch Se. Hoheit aus den Trümmern der antiten Stadt gebaut worden, und noch immer benüßt er dieses wohlfeite in Ueberflüß vorhandene Baumaterial. Die einzigen zwei antiken Säus len, die noch unversehrt aufrecht stehen, sind eine der Nadeln der Kleopatra und der berühmte Pfeiler des Pompejus. Dasjenige, was dem Fremden große Unterhaltung gewährt, ist die außerordent lich gemischte Bevölkerung Alexandriens. Die meisten Einwohner Find Araber; zunächst kommen drei bis vier Tausend Türken, and außerdem findet man Italiäner, Franzosen, Griechen, Armenier, Ju den und einige Engländer. Alle Religions-Parteien, Muhamedaner, Kopten, Griechen und Juden, Protestanten, Katholiken und Metho disten, werden tolerirt, und jede Partei darf sich einbilden, daß alle übrigen ewig verdammt sind. So bewahrt jede Nation ihren respektiben Glauben und ihre Sitten mit größter Strenge.

Kein lebender Gegenstand ist aber so merkwürdig, als der Pa= scha felbst; der große, gute, edle, alte Pafcha; er, der innerhalb weniger Jahre eine ganz verwilderte Nation in solchem Grade civiliftet hat, daß sein Staat selbst Europäischen Mächten Ehrfurcht einflößt; der die Künste des Friedens eifrig kultivirte, Handel und Ges werbe ermuthigte und dennoch immer zum Kriege gerüstet stand; der, obgleich mit despotischer Gewalt bekleidet, gerecht und mild res gierte; deffen siegreiches Heer aus den Wüsten Aegyptens bis zu den Thoren Konstantinopels gedrungen ist.

Auch war fein Land besser dazu geeignet, von Einem geleitet zu werden, als Aegypten. Der Pascha führt beinahe über Alles persön liche Aufsicht. Oft sieht man ihn schon mit Tagesanbruch in seinem Boote um den Hafen rudern und seine Flotte mustern; dann geht er nach dem Arsenal, wo er mit den Kaufleuten Geschäfte abmacht

1834.

und eine Art von Levée hält. Des Nachmittags sieht man ihn wieder im Hafen, und oft geht er bei einem der anwesenden Schiffe an Bord. Er hat ein sehr schönes stark bemanntes Boot. Bei jedem Ruderschlage richtet sich die Mannschaft von ihren Sißen auf und wendet das Gesicht ab, um Seine Hoheit nicht anzuschauen. Der ehrwürdige, aber kraftvolle Greis zählt schon über sechzig Jahre, würde aber ohne seinen langen weißen Bart viel jünger scheinen.

Mehmed Ali will die begonnene Reform noch so weit als mögs lich ausdehnen_und_hat_zu diesem Ende eine Anzahl junger Leute nach England, Frankreich und Italien geschickt, damit sie sich nautis sche, militairische und andere Kenntnisse erwerben. Diese Jünglinge erhalten freigebige Unterstüßungen und Einige, die nach Aegypten zurücks gelehrt sind, hat er mit Achtung und Auszeichnung aufgenommen. Er weiß, wie sehr der Aufenthalt von Europäern in seinem Staate der Civilisation günstig ist, und gewährt aus diesem Grunde den Christen jede Art von Schuß.

In den letten paar Jahren hat er jene Armee organisirt, die ganz Europa in Staunen seßt. Sein Sohn Jbrahim Pascha ist in jedem Betracht ein Kriegsmann und soll die Europäische Taktik sehr gut verstehen. Er hat einen Französischen Offizier bei sich, der nach Ablegung seines Glaubens zum Bei befördert wurde. Er heißt jeßt Selim-Bei, und obgleich nur ein Renegát, wird er doch allgemein geachtet. *)

Noch bewundernswerther aber sind die Mittel, mit denen alles bies ausgeführt worden ist. Die Stadt Alexandrien dient, gleich David's Höhle von Adullam, den Verlassenen zum Asyl; denn man kann wohl nicht mit Unrecht auf den Pascha anwenden, was von David geschrieben steht, „daß alle Unglücklichen, alle Verschuldeten, alle Unjufriedenen um ihn sich versammelten." Seit dem allgemeinen Eu ropäischen Frieden (1815) sind so viele Abenteurer über die Welt ausgeschüttet worden, daß auch Aegypten sein gutes Theil erhalten hat. Diese Leute erhielten bei sehr spärlichem Solde mancherlei Bes schäftigungen; die meisten aber wurden zum Dresstren der Araber gebraucht. Biele, die kein militairisches Amt finden konnten, qualifiz jirten sich als Aerzte, Apotheker, Matrofen oder Handwerker, fie mochten nun von dem übernommenen Berufe etwas verstehen oder nicht, und es glückte Manchem.

Wir können allerdings weder von der Equipirung noch von dem persönlichen Ansehen der Arabischen Truppen viel Rühmens machen. Jhr erster Anblick reist sogar zum Gelächter. Man denke ich ein Regiment lohfarbiger Kerle, die bei Trommelwirbel und Pfeifenklang in gemessenem Schritt aufmarschiren, voran ein schmußiger schwärzlicher Bürsche, der sie mit langem gekrümmten Säbel anführt. Wird Einer als Schildwache ausgestelt, so sett er sich gewöhnlich nieder und raucht auch wohl eine Pfeife oder Cigarre. Die Gewehre tra gen te oft mit gespanntem Hahn, und es würde viel Unglücksfälle geben, wenn fie geladen wären; allein Patronen werden nicht eber ausgetheilt, bis man ihrer dringend benöthigt ist. Die Waffen sind blank und in sehr gutem Stande.

Die Bewohner Aegyptens wiffen nichts von einer Magna Charta, einem Geschwornen - Gericht, von Preßfreiheit u. f. w. Allerdings giebt es eine Art von militairischem Gericht, wo aber der Anfläger oft den Urtheilsspruch fällt, und wo der Pascha, wenn ihm die Ent scheidung nicht behagt, den Delinquenten immer von neuem verhören läßt, bis er Genugthuung erlangt. Dies war noch vor wenigen Wochen der Fall, als der Capitain einer großen Fregatte sein Schiff sans façon bei Abukir ans Land trieb. Die Jury, d. h. die übrigen Capitaine, befürchteten, der Pafcha möchte ihn erschießen lassen, wenn er schuldig befunden würde, und sprachen ihn also frei; allein der Pascha gab ihnen einen Wink das Verhör zu erneuern, und da es mit einiger Gefahr verbunden ist, solche Winke nicht zu beachten, so feßten sie sich wieder ans Werk, und erklärten den Delinquenten für schuldig. Als der Pafcha seinen Zweck erreicht hatte, wußte er Gnade und Gerechtigkeit weislich in Harmonie zu bringen. Er degra= dirte den Capitain um zwei Stufen.

