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schieden seyn müssen, ohne daß sie sich bloß durch ihre besondere Stellung auszeichnen. Wenn daffelbe Dreieck A und B bedeutet, je nach der Richtung seines spißen Winkels, so muß der Blinde im Geist erst zwei verschiedene Operationen vornehmen, ehe er A von B unterscheiden kann. Erst muß er sich von der Form des Zeichens und dann von seiner Richtung überzeugen. Man fann zwar einwenden, daß diese beiden Operationen mit der Schnelle des Gedankens ausgeführt werden; das ist möglich, aber sie wiederholen sich bei jedem Buchstaben und erfordern, dann doch eine gewisse Zeit. Das System des Herrn Gall ist nicht gelungen und konnte auch nicht ge lingen. Herr Hay, ein Blinder und Sprachlehrer an der Edinbur ger Schule, hat eine andere Form von Buchstaben erfunden. Die feinigen besteben nur aus geraden Linien. Dieses System bietet die felben Uebelstände dar, wie das des Herrn Gall: die Zeichen haben eine zu große Aehnlichkeit unter sich. Von allen Methoden aber, die man erfunden hat, ist die unzweckmäßigste diejenige, deren man sich in der Anstalt zu Glasgow bedient. Die Buchstaben werden durch Knoten angedeutet, welche man in einem Bindfaden macht. Dieser Bindfaden wird aufgewickelt, und ein Kapitel der Bibel erfordert einen Umfang von der Größe eines 24Pfünders. Die ganze Bibel würde in einer Kirche nicht Plaß haben.

Die Kunst, für die Blinden zu drucken, ist einer der intereffantesten Gegenstände, welche das Nachdenten eines Menschenfreundes in Anspruch nehmen können. Welches ist der Haupt-Vorwurf, den man den Büchern macht, deren sich die Blinden gegenwärtig bedienen? Daß sie zu plump und zu viel Raum einnehmend sind. Sie fleiner und bequemer zu machen, darauf müssen alle Bestrebungen gerichtet werden. Unseres Erachtens, wird dies nur gelingen, wenn man die gewöhnlichen Zeichen aufgiebt und ein stenographisches Sy. stem annimmt. Bei diesem System müßte man auf drei Hauptsachen Rücksicht nehmen: 1) in die Form der Zeichen so viel Abwechselung als möglich zu bringen; 2) daß man die Formen, welche einige Achn lichkeit unter sich haben, für diejenigen Zeichen gebraucht, welche beim Schreiben am seltensten zusammentreffen, wie z. B. P und ; 3) daß man die Buchstaben, welche am häufigsten vorkommen, ¡. B. A, E, I, durch die allereinfachsten Zeichen ausdrückte. Wir wün schen herzlich, daß diese Idee, von talentvollen Männern geprüft und erwogen, endlich ein Problem lösen möge, von dem das vermehrte Wohl einer ganzen Menschenklaffe, abhängt. *)

Wir haben es schon gesagt, ein einziger Besuch reicht nicht hin, um alle Unvollkommenheiten, die noch in dem Institute bestehen mögen, zu erforschen. Man verläßt dasselbe mit einer frommen Be wunderung für den Geist der Menschlichkeit, der, von der Wissenschaft geleitet, täglich Wunder verrichtet, troß der unübersteiglich scheinens Den Hindernisse, welche ihm die Natur in den Weg legt. Nur bei aufmerksamen und wiederholten Beobachtungen wird man mit Be dauern gewabr, daß diese Kinder, Gegenstände einer so eifrigen und liebevollen Sorgfalt, bei weitem nicht all' den Vortheil daraus zie ben, den man erwarten dürfte. Als eine Unbilligkeit wollen wir es nur herausheben, daß alle Zöglinge obne Ausnahme gezwungen sind, Mußt und ein mechanisches Handwerk zu lernen, ohne daß dabei auf ihre Anlagen oder Neigungen Rücksicht genommen wird.

Wir wollen uns nicht auf eine gründliche Prüfung aller übrigen Blinden-Anstalten in Europa einlassen, sondern nur das System andeuten, welches in jeder derselben befolgt wird.

Alle jene Anstalten, welche auf Kosten des Staats unterhalten werden, haben eine bestimmte Neigung zur Oftentation. Man ist in → denselben mehr darauf bedacht, daß die Fortschritte der Zöglinge den Rubm der Anstalt vergrößern, als das künftige Woblergehen der Schüler befördern mögen. Man legt mehr Werth darauf, ihnen einen oberflächlichen Anstrich von jeder Wissenschaft beizubringen, als fie in einer derselben gründlich zu unterrichten. Die Anstalten in Petersburg und Amsterdam sind, wie schon erwähnt, fast nur als Hospitaler zu betrachten; von der zu Madrid spricht man kaum noch. Die in Neapel, welche neuerlichst der Leitung des Herrn Rienzi an vertraut worden ist, scheint gute Resultate zu versprechen.

Die der Obhut bloßer Privatleute anvertrauten Anstalten befinden sich in einer weit blühenderen Lage. Die Berliner, welche unter ber Leitung des Profeffors Zeune, eines böchst aufgeklärten und freifinnigen Mannes steht, schien uns vortrefflich gehalten. Nur glau ben wir bemerkt zu haben, daß der Direktor bei den Einrichtungen noch zu wenig freien Spielraum hat. Er ist z. B. überzeugt, daß Blinde die besten Lehrer sind, die man Blinden geben kann, und boch scheint er außer Stande zu seyn, diese Ueberzeugung in der Praxis zur Anwendung bringen zu können. **)

Die Anstalten in England sind weit davon entfernt, nach einem wissenschaftlichen Ziel geleitet zu werden. Man bezweckt daselbst nicht, den Blinden eine wissenschaftliche Erziehung zu geben; man beschränkt sich darauf, ihnen ein Handwerk und etwas Musik zu lehren. Die Anstalten in Liverpool, Glasgow und Edinburg werden nach denselben Grundsäßen geleitet. Man seht daselbst die Zöglinge nicht genugsam in den Stand, auf ihre eigenen Kräfte rechnen und in fich selbst die Mittel finden zu können, ihren Plaß in der Gesellschaft auf eine nüßliche Weise auszufüllen.

*) Allerdings wäre es zu wünschen, daß es gelingen möchte, die für die Blinden bestimmten Bücher weniger voluminös zu machen; aber diese Schwie rigkeit scheint unübersteiglich; denn die Fähigkeit des Gefühls ist weit be schrankter, als die des Gesichts. Die Zeichen müffen eine gewisse Größe haben, damit der Finger fie erkennen kann. Man hat schon mehrere Bersuche in dieser Beziehung angestellt, aber die geschicktesten Blinden konnten die ihnen vorgelegten Zeichen nicht unterscheiden. (Anm. der N. A. R.)

** Dennoch sind nach und nach drei Zöglinge als Unterlehrer bei der Anstalt angestellt worden, und zwei haben eigene Anstalten in Breslau und Po

Und doch wäre es so leicht, dieses Ziel zu erreichen, wenn man beobachtete, durch welche Mittel die Natur bei diesen vernachlässigten Wesen das zu allen ihren Handlungen nothwendige Gleichgewicht bergestellt hat. Wir müssen nur die Hülfsquellen, welche sie ihnen vorbehalten hat, erkennen und entwickeln; wir müssen nur kein Theilchen dieser kostbaren Materialien verloren geben lassen, und die Schwierigkeit wird beslegt seyn. Man darf nur mit Aufmerksamkeit die physischen und moralischen Wirkungen, welche die Blindheit hervorbringt, studiren, und das Problem ist gelöst. Welches auch die Resultate der Blindheit auf die Intelligenz des Menschen seyn mö gen, so ist doch so viel gewiß, daß sie auf eine traurige Weise auf ihre physischen Eigenschaften einwirkt. Es wird einem Blinden schwer, fich jenen Spielen hinzugeben, die den Körper gelentig machen und ibn stärken, *) auch sieht man viele derselben, die in ihrer Kindheit Intelligenz und Thätigkeit zeigten, vor der Zeit alt werden. Sie werden zuerst träge, dann stumpf und schwachsinnig, und steigen bald in's Grab, ohne daß ihre moralische Existenz sich entwickeln konnte.

