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Zeugniß einer Nonne in Massa, welche mit der Angeklagten zugleich dieser einzige glückliche Revolutionair ebenfalls in London als Flüchtin einem englischen Haufe diente (ehe sie in den Orden der Selosialing lebte, wie so viele Andere? Wenn er A. Smith hieße, wie Kosnerinnen trat): wie jene dafür gesorgt, daß sie als strenge Katholikin suth in London, statt Kaiser Napoleon III.? Es wäre noch Alles leidFastenspeise erhalten hätte, obwohl die Augeklagte selbst damals schon lich, wenn nur Die darunter litten, die ihn so voreilig anerkannten(?), evangelisch war, aber den Grundsaß hatte: Jeder müsse die Pflichten wie Palmerston und andere Diplomaten; aber die Völker müßten die der Religion treu erfüllen, zu der er sich einmal bekenne! In An- Sünden derselben mit ihrem Hab und Gut bezahlen. Und wenn es sehung der angeschuldigten Profelytenmacherei zeigte der Vertheidiger, auch nicht zum chaotischen Morden en gros fömmt, das Rüsten, Fürchdaß die Zeugen, welche sich im Dienste der Angeklagten befanden, in ten und Horchen und die allgemeine Unsicherheit mordet mehr Thahohem Grade verdächtig wären, indem die eine sogar sich Bücher schen- ler, als die zum Leben brauchen würden, die sich im Kriege von Kuken ließ, die sie dann stets einem Franziskaner überlieferte. geln und Bajonnetten zerreißen lassen müssen.

Diese Rede wurde als Vertheidigungsschrift von dem eingangs erwähnten Salvagnoli und noch zwei anderen der bedeutendsten Rechtsgelehrten des Landes mit ihrer Beistimmung versehen und ist bereits in die englische Sprache überseßt.

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Inzwischen nahm der Gerichtshof das Verbrechen der Profely tenmacherei für bewiesen an und verurtheilte die Madiaischen. Eheleute auf den Grund des §. 60 des Gesezes vom 30. November 1786, den Mann zu sechsundfunfzig Monaten Zuchthaus und die Frau zu fünfundvierzig Monaten Arbeitshausstrafe, so wie in die Kosten; die Urtelegebühren wurden auf zweihundert Franken festgesezt. Auch nach ansgestandener Strafe wurde eine Frist von drei Jahren bestimmt, während welcher fie unter polizeilicher Aufsicht stehen sollten. Der Mitangefchuldigte Cofacci wurde freigesprochen, weil die Schmähungen auf die Religion innerhalb seiner Wohnung vorgefallen und keine Wirkung gehabt hätten, mithin das Verbrechen des Profelytismus ungeachtet der verderbten Gemüthsart desselben nicht konsumirt worden, doch folle der Verwaltungsbehörde von dieser Entscheidung Kenntniß gegeben werden, um etwanige Maßregeln veranlassen zu können. Bei den Madiaischen Eheleuten war angenommen worden, daß ihr Verbrechen dadurch konsumiri worden, daß die böse Absicht, die Reihen der von der Staatsreligion abweichenden Bürger zu verstärken, zur That übergegangen, indem dies in Gegenwart mehrerer Personen gefchehen und dadurch ein großes Aergerniß veranlaßt worden. Außer den anderen sechs Richtern hat dieses Erkenntniß der Präsident Nervini unterzeichnet, den 12. Juni 1852.

Da das angewandte Strafgeseß ausdrücklich verlangt, daß der Verbrecher öffentlich Grundfäße gelehrt habe, die der Staatsreligion widersprechen, so legte der Advokat Maggiorani das Rechtsmittel der Caffation bei dem obersten Gerichtshofe ein, indem er darin eine Rechtsverlegung fand, daß man in dem vorliegenden Falle eine solche Deffentlichkeit gefunden habe; besonders da das Gefeß verlangt, daß das Bergehen die öffentliche Ruhe gefährde. Er führte aus, daß das, was vorgebracht worden, nicht als eine öffentliche Handlung anzusehen; wo aber diese Oeffentlichkeit mangele, konnte der vom Gesez verlangte Schaden nicht geschehen, fehle der Thatbestand eines Verbrechens. Alles, was geschehen, sey in der Wohnung der Angeklagten vorgefallen. Der General-Advokat bei dem höchsten Gericht, Marzucchi, erwie, derte hierauf, daß, wenn zum ersten Male von der Anwendung dieses Gesezes die Rede wäre, er ganz der gründlichen und achtungswerthen Ausführung dieses ausgezeichneten Vertheidigers beipflichten müsse. Allein es sey einmal Gerichtsgebrauch, daß -wie von Rechtsgelehr ten bei dem Hochverrath behauptet worden durch den bloßen Conat schon das Verbrechen konsumirt worden. Hätte übrigens wahre Deffentlichkeit stattgefunden, so würde lebenswierige Einsperrung haben erkannt werden müssen.