Ein anderer Vorfall endete trauriger. Ein sehr funger Offizier, dem das Kommando über eine Korvette anvertraut war, kam vor einigen Jahren in den Hafen von Alexandrien und ließ sein Schiff aus grober Unbedachtsamkeit oder Unwissenheit an die Felsen rennen, so daß es scheiterte. Hier konnte keine Entschuldigung stattfinden: der Offizier wurde zum Tode verurtheilt, jedoch empfahl man ihn, weil er sehr jung und unerfahren war, der Fürstlichen Gnade. Der *) Den neuesten Nachrichten zufolge, ist Selim Bey (Seve) kürzlich desertirt.

pascha ließ ihn schon am nächsten Morgen erschießen. Man sagt, er würde begnadigt worden seyn, wenn er nicht eine Anzahl von Kranten im Stich gelaffen hätte, die sich an Bord befanden und nun ertrinfen mußten.

Die Rekruten werden so summarisch als möglich ausgehoben. Ein Cirkular ergeht an die Scheiche oder Schulzen der Arabischen Dörfer, welches ihnen vorschreibt, eine bestimmte Zahl Rekruten in ihren respektiven Dörfern auszuheben und an einem festgesetzten Termin nach Kahira, oder, wenn sie Matrosen werden sollen, nach Alexandrien zu schicken. Kann der Scheich die volle Zahl der Rekruten nicht liefern, so muß er selbst dienen oder einige Glieder seiner Familie hinzufügen. Die auf solche Art gepreßten armen Teufel wer den mit Stricken an einander gebunden, damit sie nicht weglaufen, und wie eine Viehheerde weiter getrieben. Sind sie am Drte der Dreffur angelangt, so werfen sie die paar Lumpen ab, die ihnen um den Leib hängen und erhalten eine Bekleidung, die zwar nicht eben elegant, aber doch weit besser ist, als die vorige war.

Es ist recht unterhaltend, zu sehen, mit welcher Luft die Arabi schen Soldaten bei der gewaltsamen Werbung Anderer Hülfe leisten, obschon es ihnen selbst, vielleicht noch vor wenigen Monaten, nicht beffer ergangen ist. Diejenigen, welche zum Matrosendienste erkoren find, bringt man gleich auf große Schiffe und zeichnet sie auf dem Rücken der Hand, zwischen Daumen und Zeigefinger, mit einem Anfer, dem Wappen der Marine. Man exerzirt sie täglich, und sie werden in kurzem sehr gewandt.

Kostet es dem Pascha einige Mühe, die benöthigte Zahl Rekrus ten zu erlangen, so schickt er einen Haufen Soldaten in die Stadt, die jeden Araber, der ihnen begegnet, aufgreifen. Bei solcher Ge legenheit verlieren wir Europäer oft unsere Bedienten. Wendet man sich aber an den Kommandanten der Stadt, so erhält der Bediente einen Paß und bleibt alsdann ungeschoren.

Die regelmäßigen Truppen Mehmed Ali`s bestehen aus einem Corps Artillerie, einem Corps Lancier's, einigen Schwadronen sehr schöner leichter Reiterei und einer Brigade Musketiren. Außerdem hat er unregelmäßige Truppen, die mit vollstem Rechte diesen Namen verz dienen. Es sind hauptsächlich Albaneser und Kaudioten (Infanterie), und Beduinen-Araber (Kavallerie). Ich begegne niemals Einem dieser Kandioten oder Albaneser mit seinen langen Pistolen und seiz nem Jatagan, ohne daß es mir unheimlich wird, wenn ich bedenke, wie geschickt diese feinen Herren ihre Waffen zu handhaben wiffen, und wie wenig ihnen darauf ankommt, ob sie den harmlosesten Menschen oder den größten Tuckmäuser vor sich haben. Bon allem Ge indel auf Gottes Erdboden sieht keines so wild und spißbübisch aus, als die Albaneser, und auch das Aeußere der Beduinen ist nichts wes niger als einnehmend. Dennoch sind sie vortreffliche Scharmußirer und, wie Falstaff sagt,,,kapitale Kerle beim Rückzug."

Der Hafendamm ist von sehr rober Bauart. Man scheint darauf gefehen zu haben, daß kein Stein hinzukam, der nicht unumgänglich nothwendig war, und da jede architektonische Regelmäßigkeit fehlt, so muß hier, wie an anderen Gebäuden, unaufhörlich ausgebeffert werden.

Auf dem Schiffbauplaße können vier Linienschiffe und eine Brigg oder Korvette zugleich gezimmert werden. Der Pascha hat immer vier Schiffe auf den Werften. So werden in diesem Augenblick zwei Schiffe von hundert und zwei von 80 Kanonen gebaut. Eines von 138 Kanonen ward vor wenigen Wochen vom Stapel gelaffen und wird bald in die See geben können. Die Construction dieser Schiffe ift nicht so starf, als die der Englischen Kriegsfahrzeuge; allein sie entsprechen ganz ihrem Zwecke. Fast alles Holz zum Schiffbau kommt aus Klein-Asien; die Kanonen und ein großer Theil des Pulvers aus England.

So oft ein Schiff vom Stapel läuft, ist ein allgemeiner Freuden: tag. Der Pascha selbst ist Zeuge davon, und sobald das Fahrzeug das Waffer berührt, ertönt von den Schiffen und Batterieen eine all: gemeine Kanonensalve. Die versammelten Truppen bewillkommnen das Schiff mit einem Musketenfeuer, und gewöhnlich schließt die Ceremonie damit, daß der Pascha dem Zimmermeister ein schönes Geschenk macht.

Die Werkstätten im hiesigen Arsenale sind wohl sehenswürdig. Fast in Allem, was der Pascha seinen Arabern beibringen will, stehen ihm Lehrmeister zu Gebote, und viele der Lehrlinge haben in mechanischen Arbeiten schon große Fortschritte gemacht. In einigen der Läden verfertigen sie Barometer, Kompasse u. f. w. In anderen machen fie fupferne Zierrathen für die Schiffe, welche die Türken sehr lieben. Besonders geräumig sind die Schmiede-Werkstätten, deren Arbeiten vortrefflich zu nennen. Für die Anfertigung des Tauwerks And ungebeure Borkehrungen getroffen, und bald werden die Seiler von Alexandrien eben so gute Arbeit liefern, als die irgend einer anderen Nation.

Die Aegyptische Flotte besteht gegenwärtig aus sechs Linienschiffen, sleben großen Fregatten, fünf Korvetten, acht Briggs und einem Kutter. Dazu kommen noch sechs Brander und gegen dreißig Transportschiffe. Die Schiffe sind nach Städten oder Distrikten Aegyptens benannt; z. B. Mißr (Kahica) mit 138 Kanonen; Abukir mit 90; Damiette mit 50`Kanonen u. s. w.

F ranfr e ich.

Ueber den Einfluß der Englischen Literatur auf die Französische. Von Hippolyte Fortoul. *)

Die Freundschaft mit England ist uns so verderblich gewesen wie sein Hak; daffelbe sagen vielleicht seine Schriftsteller von uns. Au*) Wir theilen dieses Bruchßtück aus einem längeren Artikel über die

genscheinlich haben wir ihm Addison und Pope gegeben; England bat sich dagegen an uns durch Colardeau und Saint-Lambert gerächt. Dann stellte es Pitt auf. Wir antworteten mit Napoleon. Englands Erwiederung war Byron und Walter Scott.