Aber die Blindheit, welche die Entwickelung der Muskelkräfte und gewisser physischer Eigenschaften, die davon abhängen, hindert, trägt doch zugleich mächtig zur Vervollkommnung der Sinne bei, des nen sie eine beständige Spanukraft giebt. Das Gefühl, das Gehör und der Geruch der Blinden erlangen zuweilen eine so ausgesuchte Feinheit, daß sie gänzlich von den Sinnen anderer Menschen abzuweichen scheinen.

Man pflegt zu sagen, daß, wenn uns einer unserer Sinne ges raubt ist, er sich in die anderen flüchtet. Wir brauchen nicht darjuthun, wie falsch diese Ausicht ist. Wenn das Gehör des Blinden seiner ist, als das des Sehenden, so kommt dies nicht daher, weil er das Gesicht verloren bat, sondern weil sein Zustand ihn zwingt, das Dhr ganz besonders zu üben. Er gewöhnt sich daran, von weitem zu hören und die verschiedenen Arten der Töne zu studiren, wie sich ein Matrofe daran gewöhnt, ein Segel im Schoße des Meeres zu entdecken. Die Menschen kennen im Allgemeinen die Ausdehnung ibrer Fähigkeiten nicht genug. Man glaubt nicht, bis zu welchen Grade dieselben durch Aufmerksamkeit und Arbeit getrieben werden fönnen; dies ist auch die Quelle der Wunder, welche wir täglich bei den Blinden anstaunen.

Das Gehör ist der Sinn, der bei ihnen der größten Entwickelung fäbig ist. Man führt in dieser Hinsicht Beispiele an, welche unglaublich scheinen. Wir haben Blinde gekannt, die nach der Art des Klanges in einem Zimmer die Gestalt und die Größe deffelben angeben fonnten. Beim Eintritt in das Zimmer, wo sie sich gewöhnlich aufhielten, konnten sie, indem sie ihren Stock auf den Fußboden tönen ließen, unterscheiden, ob man eines der Hauptmöbel förtgenoms men oder an einen anderen Plas gestellt hatte.

Wer von uns würde es mit verbundenen Augen unternehmen, die Größe einer Person nach dem Ton ihrer Stimme anzugeben? Das thun die Blinden täglich, und was noch überraschender ist, auch das Alter einer Person bestimmen sie nach diesem Anzeichen; wir find zwanzigmal Zeuge solcher Bersuche gewesen. Es steht fest, daß die Stimme mit jedem Jabre einer Veränderung unterliegt; aber unsere Drgane sind nicht fein genug, um die Ringe dieser Kette zählen zu können. **) Wir unterscheiden leicht das Gefreisch der Kins der, die männlichen Töne des reifen Alters und die zitternde Stimme des Greises; aber das Dazwischenliegende entgeht uns. Die Zeit in ihrem langsamen aber ununterbrochenen Gange hinterläßt die Spuren ibres Durchzuges in unserer Stimme wie in unseren Zügen, und diese Spuren sind es, welche das geübte Dhr des Blinden aufzufinden weiß. Einige derselben besigen eine noch überraschendere Feinheit des Gehörs. Sie faffen die geringsten Veränderungen der Stimme auf, wie wir die Veränderung der Physiognomie bemerken, und schließen daraus auf das, was in der Seele des mit ihnen Sprechenden vorgebt. Alle Menschen besißen mehr oder weniger die Kunst, ihre gebeimen Gefühle mit dem Mantel der Heuchelei zu be decken; aber selten denkt man an die Biegungen der Stimme, und die Blinden bedienen sich derselben wie eines Fadens, um in das Labyrinth der Leidenschaften einzudringen. Von dem-Zauber befreit, der unsere Vernunft irre leitet, folgen sie in ihren Urtheilen nur der Eingebung ihres Herzens. Der Glanz der Kleider blendet sie nicht; sie lassen sich durch ein linkisches Wesen oder durch ein unans genehmes Gesicht nicht gegen eine Person einnehmen. Glücklicher als viele Richter widerstehen sie dem Reiz eines Lächelns; für sie ist ein sanfter Blick weder verführerisch noch gefährlich.

Wer hat nicht oft die Intelligenz bewundert, mit welcher die Blinden, in den besuchtesten Straßen der Hauptstadt sich selbst übers laffen, die Gefahren, welche ihnen auf jedem Schritte zu drohen scheinen, zu vermeiden wissen und ihren Weg beharrlich verfolgen? Sie können obne Zögern sagen, ob eine Straße breit oder schmal ist, ob die Häuser hoch oder niedrig sind, ob ein Durchgang am anderen Ende geschlossen ist oder mit einer anderen Straße in Verbindung steht. Sie scheinen mit den Ohren zu sehen.

Diese Feinheit des Gehörs macht die Blinden besonders geschickt zur Erlernung der Musik. Auf dieses Drgan allein verlassen sie sich. Sie beobachten den Takt mit einer unerschütterlichen Sicherheit; auch erklärte Paganini, nachdem er von den Zöglingen des Pariser Instituts einige Stücke hatte ausführen hören, daß er bis jetzt feis nen so vollkommenen Begriff von der Harmonie gehabt habe. (Schluß folgt.)

") In der Berliner Blinden-Anstalt werden die Blinden im Gehen, Lau fen und den lebungen am Barren geübt, auch im Sommer in's fließende Wasser zum Baden geführt.

**) Selbst starke Blatternarben erkennen Blinde an der Stimme. Da die Blattern auch die inneren Nasenwände ergreifen, ist der Zusammenhang

Frankreich.

Gaule et France. (Gallien und Frankreich.) Von Alexander Dumas. Paris, 1833.

Unter der zahllosen Menge funger Französischer Autoren, die ihre National Geschichte nach allen Richtungen ausbeuten, um den Stoff rein historisch oder als Novelle, Roman und Drama zu bearbeiten, nimmt Dumas unstreitig eine ausgezeichnete Stelle ein. Herr Dumas hat mit seinen allerdings nicht ganz als sein geistiges Eigenthum anzuerkennenden Dramen solches Glück gemacht, daß ihm eine ebrenvolle unabhängige Stellung in der Gesellschaft geworden ist. Seine Dichtungen in Prosa_sind gleichfalls so beliebt, daß fast jede literarische Zeuschrift oder Sammlung vermischten Jubalts, die in den lezten drei Jahren erschien, ihre Mitarbeiter-Liste für unvollständig angesehen haben würde, wenn sie den Namen:,,Alexander Dumas" nicht mit eingeschlossen hätte. Auch darf man sich über diese allgemeine Vorliebe für seine literarischen Arbeiten nicht wundern. Er vereinigt mit viel Erfindungskraft etwas Malerisches und Dramatisches in seinen Beschreibungen und Erzählungen, das die handelnden Personen und den Schauplah ihres Wirkens dem Leser lebendig vor die Seele führt. Diese flüchtigen Compositionen waren jedoch nur ein Vorspiel zu einer Reihe bedeutenderer historischer Stücke, die, auf den Grund der Französischen Geschichte erbaut, mit der Regierung Philipp's von Balois beginnen und, wenn wir nicht irren, bis zur Periode der Revolution fortgesetzt werden sollen. Die ganze Sammlung, betitelt Chroniques de France, wird in Lies ferungen von je zwei Bänden erscheinen und acht Bände in Oktav begreifen. Der gegenwärtige Band ist eine Art Einleitung. Er giebt eine umfassende kräftig gezeichnete Skizze der Geschichte Galliens und Frankreichs, von den Römerzeiten bis zum Tode Karl's IV. (1328), nebst einem Epiloge, der die spätere Geschichte bis auf die neueste Zeit fortführt. Zu dieser Skizze sind die Umbildungen der Regierungss form die Beränderungen im Grundbesiße und der allgemeine Zustand der Nation, den politischen Ansichten des Verfaffers gemäß, genau bezeichnet. Eben so die wichtigeren Begebenheiten und die besondere Geschichte der Regenten.