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Der höchste Gerichtshof des Landes bestätigte am 7. August 1852 das vorliegende Erkenntniß, das auch jenseits der Alpen viele Freude bei denjenigen macht, welche glauben, daß da keine Revolutionen statt finden, wo recht viel geglaubt wird. Reigebaur.

England.

Literatur-Briefe aus England im Jahre 1853.
Erster Monatsbericht.
(Fortsegung.)

Es ist gut und natürlich, daß die Revolutionaire des Kontinents unterlagen; aber es ist schlimm, daß ein Einziger von ihnen, und durchaus nicht der Begabteste, mit Erfolg Revolution machte. Andere Revolutionaire machten blos einzelne Gegenden und kleinere engere Vaterländer” unsicher, dieser den großen Kontinent und England vor allen Dingen. Er, das Produkt einer Prätorianerwirthschaft, hat am Ende keine Wahl mehr und wird von seinen Prätorianern, die ihn erhoben, wie von einer Nemesis, getrieben, ihnen Beschäftigung und Nahrung zu geben. Wo will er mit seinen Soldaten und überzähligen Offizieren und Kadetten am Ende hin, als in den Krieg nach Belgien oder England? Wenigstens denkt man allgemein so in England und handelt danach; item man rüstet überall aus Leibeskräften und hat Fremden schon den Zutritt zu den Dock-Yards und Arsenalen verboten, damit sie nichts ausplaudern können. Wer dächte wohl an Krieg, wenn

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Doch wir wollen nun lieber dem Kaiser geben, was des Kaifers ist, und uns um ihn vorläufig nicht weiter kümmern, da unsere Taschen wenigstens nicht direkt für Bezahlung seines Purpurmantels und seiner Krone in Anspruch genommen werden, und uns lieber mit friedlicheren Dingen beschäftigen. Mitten in dem Rüstungslärme`taucht ein neuer Heiland und Messias, wenn auch nicht vom Jordan, so doch von der Spree hier an der Themse auf und predigt mit feurigen Zungen die Religion der That"; der edlen, in Liebe sich aufopfernden That, predigt die „Stamm-Religion“, nicht nur weil sie Grund und Wurzel aller anderen Religionen ist, sondern weil dieser Stifter und Verfasser der,,Religion der That" Dr. Stamm heißt. In seinem närrischen, heiß geschriebenen Buche findet man einige so große und kühne Ideen, daß man den Mann nicht ohne Weiteres als Narren und Schwärmer abweisen sollte. Blos daß er in London umberwiegelt, um ein Riesen-Meeting zusammenzubringen, dort die erste Gemeinde für die Stammreligion aller Völker und Religionen zu stiften und dann in alle Welt zu gehen und alle Völker der Erde mit zu erlösen, hat vorläufig etwas Närrisches. Ueberraschend ist, was er von den Juden zu sagen weiß. Sie haben, nach seiner Darlegung, das meiste Märtyrerthum in ihrer Geschichte, die meiste Religion der edlen That", sie sind berufen, in aller Welt zerstreut, die Religion der That, die alle Welt befreit und einigt, mit den eben so zerstreuten Germanen zu verwirklichen. Der ewige Jude, das ist die ewige Vernunft, die, zerstäubt und zerschlagen, sich immer wieder aufrichtet und immer wieder That ist und immer zuleht Sieger.