Byron und Walter Scott, obgleich von uns freundschaftlicher aufgenommen, sind in Wahrheit der Pitt und Koburg unserer nationalen Literatur! Das, wodurch ihr Genius in ihrer Heimath groß ist, das eben macht ihn anderen Völkern gefährlich. Jhr Verdienst ist so lokal und eigenthümlich, daß die Ausfuhr den fremden Berbrauchern schädlich wird. Unsere Sache hierbei ist nicht, sie zu schmähen, sondern vielmehr sie zu begreifen.

Fr. Schlegel, in welchem die alten Ansichten nicht den Sinn für die Zukunft völlig erstickten, bat erklärt, daß Byron und Walter Scott der Literatur der Vergangenheit angehören. Er hat seine Meinung nicht weiter entwickelt; wir legen deshalb die unsere dar.

Als ein Berhängniß, dessen Sinn man nicht mehr versteht, und deffen Schwere man fühlt, lastet die Aristokratie auf England. Dies seltsame Räthsel ergriff aus der Schaar der Dichter zwei von verschiedener Bedeutung.

-

Byron hat von Göthe die Jdee des Faust genommen, aber dies selbe sich angeeignet und völlig zur feinigen gemacht. Faust ist das Wesen jedes Genius ohne Ziel, die Gestalt aller Menschen ohne Zukunft; das Gefühl von dem absoluten Werthe der Menschheit, verbunden mit dem Gefühl seines relativen Elends und der Nichtig= keit seiner Anmaßungen, das Ideal, das nicht zu verwirklichen ist, die unzeitige Geburt. Göthe hatte einem halben Dußend pbilosophischer Revolutionen zugesehen, die keine wesentliche Veränderung in den Institutionen und Sitten Deutschlands bewirkt hatten. Er lebte in Sachsen, in der Mitte zwischen Königsberg, Berlin und München den drei Werkstätten des Transcendentalismus und der politischen Indifferenz. Göthe konnte die Frage nicht abweisen: Wozu dient die Wissenschaft Kant's, Fichte's, Schelling's, die, kaum zur Welt gebracht, stirbt, die, ohne was hervorzubringen, vorübergeht, die verschwindet, ohne auch nur einen ihrer Schuhe auf dem Raude des Kraters zurückzulaffen? Wozu dienen Metaphysik, Theologie, Psychologie, Jurisprudenz, Medizin? Wozu dient der Gedanke in einer Welt, die er in Aufruhr bringt, ohne sie neu zu gestalten? Faust, Du bist ein alter Thor! Weg mit Makrokosmus und Mikrokosmus, Freund! Geh' ins Freie, barr' auf ein unschuldiges Kind, sprich ihr von Liebe, fle wird Dich glücklich machen. Wenn Dich auch der Teufel holt, so hast Du_doch wenigstens Etwas gethan. So der Deutsche Faust, der Faust Götbe's, die Ohnmacht des Wissens. *)

Der Faust Byron's ist Manfred, Kain, Don Juan, Harold, der Giaur, der Korsar; Faust als Adeliger, als Lord, Bitglied des bohen Parlaments von England, der die großen Probleme des Zweifels in feinem Schlosse zu Newstead aufwirft; er ist die Ohnmacht der Aristokratie. In Lord Byron's Schöpfungen ist alle Herrlichkeit der alten Aristokratie. Mit Jugend, Kraft, Muth, Liebe, mit allen glänzenden Eigenschaften sind seine Gestalten ausgestattet; und in solcher Schöne sertrümmert er sie. Die Größe der Aristokratie ist dahin; er schmäht sie. Er sezt ihr die Krone aufs Haupt und überliefert sie dem Nachrichter. Er vergrößert ihren entschwundenen Ruhm, um die Nichtigkeit ihrer Zukunft darzustellen; sie ist ihm ein Stoff der Klage, aber sie ist dahin.

Es sind zwei Naturen in Byron und ein Kampf zwischen beiden: die menschliche vorwärtsschreitende Natur schlägt die aristokratische verurtheilte ju Boden. Beide sind Helden. Die eine stößt die ans dere in den Abgrund, diese zicht jenë mit hinab, und ehe der leßte Streich geschieht, schmäht die bebende Stimme des Dichters Gott und Menschheit. Die Aristokratie konnte nicht chriftlich sterben.

Lord Byron, der von der Höhe der Gesellschaft fam, der die Aristokratie durchmessen und mit seinem Adlerauge ihren Werth ers späht hatte, sab ihren unvermeidlichen Untergang. Er dachte nun darauf, ihr ein Leichenbegängniß zu halten, das man sobald nicht vergaße. Zu diesem De profundis versammelte er alle bitteren und böhnischen Musen, die ihm in seinen Träumen begegnet waren. Dies fürchterliche Konzert brachte ihm ein Alpdrücken zu Wege, woran er starb.

Sir Walter Scott hingegen, der vom Lande ausging, der die Aristokratie nur in ihrer Livree, ihren Behaglichkeiten, ihren Parken und Thürmchen kannte, dachte, fie habe noch lang zu leben. Er ging daran, die Dornsträucher aus dem Wege zu räumen, die diese Ruine bedeckten. Er beschwor den Schatten bernach und schmückte ihn mit Blumen. Er erhob den Schottischen Unverstand und stellte auf dies populaire Piedestal alle nur mögliche verstümmelte und halb zerstörte Statuen. Aber unter den Festkleidern merkt man das Slez lett. Nur noch die Nomenklatur der Waffen ist bei ihm zu finden, das Detail der Heraldik, die alte Mundart und Gesprächsweise, die Form der Binnen, die Art und Weise der alten Macht, des alten Gedankens, immer die äußere Gestalt, was das Auge sieht, was glänzt, was sich beschreiben läßt, was unterhält und die Thoren täuscht. Aber die Aristokratie selber stirbt Hungers in der Braut von Lammermoor; fie zittert mit Heinrich Morton unter den,,Schots tischen Puritanern“; liegt auf ihrem Lager, im Herzen verwundet wie Ivanhoe, während man sich draußen in den Gräben herumschlägt; stirbt und paradirt wie Leicester im,,Schloß von Kenilworth." Die Schwierigkeit war für den Dichter unübersteiglich: nichts als die Form ließ sich wiederherstellen. Dazu bedurfte es Gedächtniß, -Geist, kein

Kunst unserer Zeit" als eine Probe der jest in Frankreich Mode werdenden politischen Aesthetik mit, deren einseitige Auffassungs und Darstellungs-Weise so sehr von selbst in die Augen springt, daß es wohl kaum noch einer weite ren Anmerkung bedürfen wird.

*) Der Deutsche Leser sieht sich unmittelbar in die Walpurgisnacht ver: seßt und begrüßt Herrn Fortoul mit den Versen:

„Wenn ich Euch auf dem Blocksberg ünde,
Das find' ich gut; denn da gehört Ihr hin."

Herz: so ist es erklärlich, wie dies Geschäft sich trefflich für Walter Scott eignete.

Die Manier dieser beiden Dichter weist natürlich auf ihr Geschäft zurück; ihr Stil ist die Folge ihres Gedankens. Byron, der eine Idee schmäht, gebraucht die psychologische Analyse; er dringt ins Herz der Dinge, ergreift die Freuden und Leiden der Individua lität, deren er sich versichert; er spricht die Sprache der Leidenschaften. Manchmal ist's eine irre halbtolle Sprache, weil Byron Priester und Opfer in einer Person war - aber dieser Wahnsinn ist immer wahr. Byron erzählt nur von den Stürmen, die er erlebt. Er erzählt von ihnen alltäglich oder erhaben, je nachdem er sie ge funden. Er ist ein Dichter voll Schrecken, aber ehrlich.