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Nach dem Umsturz der Römer Herrschaft in Gallien unterschei det Herr Dumas drei große Epochen in der Periode, die sein Werk umfaßt. I. Die erobernde Rage Fränkisch Römische Monarchie. Dies ist das Zeitalter der Invasion und Eroberung Galliens durch die Germanischen Stämme und der Begründung einer Monarchie unter ihrem Anführer Meroveus (Merowig), um die Mitte des fünften Jahrhunderts. Die Dynastie der Merowinger regierte drei Jahrhunderte, binnen welcher Zeit das Volk den Eroberern leibeigen war. II. Die erobernde Rage Fränkische Monarchie. Herr Dumas hält die Erhebung des Majordomus Peppin (Pipin), des Stammberrn der Karlowinger, nicht für eine Ufurpation von seiner Seite, sondern für das Ergebniß einer freien Wahl durch die anderen Häuptlinge der erobernden Rage, welche Erwäblung außerdem die Zustimmung des Volkes (der Leudes, Leute) und die Approbation des Papstes heiligten. Die wahre Usurpation findet er erst in dem Umstande, daß Pipin den Vorrechten der Edlen zwei Prinzipien entgegenstellte: das göttliche Recht und die erbliche Thronfolge. Die Skizze der Regierung Karl's des Großen, des persönlichen Charakters jenes gewaltigen Monarchen, und die Parallele, die er zwischen Karl's und Napoleon's Staaten, in den Perioden ihrer respektiven Auflösung, zieht, sind ungemein wahr und kräftig. III. Die nationale Rage Französische Monarchie. Diese dritte Epoche beginnt mit Hugo Capet und der gänzlichen Absonderung Frankreichs von der erobernden Rage. Die Ursachen dieser Revolution und die sie begleitenden Umstände haben große Aehnlichkeit mit denen, welche die vorhergehende Dvnastie auf den Thron brachten, und Hugo's Benehmen nach seiner Ebronbesteigung scheint nur eine Wiederholung dessen zu seyn, was Pipin that. Er vernichtete die Hausmeister - Würde und richtete das Prinzip der Erbfolge in männlicher Linie, das einen Augenblick gestört worden war, wieder auf. Die Geschichte der fünf folgenden Jabrhunderte ist die des Konfliktes der Könige mit den zwölf großen Basallen des Reiches (den Pairs), während dessen die Ersteren häufig den Kürzeren zogen, bis Ludwig XI. durch seine bewunderngwürdige Verschlagenheit Frankreichs erster Monarch wurde. britter Nachfolger, Franz I., stiftete die Monarchie der „grands seigneurs", die, an der Zahl 200, im Territorial Befiße an die Stelle der zwölf Pairs kamen. Einhundert und neun und vierzig Jahre nach Ludwig XI. trat Richelieu auf, der ganz Frankreich dem Willen seines Souverains unbedingt gehorchen lehrte. Sein Schüler, Ludwig XIV., wandelte nun gemächlich auf der breiten Bahn des Absolutismus, die ihm Richelieu vorgezeichnet hatte. Er machte sich selbst zum Mittelpunkt des Staates, dessen Zügel er so lange fräftig in den Händen hielt, daß er bei seinem Tode wohl vorbersehen tonate, sie würden in den Händen seiner Nachfolger zerreißen. Ludwig XV. fand es, als er majorenn geworden war, noth wendig, die Monarchie noch einmal neu zu organisiren. An der Stelle der 12 großen Vafallen Hugo Capet's, der 200 grands seigneurs Franz des Ersten, ernannte er, als Stüßen seines wankenden Gebäudes, die 50,000 Ariftokraten, die,,in dem Düngerhaufen der Drleans'schen Regentschaft ausgebeckt waren."

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,,Endlich, als diese dritte Aera der nationalen Königswürde ihre Früchte getragen hatte, Früchte des See's Asphaltos, ganz Asche und Moder; als die Dübois, die Law's, die Pompadour's und die Dubarry's alle der Königswürde schuldige Ehrfurcht ertödtet; als die Boltaire's und Diderot's, die d'Alembert's und Grimm's den

religiösen Glauben erschüttert hatten, da wurden die Religion, die liebreiche geistige Mutter der Nationen, und die Königswürde, die Gründerin der Gesellschaften, von der Erde, wo man sie frech ents weihte, zu Gott entrückt, dessen Töchter sie waren. Jebt schirmte fein göttliches Recht mehr die Monarchie, und Ludwig XVI. sab, in einem Zwischenraum von vier Jahren, gegen Osten die Flammen der Bastille, gegen Westen das Beil der Guillotine."

Wir fürchten, nur eine sehr magere probe von dieser fein ges sponnenen poetischen Theorie gegeben zu haben, in der auch das Schicksal eine sehr ausgezeichnete Stelle einnimmt, wie dies in der neuesten historischen Literatur Frankreiche zumeist der Fall ist.

Der Raum erlaubt uns nicht, Herrn Dumas in seiner Theorie der beiden Revolutionen von 1789 und 1830 zu folgen. Er betrach tet die lettere nur als Ergänzung der ersteren, indem sie alle erbliche Vorrechte aufbebt. Die Monarchie Ludwig Philipp's, gestüßt auf den Einfluß von 160,000 großen Land-Eigenthümern und Gewerbetreibender, die der König repräsentirt, wird als das lehte Studium der monarchischen Berfassung in Frankreich betrachtet. Das End-Resultat, welches der Verfasser antizipirt, ist ein tausendj ä blriges Reich oder eine Ordnung der Dinge, der zufolge jedes zur arbeitenden Klasse gehörige Individuum bei Wahlen Stimme bat, und jeder Befiher einer Hufe Landes (es giebt jeht fünftehalb Millionen Grundbesiher) Deputirter werden kann, so daß alle Klassen den Antheil an der Verwaltung erhalten, zu dem sie berechtigt sind. Der Schlüssel dieser ganzen Theorie ist leicht gefunden — in den Grundbesißern ruht die Macht, welche die Form und Bedingungen der Verfassung bestimmt. Die Folgerungen für künftige Zeiten sind eben so leicht.

Herr Dumas ist Republikaner, wie seine Leser bald errathen auch macht er aus seinen Ansichten kein Geheimniß. Es überrascht uns gleichwohl, zu lesen, daß seine propriété sécondaire ebenfalls ein Haupt haben müsse, gleich ihren Deputirten in der Kammer, und daß eine solche Person weder aus Königlichem Geblüte, noch ein großer Gutsbesißer seyn, daß ihr Privat: Vermögen den allgemeinen Ueberschlag nicht übersteigen dürfe, daß endlich ihre Ewilliste nur die allernothwendigsten Ausgaben enthalten müffe. Sollte wohl der Dämon des Ehrgeizes in dem Berfaffer spuken, so daß ihm nach dem ersten fünffährigen Präsidium über die Französische Republik gelüftete!

Mittlerweile hat aber der eifrige Republikaner auch einmal die Rolle des Achselträgers übernommen und den Feinden der jeßigen Regierung felne Feder gelieben, indem er aus General Dermoncourt's Papieren die bezaubernde Romanje:,,la Duchesse de Berri dans la Vendée", fabrizirte. Diese Inkonsequenz hat, wie man vernimmt, seinen republikanischen Kollegen großes ergerniß gegeben; denn die Entschuldigung, daß es nur eine affaire du métier gewesen sev, befriedigte Keinen. Vielleicht darf man ohne Berleumdung anneh men, daß bei Herrn Dumas, wie bei manchem anderen Republikaners Autor des jungen Frankreichs, die politischen Meinungen selbst nuc affaire du métier sind. (F. Q. R.)

Bibliographie.