Das sind etwa die Hauptreminiscenzen aus dem rasch durchlau. fenen „Stamm"-Buche. Schwerlich wird der neue Heiland ein großes Meeting zusammen-, schwerlicher etwas Großes daraus hervorbringen. Aber das Ganze ist charakteristisch und nicht zu übersehen in einer Zeit, welche den Egoismus, das Handels- und Schacher-Prinzip, welches alle Nebenmenschen zu Mitteln und Werkzeugen des Gewinnens und Habens herabseßt oder sie gar nicht berücksichtigt und abstößt, bereits auf die Spiße getrieben zu haben scheint. Eine Reaction dagegen kann nicht ausbleiben. Die Menschheit kann es dabei nicht aushalten. Sie muß wieder etwas Warmes für das Herz, für Beziehungen von Einem zum Anderen haben. Die Reaction dagegen muß allerdings wie eine,,Religion der edeln That" klingen, der That, die ihre Beseligung im objektiven Erfolge, in der Aufopferung für Audere, für große Zwecke findet. Und so mag Dr. Stamm vielleicht die Ehre erwerben, Schöpfer des Stammes dieser heilsamen Neaction zu werden. Sporadisch und verkrüppelt oder vereinzelt existirt ja dieses Prinzip bereits in den mannigfaltigsten Formen, in Wohlthätig. keits- und philanthropischen Vereinen, im Humanismus, unten im Kommunismus und oben im Schuzzoll, im Sterben für's Vaterland, im ältesten Christenthume, in Huß, Sokrates, Curtius u. f. w. Es bleibt immer etwas Respektables, diese in zerstreuten, verkrüppelten Idealen und Bereinzelungen verehrten und bewunderten, kultivirten und erstrebten Beispiele des moralisch Erhabenen als Grund, und Stamm-Prinzip der neuen Menschen-Erlösung tapfer und stolz in die Welt hinauszuschreien, was auch im Uebrigen an Dr. Stamm seyn oder aus ihm werden mag.

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Bei dieser Gelegenheit werde ich an einen anderen Heiland vom germanischen Bøden erinnert, der schon einmal Deutschland erlöfte und die Städte vieler Menschen sah, ihren Sinn erkannte, ihre Festeffen besuchte und ihre Berehrung und Ehrenzeichen annahm, Johannes Monge, jest in London Stifter einer neuen Gemeinde, die in einer Art wissenschaftlicher Natur-Religion, in Anthropologie und Physik sucht, was sie in den bisher bestehenden Kirchen nicht fand. Auch wir gestatten Sedem, daß er nach seiner Façon selig werde", aber unendlich komisch bleibt es doch, zu sehen, was dieser ehemalige JoHannes-Kultus antediluvianischen Andenkens translozirt - hier für eine Rolle spielt. Da kommen alle Wochen zweimal aus ungeheuren Entfernungen Londons ein Dugend Deutsche und zwei Engländer zusam men, und der kleine Johannes stellt sich vor sie hin und redet zu ihnen in einer Sprache, die weder Engländer, noch Deutsche verstehen. Er selbst soll es für Englisch halten, den Deutschen kömmt's aber beinahe wie Deutsch und den Engländern, ganz spanisch vor. Ich weiß doch auch, was schlechtes Englisch ist, denn ich spreche es selbst, und zwar die W und Th und R noch immer ganz so, daß die Engländer darüber seine Re

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lachen, aber so etwas von Englisch, in welchem Johannes über

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ligion den Deutschen hier vorträgt, geht denn doch über Alles, was ich selbst leiste und oft genug von gebornen deutschen Zungen habe leißten hören.

Eine merkwürdige Macht dieses Englisch! Aus altem, schlechtem Deutsch und altem, schlechtem Französisch zu einem Kauderwälsch verwaschen, daß es Karl V. bereits zur Unterhaltung mit Gänsen em pfahl, ist es doch die einzige Sprache, in welcher die Preßfreiheit und Freiheit überhaupt, so weit sie unter Menschen möglich erscheint, ge deiht, und ist es die praktische Sprache aller civilisirten Welt und um die Erde herum, und ist es die Sprache, der sich jede andere unter wirft, sobald sie mit ihr in Konkurrenz tritt. Die Deutschen sprechen hier alle Englisch, sobald sie ein paar Jahre hier sind, und die Kinder der Deutschen lernen mitten in deutscher Unicrhaltung blos Englisch und das Deutsche erst künstlich ein Bischen hinterher. Und selbst diese Deutschen, die hier zu einem gemeinsamen Religions-Kultus zu sammenkommen, getrauen sich weder Deutsch zu sprechen, noch Deutsch mit anzuhören. Es schickt sich nicht. Es liegt in der Luft, daß man Englisch sprechen muß. Die deutschen Kinder lernen es ja hier beinahe, ohne ein Wort Englisch zu hören. Und das Deutsche, das akklimatisirte Deutsche hier zusammen sprechen, ist so stark mit Ang licismen und englischen Worten mit deutschen Affiren verseßt, daß es ein Germane des Mutterlandes schwerlich verstehen kann. Das Umgekehrte hat man noch nie gehört, daß Engländer in anderen Ländern fich hätten sprachlich unterjochen lassen. Sie lernen in der Regel gar nicht die Sprache der Länder, in welche sie kommen (welche ja deshalb auch überall für englische Kellner u. s. w. gesorgt haben), und warten, bis man ihnen Leute schickt, die ihnen ihre Pfunde und Pfund noten in englischer Sprache abnehmen.