Walter Scott, dem der innere Sinn der Dinge mangelt, giebt Farben statt Ideen; seine Poesie ist beschreibend und äußerlich; ste ist von ermüdendem Detail; sie schwimmt in Namen und Lokalitäten. Scott hütet sich vor Empfindungen, als vor etwas Lächerlichem, und vor Leidenschaften, als vor etwas unpassendem. Seine Frauen lieben, wie Marivaux Soubretten, mit einem Anstrich von Sprödigkeit. Entsagung ist seine Lieblingstugend. Niemals hat Walter Scott das gesehen, was er erzählt; er erdenkt, geht auf Erfindungen aus; er ist ein lügenhafter Dichter.

Byron schmähte ein abgenußes Ding; Walter Scott suchte es wieder zu vergolden. Die Aristokratie war Scott's gute Patronin; er ist ein Dichter der Legitimität; fast alle seine Romane drängen auf eine Restauration hin. Byron dagegen löst alle feine Geschichten durch eine Katastrophe. Auch war der Torismus nicht eher zufrie den, als bis Byron verbannt war. Was die Radikalen betrifft, so lag ihnen an Byron wenig: er war nicht ihr Mann; sie mochten ihn nicht halten. So ging er zwischen zwei Parteien unter, weil-er weder der einen, noch der anderen ganz angehören wollte.

Und wähnt man noch, Byron und Walter Scott hätten bei uns in Frankreich eine Stelle gefunden? Giebt es bei uns eine Aristokratie, die zu schmähen oder zu restauriren wäre? Bei uns beherrs schen die Gedanken die That. Die Bergangenheit ist völlig vernichtet. Ein Französischer Byron ist etwas Unmögliches.

Noch viel weniger könnte eine Nachahmung Walter Scott's stattfinden. Die Französische Revolution hat noch nicht ihre Dichter.

Die Literatur des Kaiserreichs ist, um es mit dem richtigen Ausdruck zu bezeichnen, eine Thermidor-Literatur; sie datirt sich von Robespierres Tod und Jallien's Reaction; da hielt die Bewegung des Aufruhrs, die Voltaire so weit vorwärts getrieben, an. Edle Männer, die in den Thaten der Individuen nicht ein Allgemeines, nicht den Finger der Vorsehung gewahr geworden, gaben sich der vollen Mißbilligung bin, welche der Schrecken in guten gebildeten Gemüthern erregt hatte. Sie machten Tragödien, Dithyramben und Gemälde für alle gegenrevolutionnaire Bewegungen. Die große Reaction des Brumaire verschlang ste. Sie vermochten dem ersten Konful feinen Widerstand entgegenzusehen. Da war es mit der politis schen Rolle der Literatur zu Ende. Jene Voltairianer, die Schleppe des Kaiserlichen Mantels tragend, spielten eine höchst klägliche Figur.

Neben diesen Reactionnaire erhoben sich indessen andere von größerem Ruhm und größerer Schuld. Derweil Herr Luce de Lancival sich abmühte, Racine's Berse zum zweiten Male zu machen, wandte Herr von Chateaubriand an die Wiederkehr der Poesie seine Kraft. Napoleon hätte es sehr gern gesehen, wenn dieser Ludwig's des Vierzehnten Purvur für ihn wieder aufgefärbt, ward aber zu seiner Betrübniß gewahr, daß Viele aus dieser Restauration des großen Jahrhunderts eine Dynastie-Frage machten. Herrn von Chateaubriand's Literatur war royalistisch; sie hatte nicht die Jansenistis sche Schärfe des Herrn von Bonald, noch den philosophischen Eifer de Maistre's; sie verband sich durchaus mit dem Leben des Kaifer thums und verstand, sich seiner Epoche anzuschwiegen; sie suchte feine Unfunde der geistigen Entwickelung vergessen zu machen, indem fie den Naturalismus und die Sentimentalität von Deutschland nahm; fie verband fich mit der fremdartigen Kühnheit der Frau von Staël, dieser Republikanerin, welche Geburt und Verbindungen zur Doctrinairin machten.

Als die Restauration erschien, sank von dieser gedoppelten Literatur des Kaiserreichs die eine in Dunkel und Nußlosigkeit herab, die andere wurde allmächtig, drang in die Kammern und in die Ministerien. Herr von Chateaubriand hat in feinem literarischen Leben einen Zwischenakt von funfzehn Jahren gemacht, der ebenfalls durch ein politisches Zwischenspiel in zwei Hälften getheilt wird. Die Juli Revolution hat ihm seine Feder wiedergegeben. Hatte er nichts Befferes zu thun, als fie dem Dienste Heinrich's V. zu weihen?

Die Restauration stellte im Grund des Heiligthums wieder Gott und Macht auf; ste theilte die Welt in zwei Theile: in die ideale, unwidersprechliche, verschleierte, versagte einerseits; in die gestattete, unnüße, eitle, baltlose andererseits. Die rechten Gemüther fahen in der leßten nichts als Elend. Dieser Winter gab ihnen Gelegenheit, einen nahen Frühling vorauszusagen. Aber die Kinder, jur Welt gekommen ohne Bewußtseyn einer befferen Zeit, unter dem Nebel geboren, ohne ein ander Heil als ihre Stimme, ließen ihren Gefang diefer Nothwendigkeit gemäß ertönen. Und da die menschliche Tätigkeit doch eine Nabrung baben muß, so machten sich die muthwilligen Buben, da sie nicht auf den Grund der Ideen zu drin gen vermochten, an eine Revolution nach ihrem Geschmacke. Je mehr rückschreitende Ideen, desto stärkeres Bedürfniß, den Ausdruck ju modeln; je mehr vorwärtsschreitende, desto größere Gleichgültigfeit gegen die Phrase. Der Romantismus ging unter dem Mantel der Legitimität hervor. Die Opposition hat stets den stärksten Widerwillen gegen seine Neuerungen gezeigt; er ging nicht auf die Sachen, sondern verweilte bei den Phrasen, und hat eine Menge

Künstler hervorgebracht, alles Leute von bildender Kraft, aber wenig Denter, wenig Dichter.

Auf seinem Wege begegnete er Byron und Walter Scott, die eben nen nach Frankreich kamen; er griff ste auf, fragte aber wenig nach ihrer Bedeutung. Worauf es ihm ankam, war die Fremdartigkeit dieser beiden Genien, nicht ihr Sinn. So machte er bald aus ihrem Doppeldienst einen. Beider Dichter bediente er sich, ohne sie zu unterscheiden, ungefondert, als einer Gesammtheit für seine Reaction.

Das bedeutendste Werk dieser Epoche ist der Eing: Mars von Herrn Alfred de Vigny. Byron's und Walter Scott's Manier find darin vermischt. Byron steckt in den phantastischen Zügen von Laubardemont's Sohn. Hat man nie das Gedoppelte in diesem Roman bemerkt?

Ich citire dies Beispiel; ich könnte noch andere geben. Marion Delorme war für diese Epoche gemacht; auch darin ist der Didier offenbar Byronisch und der Saverny eine Gestalt Walter Scott's.