Histoire de Louis XVI. (Geschichte Zubwig's XVI.) - Von R. J. Durdent. Pr. 2 Fr.

Souvenirs Atlantiques. (Reife nach den Vereinigten Staaten und Kanada.) Bon Tb. Paris. 2 Bde. Pr. 15 Fr.

La maçonnerie considérée comme le résultat des religions égyptienne, juive et chrétienne. (Die Freimaurer als Refuls tat der Aegyptischen, der jüdischen und der christlichen Réligion.) Von dem F... M.. R... von S... 3 Bde. Méditations chrétiennes sur l'histoire de Saint-Pierre. (Chrifts liche Betrachtungen über die Geschichte des H. Petrus.) Bon H. Blunt. Aus dem Englischen überseßt. Anecdotes de l'enfance. (Büge von Muth und Menschlichkeit als Beispiele für die Jugend.) Von H. Lemaire. Pr. 11 Fr.

England.

Jakob Montgomery und der Schäfer von Ettrick.

Das Leben Jakob Montgomery's entwerfen, beißt ges wissermaßen einen Roman schreiben. Er wurde zu Irvine in Ayrshire den 4ten November 1771 geboren. Sein Vater, ein Mährischer Prediger, nahm ihn in einem Alter von 4 Jahren mit nach Antrim in Irland, wo er ungefähr ein Jahr lebte, und von da brachte er ihn nach Fulmick in ein Mährisches Seminar, um daselbst erzogen zu werden, während sein Vater und seine Mutter nach Westindien gingen, um die Neger zu erziehen. Beide starben in ihrer gefabrvollen Unternehmung der junge Montgomery vers dankte seinen Unterhalt und seine Bildung der Großmuth der Mährischen Brüder. Seine Lage war zwar ziemlich mönchisch, denn er mußte 10 Jahre von der Welt ganz getrennt leben; ein desto glücke licheres Resultat hatte sie aber für die Literatur, und was die guten Brüder vielleicht nicht erwarteten, er verließ ihr Haus als Dichter. Zu 10 Jabren machte Montgomery Berse, und zu 14 füllten seine Versuche 2 Bände. Die Mährischen Brüder, die ihn biernach für nicht sehr geeignet hielten, Missionnair zu werden, brachten ihn an fangs bei einem Kaufmann, dann bei einem anderen Geschäftsmanne unter, bis endlich Montgomery, dieser Art von Beschäftigung müde oder seiner abhängigen Lage überdrüffig und mit viel Entschlofsenheit begabt, seine eigene Leitung übernahm. Im Jahre 1792 affociirte er sich mit dem Herausgeber des Sheffield Register, eines Journals, das die Sache der öffentlichen Freiheiten mit Hef= tigkeit vertheidigte. Ein Geistlicher schrieb ein Triumphlied über die

Niederreißung der Bastille. Montgomery ließ es drucken, mußte 20 Pfd. Sterling Strafe zahlen und auf 3 Monat ins Gefängniß wan dern. Kaum war er wieder in Freiheit, so gab er die Geschichte eines zu Sheffield stattgefundenen Aufrubrs heraus, in welchem 2 Menschen getödtet worden waren. Darauf wurde er vor Gericht ge= fordert, welches ihn zu einer neuen Strafe von 30 Pfund Sterling und 6 Monat Gefängniß verurtheilte, doch ließ sich der Beamte, der ibn hatte verfolgen laffen, zu seinen Gunsten rühren und bemühte fich, ihm seine Leiden erträglicher zu machen. Aber Montgomery kümmerte sich so wenig um die Strenge der Justiz, daß er im Jahre 1797 unter dem Titel: Unterhaltungen in meinem Gefängniß, eine Sammlung von Gedichten herausgab, wovon einige anmuthig und leicht, andere ernst und melancholisch sind. Sein Aufenthalt in Scarborough gab ihm Zeit, fein Gedicht: der Dcean", zu schreiben, welches 1805 berauskaṁ. Im Jahre 1806 veranlaßten ihn die polis tischen Begebenheiten, das Elend zu schildern, worin die Schweiz durch ihre Verbältnisse mit Frankreich gerathen war. Das Gedicht hat einen dramatischen Charakter, und man findet darin Enthusiasmus und Gefühl, obgleich der Rhythmus, in dem es geschrieben, am wenigsten geeignet ist, zarte oder lebhafte Regungen auszudrükten. Hierauf folgte das umfaffendere Gedicht: Westindien, welches folchen Beifall erhielt, daß mehr als zehntausend Exemplare verkauft wurden. Im Jahre 1812 schrieb er die Welt vor der Sündfluth, und obgleich diese Welt ziemlich fern vou uns ift, so nahm sie doch das Publikum sehr gut auf. Eben so wenig verschmähte es Grönland, ein Fragment eines Gedichtes, worin er die Erfolge der Mährischen Missionen in diesem eisigen Lande schilderte. Das leßte feiner bedeutenderen Werke ist: die Insel der Pelikane, ein Gedicht in 9 Gesängen, dessen Idee er in den Reisen des Capitains Flinders nach Neuholland schöpfte. Eines sei: ner populairsten Werke heißt: Lieder von Zion. Es ist die Ueberseßung der Pfalmen David's. Die Verse sind im Allgemeinen leicht, harmonisch, aber erreichen doch die Wahrheit und Einfachheit unferer alten Ueberseßungen nicht. Montgomery's Verdienst muß man nicht nach der Ansicht der Edinburgh - Review schäßen, sondern nach der vom Publikum ausgesprochenen Meinung. Seine Ideen find einfach und erhaben, sein Stil fließend und melodisch, sein Aufschwung immer gezügelt, er steigt nie zu bech, finkt nie zu tief. Er ift besonnen und nicht ungestüm. Er hat Regungen der Zärtlichkeit, aber keine Entzückungen.

Ein anderer höchst origineller jeßt lebender Britischer Barde ist ein Schotte, Jakob Hogg, der Schäfer von Ettrick. Unsere Schottische Schule ländlicher Poesie wurde von Königen gegründet. Jakob I. schrieb seine: Christ-Kirche auf dem Rasenplage, und Jakob V. machte sehr hübsche Balladen in Schottischem Dialekte. Denselben Charakter behaupteten Ramsay, Fergusson, Tannbill, ́und er wurde völlig entwickelt durch Burns glühende Energie und mächtige Auffassung. Jakob Hogg, oder der Schäfer von Ettrick, wie er fich gern felbst nennt, wird als das jeßige Haupt dieser nationalen Schule betrachtet. Sein Genie scheint ein, natürlicher Ausfluß des wilden Schottlands, seiner ländlichen Thäler und seiner Seen. Seine Schriften, sowohl in Prosa als in Versen, gleichen dem Golde, wie es roh aus der Grube kommt, denn er hat nur eben so viel Bildung erbalten, als er braucht, um launige Einfälle zu schreiben, und sie dank berzusagen. Er wurde den 25. Januar 1772 geboren, 30 Jahr nach Burns. Außer dieser Aehnlichkeit zwischen seinem Geburtstag und dem des großen Schottischen Dichters, erzählt man noch in dieser Hinsicht sonderbare Dinge. Z. B. als er zur Welt kam, fand sich teine Hebamme; der Mann, den man schickte, um eine zu holen, wagte es nicht, durch einen Bach zu gehen, der auf dem Wege floß. Eine Schottische Fee, die wohlthätige Browine von Bodsbück, die feine Furcht bemerkte, lief selbst und holte die Hebamme, brachte sie mit Blißesschnelle in die Wohnung der Aeltern des Hogg, und ecr hob ein Freudengeschrei, als er zur Welt kam. Er lernte schwer Lefen, dann kam er bis zum Schreiben, und hütete sodann die Heerde auf den Bergen. Seine Aeltern waren arm, und konnten nicht mehr für seine Erziehung thun, und in seinem böheren Alter suchte er sich selbst zu unterrichten; damals war es sein großes Vergnügen, lange Balladen zu verfertigen, und sie allen denjenigen vorzüsingen, die fie hören wollten. Es wurde ihm viel leichter, seine Gedanken in Berse zu bringen, als sie niederzuschreiben. Dennoch wollte er seine Ge dichte drucken lassen, und es gelang ihm, als er eine Heerde Schaafe nach Edinburg trieb. Nach der Ballade Donald Macdonald, die schon erschienen war, war das erste von Hogg herausgegebene Werk sein Gedicht Willie Katkin, ein einfaches, etwas roh naives Hirtengedicht, welches bessere Dinge hoffen ließ. Der Dichter fam in Bekanntschaft mit Walter Scott, und da der Erfolg seiner ersten Bersuche sein Selbstvertrauen vermehrt batte, so schrieb er eine Reihe von Balladen, die unter dem Titel: der Barde des Berges, auf Subscription herauskam. Einige seiner Balladen sind sehr merkwür dig, diejenige, die unter dem Namen Gilmanscleuh bekannt ist, ist voller Anmuth und Einfachheit, und das wunderliche Mährchen von Wellies Wilkin läßt sich fast den Glen feilas" von Scott gleichstellen. Die Beschreibung der Gespenster ist ein Meisterstück von Driginalität. Der Held dieses Mährchens wagt es, um Mitternacht Zauberer und böse Geister aufzusuchen, welche in einer alten Kirche baufen. Seine Mutter, eine gute, febr fromme Frau, folgt ihm, und ist ganz erstaunt, das Pferd ihres Sobnes wie ein kleines Fülen erscheinen zu sehen, mitten unter einem Haufen riesenmäßiger Rosse, Sie nähert sich ihnen, um sie zu streicheln, und zu ihrem Schrecken gewahrt sie, daß es Gespenster sind. (A. Cunningham.)