Ueberall in der Welt steht der Germanismus an der Spige der Kultur, aber überall in seiner angelsächsischen Form und im steno graphischen Deutsch, welches auch Englisch heißt und welches der Deutsche fast nie lernt, selbst nicht mitten unter Engländern. Dabei denke ich mit Schrecken an das Englische, welches auf dem Kontinente gelehrt, gelesen, gesprochen und in Büchern beschrieben wird, wie es gesprochen werden soll. Ich hatte ziemlich viel Englisch gelernt, ehe ich nach England kam, und mußte deshalb erst Monate lang vor und umlernen, ehe ich von vorn anfangen konnte. Es ist entseglich, mit welcher Frechheit in Deutschland englische Lehr- und Aussprachbücher herausgegeben und verbreitet werden, Bücher, welche die Aussprache des Englischen in deutschen Worten und Lauten beiseßen, wodurch Schwarz in Weiß, ao in ä und noch Schlimmeres verwandelt wird. Abgesehen davon, daß keine deutschen Vokale und selbst Konsonanten dem Englischen jemals ganz entsprechen, dreht man diese Vokale oft ganz und gar um (und läßt es drucken. So und nicht anders wird es gesprochen. Diese ganze Methode, selbst wenn sie frei von den groben Schnißern wäre, ist barbarisch und unsinnig. Man kann die faktische Aussprache des Englischen nie und nirgends mit Buchstaben ausdrücken. Die englischen Worte, geschrieben und gedruckt, sind kaum mehr als Symbole des lebendigen Wortes, wie im Chinesischen. Für Wörter, wie bird, girl, well giebt es gar keine Möglichkeit, sie deut schen Sprachorganen beizubringen, als Hören, Sehen und Nachsprechen von Jugend auf. So ein Wort, mit deutscher Zunge ausgesprochen, wenn auch leidlich richtig, versteht der gewöhnliche Engländer gar nicht. Das w, eine große, tiefe Höhle, um welche man die Lippen legt und Luft hindurchbläst, das e (in diesem Falle) ein Quäfer mit breitkräm pigem Hute oder ein Getöse, wie es ein trogig aufschreiender garstiger

das wundervollste Bild zurückwirft, sondern dieses durch ihre Wogen auch noch bedeutend hebt und verschönert. Und wirklich ist auch längs Der ganzen sich lang hinziehenden östlichen Küste des Arms des Mittelländischen Meeres, der Italien von der griechischen Halbinsel trenut, das Grün der Citronen-, Oliven- und Orangenbäume, so wie anderer südlicher Pflanzen, nirgends so lachend, anhaltend und ausdauernd, als in der Gegend von Castel- Nuovo. Kömmt man jedoch aus dieser in der That paradiesischen Gegend in die eigentliche Bucht von Cattaro, so ändert sich plöglich die ganze Scene; ringsum thürmen sich Felswände von 4-5000 Fuß Höhe auf, die steil in's Meer hinabfallen, überall schwarze Schlünde und Abgründe zeigen und deren Gipfel bis in den Sommer hinein mit Schnee bedeckt sind.