Der Romantismus dieser Zeit hat ein Doppelantlig wie Janus. Auch wußte die klassische Kritik selber nicht, von welcher Seite ste ibn faffen sollte, und konnte seine ftete Jukonsequenz_nicht begreifen; sie fand ihn immer unter und über sich, in den Wolken und auf ebener Erde.

Diese Zwiefachheit der neueren Literatur war künstlich und nur Zwischenzustand. Man suchte die Einbeit. Der erste Versuch in dieser Richtung sollte noch dem Einfluß Byron's und Scott's ange hören. Man sah, daß in diesen beiden Männern eine gewisse Gleichheit der Farbe war, derselbe Ueberfluß fremdartiger Bilder, ein Schwulst ähnlicher Art, wie die Drientalischen Metaphern. Die Naz bobs hatten ihn von Bengalen nach London gebracht. Die gesammte gegenwärtige Literatur der Engländer ist ein Basall der Dfiindischen Compagnie und der Society von Kalkutta. Thomas Moore ist die hervorragendste Gestalt dieser Richtung. So kam der Drientalismus gleichsam durch einen Rückprall zu uns.

Dies Streben wurde entscheidend; indem es eine neue scharf abgemessene Bahn eröffnete, wurde mancher edle Geist, der nicht dafür taugte, gezwungen, sich eine andere zu suchen. Die Neuerer theilten sich in zwei Parteien.

Ja, wenn der Orientalismus uns den Drient aufgeschlossen hätte! wenn er uns von der Bedeutung Rama's, der Sendung Zoroaster's, des Buddha oder nur Mohammed's unterhalten hätte; wenn er nur einige jener Mythen, in denen die werdende Menschheit ihre Arbeit darstellte und ibre Hoffnungen verschloß, dargeboten; wenn er sich zur Höhe der Bibel erhoben hätte, zur Empfindung Hiob's und Sa lomon's, wir wollten ihn segnen! Aber nein es scheint, als wenn bei Herrn Hugo der physische Blick den geistigen geblendet hätte. Er hat im Drient nichts gesehen, als Bäder von Granit, Grabmäler, Serails, Sklaven, Zeug, womit Paillasse seine Zuhörer unterhält. Wie gesagt, manche Geister, die bierin nicht nachfolgen mochten, gingen ihren eignen Weg. Joseph Delorme ging sogar unter Herrn Hugo's Flügel hervor.

Schließlich ist Folgendes festzustellen: Das Nomantische, eine Literatur der Form, hatte über das Klassische, die andere Literatur der Form, den Sieg davongetragen, aber während der Kampf zwischen diesen beiden Sp: stemen mit Hiße geführt wurde, ging die wahrhafte Literatur, die, welche denkt und vorwärts schreitet, in verschiedenem Sinne mit Béranger, mit Lamartine, mit Alexandre Dumas ihren Weg. Herr Hugo erschöpfte das Romantische, indem er es im Drientalismus kristallisirte. Da ließ ihn ein Theil seiner Freunde dort zurück, wo er sich ganz allein mit seiner eitlen Muse im Prunk der äußeren Welt ergeht, und flobin das gebeimnisvolle Heiligthum der innern Welt. So trennte fich diese Schule, die sich unter Byron's und Walter Scott's Panier vereinigt hatte, in wei. Der Name Romantik, wie er bedeutungs-> los geworden war, fiel dahin.")

Sch m е d • n.

Festlichkeit des ersten Mai in Stockholm 1832.

Aus den Papieren eines Reisenden.

Der erste Mai wird in Stockholm als ein feftlicher Tag began. gen und ist von Bielen mit der festlichen Spazierfahrt nach Longchamps bei Paris verglichen worden. Es scheint sich dieser Gebrauch aus alten Zeiten herzuschreiben, gleichsam um an diesem Tage der Natur für das Aufhören des im Norden so lange dauernden Winters zu danken, der früher auch wohl viel kälter und härter gewesen feyn mag, als jeßt. Hauptsächlich war derselbe in diesem Jahre so gelind, daß man sich seit Menschen Gedenken eines ähnlichen nicht erinnern konnte. Das Thermometer hatte in Stockholm nie mehr als 7 Grad Reaumur Kälte gezeigt, und die Schlittenfahrt, die gewöhnlich fünf Monat ununterbrochen dauert, währte diesen Winter faum 3 Wochen. Selbst im höchsten Norden war der Winter ungleich gelinder als sonst gewesen, und für den Beobachter mußte es. auffallend erschienen seyn, daß, während südliche Länder, wie Spanien, sich über Kälte und Schnee beklagten und in Nord-Amerika. der strengste Winter herrschte, in den nördlichen Theilen Europa's fast gar kein Winter gewesen war.

Nachdem in Stockholm beinahe den ganzen Monat März und *) Dieses ist nicht allein nicht der Fall, sondern zu keiner früheren Zeit hat wohl die Romantik in Frankreich so gute Aussichten in die Zukunft ge habt, als eben jezt. Die Aufnahme Charles Nodier's, eines der ältesten und beredtesten Verfechters der romantischen Schule, in die Akademie, ist in diefer Beziehung als ein merkwürdiges Ereigniß zu betrachten. Die klassischen Bierziger tragen ießt in ihrem eigenen Schoße den Keim, den der Einfluß Englischer and Deutscher Literatur so fruchtbringend in Frankreich ausge streut hat. DR.

April über fein Schnee und fein Tropfen Regen gefallen war, vielmehr die Sonne alle Tage sehr warm geschienen hatte, verfinsterte fich diese einige Tage vor dem ersten Mai, und ein anhalten der Regen erquickte den dürftenden Boden; aber leider trübte diese Wohlthat des Himmels die Hoffnung aller derjenigen, die sich von dem festlichen Lage Vergnügen versprochen hatten. Nur die fast zum Sprüchwort in Stockholm gewordene Meinung, daß fich der König öffentlich zeigt - und dies geschicht an diesem Tage ftets gutes Wetter eintreffe, erfüllte die Gemüther mit trostreichen Erwartungen.

wenn

Der festliche Tag brach endlich an, und wirklich strahlte die Sonne im feurigsten Glanz. Alle Vorbereitungen wurden getroffen, um sich zur bestimmten Zeit nach dem Thiergarten Stockholms ents weder zu Wagen, zu Pferde, zu Schiffe oder zu Fuß zu begeben. Die Wirthshäuser daselbst waren schon acht Tage voraus für zahlreiche Gesellschaften, die dort zu Mittag effen wollten, in Beschlag genommen worden. Es gehört sogar zum guten Ton, selbst bei den vornehmeren Klaffen Stockholms, in einem dieser Wirthshäuser zu speisen. Auch die Dffizier Corps der hiesigen Garrison sind daselbst an festlicher Tafel vereint, um auf das Wohl der wieder auflebenden Natur nach langem Todesschlaf ein Lebehoch erklingen zu lassen.