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Mannigfaltiges.

Das stereotypische Drucken, eine Deutsche Erfinbung. Es ist kürzlich im Haag (von Baron van Westreenen van Tiellandt) ein offizieller Bericht erschienen, welcher die Resultate einer Nachforschung enthält, die das Holländische Gouvernement über die erste Erfindung und den ältesten Gebrauch stereotypischer Drucke anstellen ließ. Dieser Bericht beweist aus unbestreitbaren Urkunden und aus mehreren noch vorhandenen Platten, daß Holland mit Recht die Ehre der Erfindung (?) gebührt, und daß schon der erste Erfinder den stereotypen Druck zu eben dem Grade der Vollkommenheit brachte, wie Pierre Didot ein volles Jahrhundert später in Paris. Die Pers son, deren Verdienst man so unverzeihlicher Weise der Vergessenheit überantwortete, war Johannes Müller, Prediger an der Deuts schen reformirten Kirche in Leiden, (starb 1710). Er tam zuerst auf den Gedanken, die Blei: Seiten, wenn sie in gewöhnlicher Art zusammengeseßt und sorgfältig torrigirt waren, an einander zu löthen. Nachmals aber ließ er Platten aus Gips oder Metall anfertigen, wie man sie noch heutzutage hat. Seit 1701, in welchem Jahre er ein kleines Holländisches Gebetbuch publizirte, bat er folgende Editionen stereotypisch drucken laffen. Das Syrisch Lateinische Reue Testament nebst Lexikon, von Leusden und Schaaf; 2) eine Holländische Bibel in Duart; 3) eine andere in Folio; 4) eine Englische Bibel in Folio; 5) ein Griechisches Neues Testament in Duodez. Nur das Syrische Neue Testament erschien noch bei seinen Lebzeis ten. Die Holländische Bibel in Duart fam 1711 heraus, und neue Abdrücke erfolgten 1715, 1723, 1732, 1775 und 1785, immer mit neuen Titeln. Eben so ging es mit den übrigen Editionen. Bon der Englischen Bibel in Folio bat Baron van Tiellandt fein Exemplar mehr auffinden können. Vermuthlich wurde sie 1715 ge druckt. Es darf uns wohl befremden, daß diese hiernach Deuts sche Erfindung in Holland hat sie nur das Licht erblickt — nie mals auf andere Werke, als die genannten Bücher, angewendet wor den and endlich gar in Vergessenheit übergegangen ist. Sir James Macintosh. Ju einer Schottischen Zeits schrift liest man: Wir erfahren so eben, daß das im Manuskript hins terlaffene historische Werk unseres kürzlich dahin geschiedenen Landsmanus Sir J. Mackintosh, soweit es die Englische Revolution von 1688 umfaßt, geordnet ist und nächstens herausgegeben werden wird. Die Einleitung ist vollendet, und die Charaktere mehrerer großen Whigs Häupter aus jener Zeit sind zwar kurz, aber kräftig, scharf und genau gezeichnet. Einige wichtige neue Nachrichten, die aus den Archiven adeliger Familien entnommen sind, werden in einem Anbange mitgetheilt werden. Dieses nachgelassene Werk bat, was sein Gegenstand und die deffen Herausgabe begleitenden Umstände betrifft, auffallende Aehnlichkeit mit den historischen Fragmenten des Hercu For. Beide, For sowohl als Sir James Mackintosh, weihten ihre Muße der Geschichts- Forschung und Schreibung. Beide wählten dieselbe Epoche aus dem constitutionnellen Leben Englands zum Thema ihrer Schriften; beide starben, che noch ihre Arbeiten zur Hälfte bes endigt waren; endlich verdaufen die respektiven Werke beider Männer ihre Herausgabe den Freunden der Verfasser. Wir können noch hinzufügen, daß, was ihre Charaktere, ihre Gesinnungen, so wie ihre Lebens-Verhältnisse und Studien anbelangt Beide waren in Privat- und öffentlichen Handlungen frei von schmußigen oder knechtischen Grandfäßen unter diesen beiden ausgezeichneten Männers eine überaus vollkommene Aehnlichkeit stattgefunden hat."

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Münzen im Finstern lesbar zu machen. Man nehme eine Silbermünze (nach Sir David Brewster ist eine alte dazu am besten geeignet), polire die Oberfläche derselben, so gut als man kann, und mache ihre erhabenen Theile vermittelst einer Säure rauh, das gegen die tieferen Theile lasse man in ihrer Politur. Dann lege man die Münze über glühendes Eisen und bringe sie so nach einem finsteren Zimmer, so wird man das Gepräge, welches weniger Glanz als der übrige Theil der Münze erhalten wird, deutlich lesen können. Man muß dabei das glühende Eisen dem Beschauer nicht sehen laffen, damit erstlich dessen Auge für den Eindruck der Wahrnehmung empfänglicher sey, und zweitens, damit ihm jeder Zweifel benommen werde, als lese man das Gepräge nicht wirklich im Finstern, das heißt, ohne daß dasselbe direktes oder reflektirtes Licht von irgend einem anderen Körper erhalte. Man kann aber auch, anstatt die tieferen Theile zu poliren und die erhabenen rauh zu machen, umgefehrt die letteren poliren und die ersteren rauh machen, so wird das Gepräge immer noch weniger glänzen, als die tieferen Theile der Münze, und man wird dasselbe, gleich schwarzen Buchstaben auf weißem Grunde, lesen können.

National Poesie. Papst Ganganelli pflegte zu sagen, die Italiänische Poesie gleiche einem funkelnden, die Spanische einem brennenden, die Französische einem leuchtenden und die Englische einem verdunkelnden Feuer.

Nummern. PrānumerationsPreis 221 Sgr. ( Thlr.) vierteljährlich, 3 Thaler für das ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie.

No 2.

Magazin

für die

Beiblatt der Aug. Pr. Staatse Zeitung in Berlin in der Expedition (Mohren - Straße Nr. 34); in der Proving so wie im Auslande bei den Wohllöbl. Poft - Aemtern.

Literatur des Auslandes.

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Berlin, Freitag den 3. Januar

Die Welt der menschlichen Charaktere.

Aus dem Tagebuche eines Genfers.