Gleichwie in den Widersprüchen des Landes und der Pflanzenwelt findet man deren auch bis zum heutigen Tage in den Sitten, dem Leben der Einwohner der Cattarischen Gegend. Sie sowohl, als auch ihr Umkreis dient einem serbischen Stamm zum ausschließlichen Wohnsig, und außer der unter den Beamten gewöhnlichen italiänischen Sprache hört man daselbst keine andere; in den Niederungen jedoch treffen wir auf zahlreiche und in die Augen springende Unterschiede, so daß man sich in eine andere Welt versezt glaubt und denkt, man trete aus dem von Zeit und Ereignissen unberührt gebliebenen Alterthum in ein Land unserer Tage. Alterthum in ein Land unserer Tage. Im Küstenlande erheben sich fröhliche Städte, blühen Handel und Wandel; wo das Auge hinblickt, trifft es auf prächtige Paläste und Sommerhäuser, die von Seeleuten bewohnt werden, denen die Küsten Frankreichs und Englands eben so bekannt sind, wie diejenigen von Nord- und Süd-Amerika. Deshalb kann es auch nicht verwundern, wenn uns hier ein nicht erwarteter Reichthum von Anschauungen und Gedanken entgegentritt, den sich der Bocchese, 6. h. der Bewohner des Cattarischen Küstenlandes, mit seinem Schiffe in allen fünf Welttheilen gesammelt hat.

Treten wir aus dem kosmopolitischen Kreise der die Küsten bewohnenden Bocchesen in das Innere des Landes, zwischen die hohen Berge, wo die Pflanzenwelt ihr elendes Leben dem Felsen abringen muß, die vom Schnee verwehten Weiden dem Rindvich und den Ziegen nur elendes Futter geben und der Mensch auf den unfruchtbaren Feldern kaum nothdürftig seine Nahrung findet. Hier hat das Volk denn auch gleich eine andere, und zwar eine echt nationale Physiognomie. Da giebt es Menschen von fast riesigem Wuchs, kräftige, rauhe, aber doch schöne Gestalten mit eisenfestem Körper und einem Auge, in welchem wilde Hartnäckigkeit funkelt. Sprache und Sitten sind bei ihnen noch die nämlichen, wie zur Zeit, als Griechen und Römer mit ihnen ver kehrten, und auch ihr Anzug sieht noch eben so aus, als wenn sie unlängst erst die Gegend um den Ararat verlassen hätten. Den Kopf bedeckt der mit einem Tuche in Gestalt eines Turban umwundene oder mit Pelz verbrämte rothe türkische Feß, Hals und Brust sind entblößt; die übrigen Kleidungsstücke bestehen aus einem bequemen, kurzen Rock von weißem oder grauem Tuche (bielatsch), einem rothen breiten Gürtel, kurzen blauen Pluderhosen, die unter den Knieen mit einer Schnur zusammengebunden sind, wollenen mit farbigem Band umwundenen Strümpfen und aus verschiedenfarbigen Riemen geflochtenen Sandalen. Eine dick-zottige Decke mit einer Kapuze hängt auf einer Achsel und vertritt die Stelle des Mantels. So ging und geht der Tscherno gorze (Montenegriner), es mag Sonn- oder Werktag seyn. Seinem Porträt wurde ein wichtiger Theil fehlen, wollte man die Waffen vergessen, von denen er sich nie trennt. Sie sind: der Handschar, ein scharfes, krummes, langes Messer von Stahl, zwei reich ausge

Junge von acht bis neun Jahren ausstößt, und dann das 11, ein tiefer legte Kubury (

Abgrund bis tief in die Eingeweide hinunter, aus welchem man Luft
austreibt und sie vorn gleichsam um die Zunge herumtreibt und zu
Tode hezt, wie Achilleus den Hektor, wer könnte das Lehren, durch
Buchstaben ausdrücken oder nachmachen lernen, wenn er schon über die
Jünglingsjahre hinaus ist? An diesem well, an girls, birds und be
sonders auch am r erkennt der Engländer den Ausländer noch, wenn
er zwanzig Jahre lang in London Englisch gesprochen.
(Schluß folgt.)

Montenegro.

Geographisches über Montenegro.

Nach dem Böhmischen Museum.*)

Erreicht man das südliche Ende Dalmatiens zur See und läuft in den Meerbusen von Cattaro ein, so bietet sich dem Auge des Landenden ein eben so herrlicher als an Abwechslung reicher Anblick dar. Die Adria schneidet hier tief in das Land ein, indem sie theils den grünen Sammet üppiger Wiesen bespült, theils sich an hohen, schneebedeckten Bergen bricht und in ihrem glatten Spiegel nicht nur

so wie andere kleine Mordwerkzeuge, die im Gürtel stecken, und die an einem Riemen hängende lange Schareniza (Flinte) aus geschmiedetem Eisen und von der wundervollsten Arbeit. Dazu kömmt noch das lange Weichselrohr mit dem winzigen Pfeifentopfe, ein kleines Beutelchen mit dem Fischekluk (der Amunition) und die Duvan Kesa (der Tabacksbeutel). So wäre denn der Berg, bewohner fertig, und Leuten dieses Schlages begegnet man allerwegen in den Gebirgen des südlichen Dalmatiens und in der Gegend um Cattaro herum. Das Volk hat ihnen verschiedene Namen beigelegt, als: Kriwoschije, Gorbali oder Gorbljani, Majni, Pastrowizi u. s. w.