Um 3 Uhr Nachmittags beginnt die Wallfahrt nach dem Park, zuerst die Nocher (nämlich diejenigen, die noch erst Mittag essen wollen) zu Wagen, zu Pferde und in Gondeln; Lestere auf allen Seiten des Parks, der größtentheils von Waffer umflossen ist, ankemmend; Erstere nur auf der einzigen Straße, die dahin führt. Etwas später setzen sich die Schoner (nämlich diejenigen, welche schon ihr frugales Mittagsmahl eingenommen haben) in Bewegung; doch will ich nicht gerade behaupten, daß frugal auf Alle anzuwenden ist, denn sonst würde es der Nächternheits-Vereine in Stockholm nicht bedürfen. Man kann mit vollem Recht sagen, daß die gebrannten Waffer hier eine eben so große Rolle als die natürlichen spielen.

In allen Straßen, durch welche der Weg nach dem Park geht, wogt nun die freudige, aber durch kein äußeres lautes Kennzeichen ihre Freude zu erkennen gebende Menge; sämmtliche Fenster waren mit elegant gekleideten Frauen aller Klaffen besett, und es wird ein solches Fenster in manchem Hause oft mehrere Wochen vorher zur Miethe ausgeboten und mit 5 Thaler Preuß. Couraut bezahlt. Dem Vorüberkommenden konnte es so leicht nicht entgehen, daß manche Schönheit hier zu erblicken war, welche einer näheren Anschauung wohl werth erschienen, und doch kann man nicht gerade mit Recht behaupten, daß unter dem weiblichen Geschlecht in Schweden und hauptsächlich in Stockholm sich wirklich ausgezeichnete Schönheiten befanden; gleichwohl ist dasselbe im Allgemeinen eher schön als häß lich zu nennen, was häuptsächlich den niederen Klassen sich nachrühmen läßt. Der eigene Kopfpuß der dienenden Klasse ein seides nes Euch à la Fanchon trägt dazu bei, die feinen Züge, wodurch die Frauen sich hier besonders auszeichnen, zu erhöhen und jedem Gesicht ein zierliches Dval zu verleihen.

[ocr errors]

Gegen 5 Uhr beginnen die Equipagen der vornehmen und reiz chen Familien sich in Bewegung zu sehen. Alles ist nach biesiger Ansicht so glänzend als möglich aussaffirt; die Dienerschaft in Staats- oder doch neuen Livreen; die Wagen entweder neu oder doch neu aufgepußt; Geschirre, Pferde, Alles in möglichst größter Pracht, Freilich kann es dem Kenner nicht entgehen, daß man, im Vergleich mit dem, was bei ähnlichen Gelegenheiten in anderen Hauptstädten Europa's an Eleganz und Lurus gezeigt wird, hiesīgerfeits noch um Bieles zurücksteht; allein man thut auch hier sein Möglichstes, und vier Pferde vor seinem Wagen zu haben, ist unerläßlich, sobald auf Eleganz und Bornehmheit Anspruch gemacht werden soll. Bei der Masse des Volkes in den engen Straßen, obne Trottoirs (Bürgersteige) tönnen die Fahrenden und Reitenden sich nur langsam fortbewegen; nimmt man dazu die Ruhe und Stille, die im dichtesten Gewühle herrscht, könnte man leicht das Ganze für einen feierlichen Trauerzug halten.

Zwischen 6 und 7 Uhr langten der König und die Königl. Familie im biergarten an. Se. Majestät war zu Pferde, umgeben von einer zahlreichen Suite und gefolgt von einem Kommando der Leibgarde oder der Norwegischen Jäger zu Pferde. Der König ritt einen Schimmel-Hengst, reich aufgezäumt, das Hauptgestell und die Kandare des Pferdes mit Edelsteinen reich verziert; Sattel und Schabracke von grünem Sammet mit goldenen Franzen beseßt. Die Uni form, die Se. Majestät trug, war die eines Schwedischen Feldmarschalls, darüber einen blauen Civil- Ueberrock; auf dem Kopfe einen dreieckigen Hut mit Plüme ohne Federbusch. Zur Rechten des Königs ritt der Kronprinz in der Schwedischen Generals-Uniform, zur Linken der erste General: Adjutant und Ober- Stallmeister Graf von Brahe. Kurz darauf folgten die Königin und die Kronprinzessin in einem Staatswagen von acht Schimmeln gezogen; eine Reibe von anderen Königl. Wagen mit den diensthabenden Staatsdamen, Hoffräulein und Kammerherren beschloß den feierlichen Zug, der sich indeffen nur langfam fortbewegen konnte und sich oftmals mit großer Mühe durch die Wagenreihe des Publikums einen Weg bahnen mußte. Ueberall wurde die Königl. Familie wit Hurrah-Rufen bewillkommet, und ein Haufen Matrofen und niederes Volk begleitete die Königl. Herr schaften unter beständigem Freuden Jubel.

Für einen Fremden ist es bei dieser Gelegenheit besonders auffallend, daß weder Polizei-Diener, Gensdarmen, noch Militair-Personen zu sehen sind, um die Ordnung aufrecht ju erhalten, wie dies in den übrigen Hauptstädten Europa's gewöhnlich der Fall ist, und beinahe unglaublich müßte es erscheinen, daß bei einem Zusammen

flusse so vieler Menschen Alles ohne Störung abläuft; demjenigen indessen, der den rubigen und ernsten Charakter des Schwedischen Bolts tennen zu lernen Gelegenheit gehabt hat, ist dies weniger be wundernswerth; ihm ist aber auch zugleich bekannt, daß diese anscheinende Ruhe und dieses scheinbar sittliche Benehmen auch leicht bei der geringsten Veranlassung verschwinden kann, und daß einmal in Leidenschaft verseßt, das hiesige Volk teine Schranken mehr kennt, und sich dann selten eher zur Ruhe begiebt, als bis es zum Aergsten gekommen ist; die Geschichte liefert leider dafür die traurigsten Ërin

nerungen.

So schön das Wetter im Beginn dieses Tages gewesen war, fo veränderte sich doch solches gegen Mittag und drohte das Bergnügen dieses Festes zu stören. Wirklich fiel Nachmittags ein feiner Regen, allein das feßte Vertrauen auf die hier einmal gefaßte Meinung, daß bei dem Erscheinen des Königs das Wetter schön feyn würde, hatte Wenige von der Promenade abgehalten. Auch hatte man sich diesmal nicht geirrt; obgleich es beinahe herbstlich kalt war, hörte der Regen schon vor dem Erscheinen der Königlichen Familie auf. Freudig und doch zugleich ernst wogte nun die Menge in den romantisch gelege nen Park und betrachtete mit Vergnügen die neuen Berbesserungen und Anlagen, die während des Winters dort vorgenommen worden waren. Der König verwendet nämlich bedeutende Summen dazu, den Thiergarten, der ihm größtentheils eigenthümlich gehört, in jeder Hinsicht zu verschönern; in diesem Parke liegt sein Favorit-Luftschloß Rosendal, welches zwar nur von Holz erbaut, aber dessen Inneres mit der größten Pracht eingerichtet ist.