Ich überlasse dem Geologen das Geschäft, Berge zu erforschen, dem Antiquar die Lust, Ruinen zu besehen, dem Landschaftsmater die Freude, anmuthige oder pittoreske Gegenden in seinem Album zu frizziren. Meine Reise wird meine Beine nicht ermüden; der Gegen stand meiner Forschungen, das menschliche Herz, is Rets in meinem Bereiche; ich kann sogar wichtige Entdeckungen machen, ohne vom Lehnstuhl aufzustehen; die erste beste Person, die in mein Gemach tritt, kann mir Stoff zur Beobachtung geben, wie dies mit meinem eigenen Selbst der Fall ist, wenn ich allein bin und mir die Mühe nehme, meine Eindrücke zu zergliedern und ihre Triebfedern zu ergründen.

Die verschiedenen Elemente, die unseren Charakter bilden, sind nicht sehr zahlreich, und in gewiffem Betrachte unwandelbar. Während die neueren Chemiker mit ihren Erfahrungen jeden Tag neue Substanzen in den Combinationen der Materie entdecken, offenbart sich uns kein neues moralisches Gebrechen, keine Eigenschaft, ja so gar kein Gefühl, das nicht schon zu allen Zeiten beobachtet worden wäre. Dagegen sind die Ergebnisse ihrer Modificationen so verschiedenartig, daß man eben so schwer zwei Personen von moralischer, als von phyfischer Aebnlichkeit findet.

Im gemeinen Leben weist man den Eigenschaften der Seele, des Herzens und des Geistes verschiedene Pläße an, obgleich sie nur verschiedene Offenbarungen dessen sind, was in uns vorgeht. Dasje: nige, was das Studium der Charaktere erschwert und unsere Urs theile über die Menschen so oft Lügen straft, sind die Kontraste. Man nimmt an, irgend eine Eigenschaft vertrage sich nicht mit diesem oder jenem Fehler, irgend ein Laster könne mit dieser oder jener Tugend nicht zusammen bestehen, und doch ist nichts häufiger als folche Gegenfäße. Der Eine bat ein gutes Herz und einen unfäbi gen Geist der Andere, wabrbaft böse und fäbig, Schlechtes zu thun, läßt sich durch ein rührendes Wort erweichen, wenn er anders Phantasie besitt. Gutgesinnte Menschen, denen aber die Empfindsamkeit gebricht, werden Euch bei Gelegenheit viel mehr an sich irre machen; denn sie haben keinen Begriff von dem, was Euer Inneres bewegt, wie unglücklich Jhr auch seyn möget, es müßte denn ein auffallendes Ereigniß zum Grunde liegen. Dergleichen Leute verstehen sich nicht auf Seelenleiden, denn nur zarten Seelen ist die Wünschelruthe gegeben, die immer nach der wahren Duelle deutet."

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Die Empfindsamkeit scheint mir in der geistigen Welt dieselbe Rolle zu spielen, wie das elektrische Fluidum in der physischen. Sie offenbart sich, wie Leßteres, unter verschiedenen Formen; sie wirkt rafcher, als der Gedanke: durch sie begreift und versteht eine Seele die Andere. Sie schwächt den Eindruck unserer Fehler, giebt unse ren Manieren einen eigenen Rei, und wäre fäbig, für die Mängel des Geistes schadlos zu halten. Js ste mit einer lebbasten Phantasie verbunden, so macht sie öfter uns und Andere unglücklich. Bei manchen Personen liegt sie auf der Oberfläche; bei Anderen ist sie wie pergraben; man muß stark anschlagen, um die Saite in Schwingung zu bringen; man verwundert sich, daß fie, ob zwar spät, doch wenig stene rein wiedertönt, was wir empfinden.

Die Gaben des Genies, die Talente find von Gemüth und Charakter unabhängig, denn man findet sie gleichmäßig bei den edelsten wie bei den unedelsten Naturen.

Man kann die guten und schlimmen Eigenschaften der Menschen tabellarisch ordnen, wie es der Botaniker mit den Gattungen der Pflanzen macht. Bei Abfaffung meiner Tabelle (stebe am Schlusse des Artikels) glaubte ich, zu bemerken, daß unsere Eigenschaften, gleich den Pflanzen, viel enger mit einander verwandt find, als man ges wöhnlich annimmt. Es foster auch keine so große Mübe, sie bald zu unterscheiden; man hat nur darauf zu achten, daß man sie wiederer kenne; dies ist das sicherste Mittel, um über sie zu urtheilen. Bei wichtigen Veranlassungen ist der Mensch auf seiner Hut; aber im täglichen Leben giebt es tausend kleine Indizien, die ein geübtes Auge nicht täuschen können.

Es wäre mir unmöglich, an der Seite eines Menschen zu leben, Deffen Charakter ich nicht zu fondiren gesucht bätte; ich würde eben die Angst füblen, die uns im Finstern ergreift, wenn wir von unbes kannten Gegenständen umgeben sind; und wirklich, es ist eben so natürlich, einen unerforschten Charakter zu fürchten, wie die Gefah ren eines Waldes; denn im ersteren Falle kann unser Lebensglück

1834.

aufs Spiel gefeßt werden, wie unser Leben im anderen. Sodann ist es nothwendig, daß wir uns mit denjenigen Perfonen vertragen, an die uns das Schicksal gekettet hat, oder wir dürfen nur solche Perfonen zu Gefährten wählen, mit denen wir uns vertragen können; ein dritter Ausweg ist nicht denkbar. Da man seine Freunde nicht so leicht auswählen kann, wie Stoffe zu Kleidern, so gilt hier folgende Regel: Kannst Du Deinen Mitmenschen nicht ändern, so bist Du wenigstens immer fähig, an Dir etwas zu ändern, um Dir seine Fehler erträglicher zu machen.

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Eine geistreiche Frau hat gesagt:,,Man muß sich mit seiner Stellung vertragen, mit seinem Bermögen, seiner Gesichtsbildung, seinem Geiste u. f. w." Wenden wir dies auch auf die Schwächen unseres Nächsten an; seven wir nicht gebieterisch gegen eigenmächtig Handelnde, nicht streitsüchtig im Umgange mit eigensinnigen und jähjoruigen Menschen; vernachlässigen wir nicht empfindliche Naturen; seven wir weder zu eilig bei Trägen, noch unentschloffen bei Unge buldigen; fügen wir uns nicht den Launen grillenbafter Leute; schmie den wir keine Projekte mit unentschlossenen Menschen; vermeiden wir eine Unterhaltung mit Langweiligen; erwarten wir nichts von Egoisten; vor Allem aber, legen wir unser Glück nicht in die Hände des Cbas rafterlosen, und tränken wir die Eigenliebe keines Menschen. Be weisen wir denen, die uns lieben, große Aufmerksamkeit und den Gleichgültigen große Höflichkeit, und wir werden mit aller Welt auss kommen.,, Nichts geht über den Genuß, Anderen Freude zu machen“, sagt irgend ein Schriftfteler;,,allein es giebt Menschen, an denen man diese Pflicht mit der Bernunft in der Hand erfüllen muß." Die verschiedenen Wirkungen jeder guten Eigenschaft und jedes Fehlers, wie ich sie auf der Tabelle verzeichnet babe, find ibren Arten nach unendlich, weil sie mit anderen Elementen in Bündniß treten, die sie nicht bloß anders gestalten, sondern vollkommen neu tralisiren können.

So ließe sich bemerken, daß die von der Güte abstammenden Eigenschaften neutralisirt werden, wenn die Habsucht eintritt; so wird die Verstellung durch den Aufruhr der Leidenschaft überwunden, das Wohlwollen durch Hochmuth, die Gerechtigkeit durch Egoismus u. f. w. Dhne Zweifel würde man auf eben dem Wege finden, daß die Ver einigung gewiffer moralischer Elemente, statt die Energie derjenigen, die vorwiegen sollten, zu schwächen, ibre Stärke noch zu erhöben strebt. Wenn z. B. Gerechtigkeit und Freigebigkeit in demselben Jnz dividuum einander begegnen, so wird die Wirkung der ersteren nur noch markirter seyn, während die Sparsamkeit sie behindern könnte. Die Sanftmuth wird immer begünßligt werden durch Faulbeit, die Sorglosigkeit durch Gleichgültigkeit, die Dekonomie durch Thätigkeit, die Freimüthigkeit durch Muth u. f. w.

Dem Allem nebengeordnet findet man die Modificationen, welche durch den Grad der Empfindsamkeit bedingt werden, und diejenigen, welche einer größeren oder geringeren Klarbeit der Vorstellungen, Raschheit der Auffassung, individuellen Empfänglichkeit und Lebhafs tigkeit der Phantasie ihr Daseyn verdanken.

Es giebt löbliche Eigenschaften, die in Fehler ausarten können, und umgekehrt; die größte Kunst der Erziehung besteht darin, der ersteren Metamorphose vorzubeugen und das Gegentheil zu begüns ftigen. Wenn es ganz unverkennbar ist, daß jedes Individuum” nas türliche Anlagen und angeborene moralische Züge bat, so darf man eben so wenig die Macht der Erziehung läugnen; damit aber Lestere wirke, muß sie fast im Augenblick der Geburt schon anfangen. Diese Wabrbeit, durch eine Frau entwickelt, die an Tiefe des Geistes eben so ausgezeichnet dasteht, als an Seelengröße, diese Wahrheit, fage ich, deren Befestigung und sieggekrönte Bertheidigung einer Frau vorbehalten war, ist mit einer anderen unzertrennlich verknüpft, welche dieselbe Schriftstellerin nicht minder glücklich entwickelt, daß man nämlich die Erziehung als etwas unser ganzes Daseyn Umfassendes betrachten müsse, d. b. nicht bloß mit Rücksicht auf unseren kurzen, irdischen Aufenthalt, sondern vornehmlich in Erwägung der sittlichen Bollkommenheit, der wir entgegen streben sollen, wenn die Unsterb lichkeit der Seele ein Gegenstand unserer Ueberzeugung ist, wie es doch unsere gegenwärtige und fünftige Glückseligkeit erfordert.

Ein febr merkwürdiger Umstand, der wohl beweisen könnte, daß die unseren Charakter bildenden Elemente von den geistigen Bermőgen ganz unabbängig sind, und daß unsere Meinungen gar keinen Einfluß auf dieselben ausüben, ist das mögliche Borbandenseyn ganz gleicher politischen oder religiösen Meinungen in den verschiedenartigsten Ebarakteren, ohne daß die letteren einander dadurch näher rückten. Man findet nicht einen individuellen Charakter beffer als

einen anderen geeignet, dieses oder jenes Prinzip, dieses oder jenes Dogma anzunehmen. Dagegen modifijiet sich die Meis nung nach dem Charakter, ja fie modellirt sich gewissermaßen nach demselben. So finden wir herrschsüchtige Liberale, nachsichtige Absolutisten, duldsame Strenggläubige und unduldsame Personen, die in religiöser Hinsicht lau sind. Wenigstens kann alles dies sich be: gegnen; die nämlichen Gründfäße, von einer zarten Seele und von einem falten Herzen aufgenommen, bleiben zwar unverändert, allein sie offenbaren sich sehr verschieden. Im ersten Falle ist keine Eng herzigkeit, nichts Abstoßendes denkbar; im zweiten das Gegentheil.

Handelt es sich von uns selbst, von dem, was wir ihun oder thun möchten, so leidet es keinen Zweifel, daß das, wozu man aufgelegt ist, wonach man sich sehnt, weit größeren Einfluß auf unser Räsonnement habe, als dieses Räfonnement auf unsere Handlungen.

Das Erste, was Einem begegnet, wenn man einen Charakter ers forscht, ist die Eigenliebe. Wie gering auch die Quantität Eigenliebe sey, die dem Menschen geworden, immer steht sie im Vordertreffen, jede Art von Angriff abwehrend. Die Eigenliebe würzt Alles, was von uns ausgeht, die Idee, welche unser Gehirn erzeugt, das Talent, welches wir besißen oder zu besißen glauben. Wir tragen eine Brille, die uns Alles lieblich erscheinen läßt, was zu unserer Persönlichkeit gehört; zum Unglück fehren wir ste um, wenn wir Ans dere betrachten, und alsdann zeigt sie nur Flecken und Schattensei ten. Bis dahin ginge es noch leidlich gut, da diese Seelenstimmung uns nichts als Zufriedenheit gewähren könnte; aber leider berient sich unser Nächster in Beziehung auf uns auch der Kehrseite seiner Brille und kann uns nicht verhehten, daß sie ihm etwas ganz Anderes zeigt.

Wir nehmen es sehr übel auf, daß er anders von uns denkt, als wir selbst, und dies giebt Anlaß zu Erbitterung und Abneigung. Sollte man diesem Umstand nicht den politischen Parteienhaß, und die Parteilichkeit der meisten, in solchen Fällen ausgesprochenen Urtheile beimessen?

So lange die hohe Meinung, die wir von unserem Selbst hegen, uns nur lächerlich macht, geht Ülles gut; gewöhnlich bemerken wir das Lettere nicht; allein der Eigendünkel treibt uns auch zum Handeln, und alsdaun werden wir nicht bloß schrecklich getäuscht, wir ftürzen uns oft, in Folge zweckwidriger Schritte und übel berechneter Unternehmungen, in wahres Unglück. Dieses Unglück kann weit um fich greifen, wenn ein öffentliches Interesse der Gegenstand unserer Täuschung ist, und wenn wir eine solche Stellung einnehmen, daß wir diese Täuschung auch auf Andere übertragen können.

Eine Charakterseite, die man eben so leicht bemerkt, als die Selbst: liebe, deren Gegensaß sie zu seyn scheint, is das Mißtrauen gegen sich selbst, und die mit demselben zusammenhangende Schüchterübeit. Diese Eigenschaft macht den Menschen sehr unglücklich; sie schadet feinen Unternehmungen, und zwar eben darum, weil er etwas gut ausführen möchte, aber den crsehnten Beifall nicht zu erlangen fürchte. Ich fand in dem Wahne, eme ängstliche Persen könne teinen entschiedenen Charakter haken; da ich jedoch die Bekanntschaft von Leuten machte, welche diesen Kontrast darboten, se erkläre ich mir das Paradoron in folgender Art: Die Besorgnis, ihren Zweck zu verfehlen, betraf gewöhnlich nur Dinge, die zum Vergnügen gehörten, und so war es nichts Außerordentliches, wenn sie in Fällen, wo die Urtheilskraft und manchmal das Gewissen zu einem Entschluß bestimmen fonnten, nicht mehr so großen Werth auf die Meinung Anderer legten.

Zwei Eigenschaften, die man leicht unit einander verwechseln kann, find Zurückhaltung und Kälte. Um sie zu unterscheiden, braucht man nur das Lächeln und den Blick einer Person zu beobachten. Die physiognomie falter Naturen bleibt sich immer gleichh, welches auch der Gegenstand der Unterhaltung sev; sind sie aber bloß zurückhaltend, so wird ihr Gesicht bei dem, was den Geist oder das Herz intereffirt, seine Gleichgültigkeit nicht bewahren können. Die zurückhaltenden Menschen haben den Vortheil über die, welche sich der Gesellschaft ganz bingeben, daß man ihnen für Alles, was ihnen entschlüpft, Dant weiß, und so auch für die Herrschaft, die sie gewöhnlich über sich selbst ausüben, denn diese Eigenschaft wird auch von denen ge schäßt, die sie nicht besißen. Die Freimüthigkeit erscheint als eine Tugend, wenn wir sie mit der Verstecktbeit vergleichen; allein sie darf auf diesen Titel nicht Anspruch machen, wenn sie gleich das Merkmal eines aufrichtigen Herzens ist. ,,Man soll niemals sagen, was man nicht denkt, aber nicht Alles sagen, was man denkt." (Schluß folgt.)