Außer den Vergnügungen, welche die Wirthshäuser des Thiergartens darbieten, die indeffen gewöhnlich nur darin bestehen, in einem Zimmer sich mit Essen und Trinken gütlich zu thun, bietet der Thiergarten in dieser Jahreszeit, einige Karouffels und die Vorstel lungen ausgenommen, welche die hiesige Kunst-Reitergesellschaft gab, die, beiläufig gesagt, aber nicht zu den ausgezeichneten gehört und daher auch wenig besucht war, keine anderweitigen Beluftigungen dar. Musik, wenn man einige wenige Biolinen, welche jämmerlich auf öffentlicher Straße von armen verstümmelten Leuten gefragt wer den, abnimmt, hört man nur selten, und derjenige, der vielleicht_in Deutschland von dem Hören zu vieler Musik sich erholen wollte, findet in Stockholm vollkommene Gelegenheit dazu. Leierkasten (die, zum Bedauern aller Freunde eines heiteren Volkslebens, auch in einigen ohnehin schon melancholischen Städten Deutschlands abge: schafft werden), herumziehende Musikbanden, Serenaden des Abends auf der Straße, Concerte und Spielleute auf Promenaden und in Kaffeehäusern finden sich hier nirgends, und nur erst seit Kurzem kommen zuweilen aus Deutschland Bierfiedler hier an, um sich mitunter an öffentlichen Orten hören zu lassen.

Nach zweimaliger Umfahrt im Park kehrte die Königliche Familie nach dem Residenz - Schloß in der Stadt zurück. Die wogende Menge eilte dann auch nach Hause; Jeder sieht nun nach dem Drte zu gelangen, wo er den Abend zuzubringen gedenkt, und wer am 9 Uhr Abends noch den Thiergarten besuchte, ohne zu wissen, welcher fentliche Tag gewesen, würde wenigstens keine Spur vorfinden, um auch nur zu ahnen, was hier eigentlich heute vorgefallen sey. Nur aus der Erleuchtung einiger Wirthshäuser ließe sich etwa schließen, daß man sich dort der irdischen Güter weidlich erfreue. Zahlreiche Gesellschaften und Familien Vereine finden nach der Zurückkunft aus dem Thiergarten statt, und Mancher kehrt erst heim, wenn die Sonne schon wieder am Horizonte steht. Freilich ist dies bier im Norden früher der Fall, als in den südlichen Ländern, denn während der drei Monate Mai, Juni und Juli scheint die Sonne fast ununterbrochen und verläßt nur auf kurze Zeit den Horizont; selbst mitten in der Nacht ist es so hell, daß man zu jeder Zeit im Zimmer lesen könnte. Bibliographie.

Erik Menweds Barndom. (Erich Menweds Kindheit.) Histo rischer Roman von B. S. Ingemann. 3 Thle. Pr. 4 Rdr. Jesuiten. (Spindler's Jefuit.) Aus dem Deutschen überseßt. Pr. 1 Nr. 32 St.

Jorden. (Die Erde, in physikalischer, historischer und politischer Hinsicht.)` Ein ausführliches geographisches Lexikon in 4 Bden., von Theodor Sundler. Srebro.

Resa genom Umeå Lappmarker i Westerbottens län. (Reise durch die Umeå-Lappmark in der Landschaft Westerbotten.) Bom Professor und Secretair der Akademie J. W. Zetterstedt. Srebro.

Wägwifare i Stockholm. (Wegweiser in Stockholm.) Nebst Plan der Stadt. Pr. 1 Ndr.

Mannigfaltiges.

Ein neues Schwedisches Heldengedicht. Der Schwe dische Dichter Ling (Lehrer der Gymnastik in Stockholm) bat jezt sein großes Epos,,,die Asen“ (Afarne), in 30 Gesängen, vollendet. Ling scheint weniger als die übrigen jeßt lebenden Schwedischen Dichter im Auslande bekannt zu seyn, und doch gehören viele seiner Dichtungen, besonders die frühesten, zu dem Ausgezeichnetsten, was die Schwedische Literatur aufzuweisen hat. Er versuchte vorzüglich, die ältere Schwedische Mythologie und Geschichte poetisch zu bearbeiten, welchen Weg auch der berühmte Tegnér mit so großem Glücke eingeschlagen bat. Man hat von Ling eine Reihe dramatischer Dichtungen, alle nationalen Juhalts; sie gehören aber, mit Ausnahme einiger wenigen Tragödien, nicht zu dem Besten, was er geliefert bat.

Nummern. Pränumerations. Preis 22 Sgr. († Thlr.) vierteljährlich, 3 Thaler für das ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie.

No 6.

M a g a z in

für die

Beiblatt der Allg. Pf. StaatsZeitung in Berlin in der Expedition (Mohren - Straße Nr. 34); in der Provinz so wie im Auslande bei den Wohllöbl. Post - Aemtern.

Literatur des des Ausland e s.

Berlin, Montag den 13. Januar

1834.

[blocks in formation]

Die Alterthümer, besonders die Römischen, intereffiren mich wemig. Ich begreife nicht, wie ich mich habe überreden laffen, nach Murviedro zu gehen, um die Ueberbleibsel Sagunts in Augenschein zu nehmen. Ich habe eine tüchtige Ermüdung davongetragen, schlechte Mablzeiten eingenommen und durchaus nicht das Geringste gesehen. Man wird auf Reisen unaufhörlich von der Furcht geheßt, die unvermeidliche Frage, die Einen bei der Rückkehr erwartet:,,Sie ha ben doch ohne Zweifel gesehen...? etwa nicht mit Ja beantworten zu können. Weshalb soll ich gezwungen seyn, zu sehen, was Andere gesehen haben? Ich reise für keinen bestimmten Zweck; ich bin kein Alterthumsforscher. Meine Nerven sind gegen empfindsame Erregungen abgehärtet, und ich weiß nicht, ob ich mit mehr Vergnügen an die alte Cypreffe der Zegris auf dem Generalife oder an die Granaten und vortrefflichen Trauben ohne Kerne, die ich unter jeñëm ehrwürdigen Baume gespeist habe, zurückdenke.

--

Mein Ausflug nach Murviedro bat mich indeffen keineswegs gelangweilt. Ich hätte ein Pferd gemiether und einen Valencianischen Bauer, mich zu Fuß zu begleiten. Ich fand in ihm einen gros ßen Schwäßer und ziemlichen Schelm, doch im Ganzen einen guten Gefährten und unterhaltend genug. Er verschwendete einen großen Aufwand von Beredisanikeit und Diplomatif, um mir einen Steal mehr als zwischen uns für die Mietbe des Pfer des ausgemacht war, abzulecken; und zur selben Zeit nahm er meis nen Vortheil in den Wirthshäusern mit so viel Eifer und Wärme wahr, daß man hätte meinen sollen, er bejable die Speisen aus eigenen Mitteln. Die Rechnung, die er mir jeden Morgen überreichte, wimmelte gewöhnlich von einer Reihe von items für Ausbesserung des Riemzeugs, neue Nägel, Wein, um das Pferd zu was fchen, den er ohne Zweifel erant und bei alle de fabe ich mit so wenig bezahlt. Er verstand die Künft, mich überall, wo wir durchtamen, Gott weiß wie viel unnüße Kleinigkeiten kaufen zu lassen, vorzüglich Meffer, wie man sie dort zu Lande bat. Er lebrte mich, wie man den Daumen auf die Klinge legen muß, um, ohne sich in die Finger zu schneiden, seinem Gegner mit Bequemlichkeit den Bauch aufzuschlißen. Später wurden mir diese verdammten Messer febr läftig. Sie fubren in meinen Taschen aneinander, schlugen mir an die Beine und genirten mich dergestalt, daß ich sie loszuwerden kein anderes Mittel wußte, als Vincenz damit ein Geschenk zu machen. Sein Refrain war:,, Wie werden Ew. Gnaden Freunde zufrieden seyn, wenn sie all' die schönen Sachen sehen werden, die Sie ibnen aus Spanien mitbringen,' Ich werde nie einen Sach mit füßen Eicheln vergeffen ten meine Gnaden für ihre Freunds fauften und den sie mit Hülfe ibres treuen Begleiters noch vor ihrer Ankunft in Murviedro völlig verspeist batten.