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Ueber die Erziehung der Blinden.
(Schluß.)

Bei den des Gesichts beraubten Personen erlangt auch das Ges fühl eine ausgezeichnete Feinheit; man könnte eine Menge Beispiele davon auführen. Der blinde Saunderson, Profeffor der Mathematif an der Universität Cambridge, besaß gründliche numismatische Kenntnisse. Er unterschied ohne Mühe ächt antike Medaillen von modernen, und oft nahmen erfahrene Liebhaber zu der Unfebibarkeit feines Studiums Zuflucht. Vor einigen Jahren lebte in Wien ein Blinder, der sehr ähnliche Büsten anfertigte, indem er die Züge einer Person betastete und so nachbildete. Dieser Blinde verfertigte die Büste des Vaters des jest regierenden Kaisers, und man zeigt sie noch in dem Kaiserlichen Museum als ein Muster frappanter Achn lichkeit.

Noch eine überraschendere Thatsache aber ist folgende: Ein Blin der, den man in einem geräumigen Lokal hinstellt, wird bei ruhigem

Better burch ben Druck der Atmosphäre auf sein Gesicht die Grade der Entfernung der ihn umgebenden Gegenstände angeben tönnen. Man könnte vielleicht glauben, daß das Echo sein Obr leitet; aber man hat sich durch wiederholte Bersuche überzeugt, daß ein Blinder mit verstopften Ohren nicht weniger genau angeben kann, ob er sich in der Nähe eines einigermaßen bedeutenden Gegenstandes befindet.

Man hat behauptet, daß die Blinden die Farben unterscheiden könnten; diese Behauptung ist falsch oder wenigstens sehr gewagt. Alle Blinde, die wir befragt haben, ob sie diese Fähigkeit befäßen, antworteten mit Nein und glaubten auch nicht, daß einer von ihnen sie jemals besessen babe. Wir wissen, daß in England ein junges blindes Mädchen lebte, welches den Ruf batte, die Farben unterscheiden zu können. Wir wollten uns von dieser Thatsache überzeugen, und Folgendes war das Resultat unserer Forschungen. Dieses junge Mädchen erkannte die Farben gewiffer Stücke Tuch, indem sie dies felben an die Lippen hielt. Man hatte sie ohne Zweifel gelehrt, daß einige Farben die Wärme schneller absorbiren als andere, so daß sle durch die stärkere oder geringere Wärme geleitet wurde, welche das Tuch ihren Lippen mittheilte. Dies ist das außerordentlichsie Beispiel von Feinheit des Gefühls, welches zu unserer Kenntniß gekom men ist.

Dieser Sinn, zu einem hohen Grade der Vollkommenheit ausgebildet, gewährt dem Blinden einen ungebeuren Vortheil beim Studium der Künste und Wissenschaften. Bermittelst des Druckes en relief stellt er die Schäße der menschlichen Kenntnisse in ihr Bereich. Die des Gesichtes beraubten Personen baben in der Regel besondere Neigung zu Studien des Nachdenkens und der Abstraction. Wir wollen nun untersuchen, ob die Blindheit sie verhindert, sich diesen Neigungen mit Erfolg hinzugeben. Als Grundsaß müssen wir aufstellen, daß es keine einzige Wissenschaft giebt, die man sich nicht ohne Hülfe des Gesichts zu eigen machen könnte. Wenn sich diese Wahrheit nicht schon aus der Natur der Sinne selbst ableiten ließe, so könnte man sie aus der Geschichte der Blinden beweisen, welche sich durch ihre wiffenschaftlichen Kenntnisse zu hohen Stellen hinaufgeschwungen haben. Alles, was wir lernen, könnten wir es nicht eben so gut lernen, wenn wir blind wären? Man sebe nur, welche gründliche und verschiedenartige Kenntnisse gewiffe Leute besißen, die nie aus den Mauern ihrer Geburtsstadt gekommen sind. Will man längs nen, daß das, was sie durch das Lesen von Büchern erlernt haben, nicht auch durch das lesen hören erlernt werden könnte? Wir geben noch weiter und behaupten, daß in diesem leyteren Fall der Geist schneller faßt und besser behält. Die Schnelligkeit, wit der wir eine Seite durchlaufen, und die Leichtigkeit, mit der wir nötbigenfalls darauf zurückkommen können, machen uns nachlässig und unaufmerksam. Unser Auge liest, ohne daß unser Geist es begleitet. Allesmacht es dagegen dem Blinden zum Gefch, aufmerksam zu seyn. Er weiß, daß die Stellen, welche er lesen hört, ibm nicht nach Gefallen wieder zu Gebote stehen; er ordnet sie in seinem Geist und findet fie dort, wenn er ihrer bedarf.

Wie hat Malte Brun, dessen geographische Arbeiten in der ganzen Welt einen so großen Ruf genießen, die Länder kennen gelernt, welche er so richtig beschreibt? Hat er etwa die Welt umsegelt? Nein, er bat sich eifrig solchen Studien hingegeben, zu denen der Besiß des Auges nicht unumgänglich nothwendig ist. Wie machen wir uns mit den Sprachen und Sitten fremder Länder bekannt, die wir niemals gesehen haben? Geschieht es nicht durch Mittel, weiche auch den Blinden zu Gebote steben? Schließen wir in der Mathematif nicht oft die Augen, um uns ungestörter mit einer schwierigen Frage beschäftigen zu können? Mit einem Worte, um mit Erfolg Gefchichte, Wissenschaften und Künste treiben zu können, muß man unaufhörlich nachsinnen und den Gedanken darch Reflexion zur Reisebringen Dinge, zu denen die Mitwirkung der Augen nicht erfor

derlich ist.

Man befrage nur die Annalen der Welt, sie sind mit Namen berühmter Blinden angefüllt. Wer kennt nicht Didymus von Alexandrien, Eusebius und Aufidius? Hat Cicero nicht den Namen seines Lehrers Diodotus der Nachwelt überliefert, der, nachdem er das Geficht verloren hatte, seine Studien mit nicht weniger glänzendem Erfolge fortsette?

Ohne zu den Jahrhunderten des Alterthums zurückzugeben, haben wir in unseren Tagen gesehen, daß Männer, froß der Hindernisse, welche die Natur ihren Anstrengungen in den Weg legte, sich zu den höchsten Reihen der Gesellschaft emporgeschwungen haben. Sauns derson, welcher im vorigen Jahrhundert lebte und Profeffor der Mathematik in Cambridge war, hatte in der Kindheit das Gesicht vers loren. Er hat ein Werk über die Elemente der Algebra herausgege= ben, welches Beweise enthält, dte die berühmtesten Mathematiker in Erstaunen gesezt baben. Das Bewundernswürdigste, was er aber hinterlassen hat, sind seine Abhandlungen über die Optik, über das Licht und die Farben.

Der ehrwürdige Doktor Blaklock war blind geboren, wie der be: rühmte Arabische Dichter Achmed Ben Soliman. Ein Zeitgenoffe Blakleck's war der Doktor Moves, Professor der Chemie in Manchester, der, obgleich in früher Kindheit blind geworden, doch reißende Fortschritte in den Wissenschaften machte. Er besaß besonders gründliche Kenntnisse in der Geometrie, in der Dptik, in der Algebra, in der Astronomie, in der Chemie und in den verschiedenen Zweigen der Philosophie. Jedesmal, wenn er in ein Zimmer trat, blieb er einige Minuten still und unbeweglich. Aus dem Geräusch ber Unterhaltung errieth er dann die Größe des Zimmers und die Zahl der Personen, welche sich in demselben befanden; seine. Berechnungen waren in dieser Beziehung von einer bewundernswürdigen Richtigkeit, und sein Gedächtniß täuschte ihn niemals. Jedermann kennt den Naturforscher Huber, der mit so vieler Genauigkeit und richtiger

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