Dbgleich Vincenz die Welt gesehen, denn er batte in Madrid Drgeade verkauft, so batte er dennoch von dem Aberglauben seiner Landsleute ein gut Theil abbekommen. Er war äußerst fromm, und während drei Tagen, die wir zusammen verlebten, hatte ich Gelegen beit, zu bemerken, welch eine Art von Religion er sich zugeeignet.

Um den lieben Gott kümmerte er sich wenig, und er sprach immer nur mit Gleichgültigkeit von ibm. Seine Leute waren die Heiligen und vorzüglich die Jungfrau Maria. Er erinnerte mich an die alten in ihrem Gewerbe ergrauten Sollicitanten, deren Grundsak ist, daß es mehr nüßt, Freunde in den Bureau's zu haben, als die Gunst des Ministers selbst.

Um seine Frömmigkeit gegen die beilige Jungfrau zu verstehen, muß man wissen, daß es in Spanien Jengfrau an Jungfrau giebt. Jede Stadt hat ihre und hält sich über die der benachbarten auf. Die Jungfrau von Peniscola, einem Städtchen, worin der ebrenfeste Bincen, das Licht erblickt hatte, galt seiner Meinung nach mehr, als alle übrige zusammengenommen.

"

Aber", sagte ich eines Tages zu ihm, giebt es denn mehrere

Jungfrauen?

Freilich; jede Provinj befist eine."

,,Und im Himmel, wie viel sind da ibrer?

Die Frage schte ihn augenscheinlich in Verlegenheit, aber sein Katechismus tam ihm zu Hülse. „Es giebt dort nur eine", erwies derte ́ersmitider: Unsicherheit eines Menschen, der eine Phrase wie> derholt, die er nicht versteht.

‚Nun wohl!” fuhr ich fort, wenn Ihr ein Bein brecht, an welche Jungfrau wendet Ihr Euch? An die himmlische oder an eine andere?

,,An die sehr heilige Jungfrau, unsere Frau von Peniscola, das versteht sich."

,,Aber warum nicht an die vom Münster zu Saragossa, die so viel Wunder thm!**

,,Pah! die ist gut für die Arragonéfen.“^

Ich wollte ihn bei seiner schwachen Seite, bei seinem ProvinzialPatriotismus, faffen.

,,Wenn die Jungfrau von Penisccta“, sagte ich zu ihm,,,mächtiger ist, als die vom Münster, so würde dies beweisen, daß die Balencianer viel größere Schufte find, als die Arragonesen, weil sie einer so guten Patrouin am Hofe bedürfen, damit ihnen ihre Sünden vers geben werden."

„Ach, Herr! die Arragonesen find nicht beffer als andere; aber nur wir Valencianer kennen die Macht unferer Frau von Peníscola und verlassen uns manchmal zu viel darauf."

"

Vincenz, sagt mir! glaubt Ihr nicht, daß unsere Frau von Peniscola zum lieben Gott Valencianisch spricht, wenn sie ihn bitter, Euch für Eure Uebeltbaten nicht zu verdammen?"

,,Valencianisch? Nein Herr erwiederte Vincenz mit Lebhaftig feit." Ew. Gnaten wiffen recht gut, in welcher Sprache die Jungfrau spricht."

,,Nein, wahrhaftig nicht.”

,,Nun, doch wohl Lateinisch."

Die nicht sehr hoben Berge des Königreichs Balencia sind oft mit Ruinen von Schlössern bekränzt. Eines Tages, als ich bei einem dieser Gemauer porbeikam, fiel mir ein, Vincenz zu fra= gen, ob es Gespenster darin gabe. Er lächelte und erwiederte, es gäbe dergleichen nicht in Spanien; mit den Augen blinzelnd, wie Einer, der einen Scherz zurückgiebt, feßte er hinzu; Ew. Gnaden haben ohne Zweifel welche in Ihrer Heimat gesehen ?"

"

Man hat im Spanischen fein Wort, welches den Ausdruck`Gefpenft genau wiedergabe. Duende, das man im Wörterbuch findet, entspricht eber unserem,,Kobold" und wird, wie im Französischen, von einem kleinen muthwilligen Buben gebraucht. Duendecito (tteis Ker Duende) würde man ganz passend von einem jungen Menschen fagen können, der sich etwa binter einen Vorhang im Zimmer eines jungen Märchens versteckt, ibr Furcht einzujagen eter in anderer Abficht. Aber von fenen groken bleichen Gespennern, de mit einem Laken bekleidet sind und mit Ketten raffeln, steht man nichts in Spanien und spricht gar nicht von ibuen. Es giebt noch verzauberte Mauren, mit denen man Thürme in der Umgegend von Granada ausstattet; dies sind aber in der Regel gute Gespenster, die gewöhnlich am bellen Tage erscheinen und ganz demüthig um die Taufe bitten, die sie bei ibren Lebzeiten nicht die Gelegenheit gehabt, Deften zu lassen. Wenn man ihnen diese Gnade gewährt, so sie Einem für die Mühe einen schönen n Schat. Wenn man zu diesen eine Art von Warwolf, der gang jettig ist, el velludo beißt und in der Alhambra abgebildet ist, und ein gewisses Pferd ohne Ropf (el caballo descabezado) binjunimmt, welches deffenungrach ter mitten durch die Steine, die den Graben zwischen der Alhambra und dem Generalife arrefüllen, gatorpirt, so hat man ein ziemlich volständiges Verzeichniß von allen phantomen, womit man die Kinder schreckt oder unterhält.

Glücklicherweise glaubt màn noch an Herenmeister und besonders an Seren.

Cine Meile vor Murviedro steht eine kleine einzelne Hütte. Ich kam vor Durst um und hielt an der Thür fill. Ein sehr hübsches Mädchen, ein wenig zu stark von der Sonne gebräunt, brachte mir einen großen Topf von jener porösen die das Wasser frisch

erhält. Vincenz, der niemals an ritte vorüber ging, obne

Durst zu baben,

einzukehren, then guten Grund an die Hand zu geben,

zu haben, an diesem Drte zu verweis ten. Es wird spät, fagte er; wir haben noch ein gut Stück Weges zu machen; eine Viertelstunde weiter sey ein viel besseres Wirths haus, wo wir den berühmtesten Wein im ganzen Königreiche, den von Deniecela ausgenommen, fänden. Ich war unbeweglich. Ich trant das Waffer, welches man mit anbot, ich aß von dem Gazpacho, ben die Hände der Doña Carmencita bereitet batten, und zeichnete fogar ibr Bild in mein Stizzenbüch. Unterdessen rieb Vincenz vor der Thür sein Pferd, pfiff vor Ungeduld und schien Widerwillen zu empfinden, ins Haus zu treten.

« ForrigeFortsæt »