Das wäre denn das Bild Montenegro's in ethnographischer Hin ficht. Wir bezeichnen gern den erwähnten Länderkompler mit dem allgemeinen Namen Montenegro, wenn er auch zu Desterreich gehört, da wir dadurch gern andeuten möchten, daß das Cattarische Gebiet, wenngleich es durch den politischen Schlagbaum vom eigentlichen Montenegro getrennt, doch in keinerlei Hinsicht von diesem verschieden ist.

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Nach dem, was Vialla und andere Reisende über Montenegro und die Montenegriner geschrieben haben, sollte man glauben, daß das Land nichts weniger als ein slawisches sey und dessen Einwohner nichts mit den Südslawen gemein haben; ein Aufenthalt daselbst von nur einem Tage reicht jedoch, besonders für den Slawen, vollkommen zur Ueberzeugung vom Gegentheil hin. Die Tschernogorzen find in "der That mit den Südslawen, d. h. mit den Serben in Dalmatien, .....Bosnien, der Herzegowina und Albanien auf das engste, verbrüdert,

*) Vgl. Nr. 2 des Magazins über die historischen Verhältnisse der Montenegriner.

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und die Grundeigenthümer müssen unbestritten als echte Südflawen betrachtet werden. İnmitten der ganzen Länder und, so zu sagen, von ihnen umgeben, liegt das freie Montenegro, unter gleicher geographischer Breite mit Rom, Apulien und Korsika, und mit Stockholm, Danzig, Krakau und Pesth unter demselben Längengrade. Der Fußreisende durchläuft das ganze Ländchen bequem in fünf Tagen; wenn er im Norden bei dem Stadar-See beginnt und sich dann vom Cattarischen Meerbusen und Pastrowitje an der Küste östlich nach den Seter Ebenen wendet, sogar in zwei Tagen. Ueber Land und Leute ist schon viel geschrieben und gesprochen worden; hören wir, was der von Demetr Milakowitj im Jahre 1835 unter dem Titel Gorliza herausgegebene Kalender in dieser Hinsicht sagt: Der gegenwärtige Flächenraum Montenegro's kann zur Zeit nicht genau angegeben werden; annähernd beträgt er wohl an 200 Quadratmeilen,°) mit 100,000 Einwohnern, unter denen fich 50,000 streitbare Männer befinden, die jeden Augenblick in's Feld rücken können. Gleich ihren Nachbarn in Bosnien und der Herzegowina sind die Montenegriner serbische Slawen.

Tritt man zum nördlichen Thore Cattaro's hinaus, so gelangt man unmittelbar auf den zwischen dem Meere und einem sich von den hohen Bergen herabstürzenden Waffer gelegenen Bazar oder Markt. Einige hundert Schritte weiter beginnt die Montenegriner Straße, ein Weg, der sich gleich einer Schlange über die die Stadt überragenden Felsen windet und in einer Höhe von 4000 Fuß durch einen Hohlweg führt, den die Berge Geslingrad und Lowtjen bilden. Diese, so wie alle anderen des Cattarischen Gebiets, sind bis zum Sommer mit Schnee bedeckt und fallen so steil gegen das Meer ab, daß höchstens Ziegen an ihren Wänden hinanklimmen können. Die Westseite der Berge erscheint von weitem schwärzer als Kohle und berechtigt deshalb vollkommen zu der Benennung Montenegro, slawisch Tscherná gora, d. h. schwarzer Berg, den das Land trägt, wenngleich die Geschichte diese Ableitung nicht gelten lassen will und den Ursprung des Namens in Jwan Tschernojewitj, dem Gründer des Ländchens, fucht. Als Beweis dafür führt man unter Anderem das Flüßchen Tschernowitja) an, das gleich manchen anderen Schluchten und Höhlen den Namen des Helden trägt, der noch heute im Munde des Volkes lebt. Alle Berggipfel, welche die Cattarische Bucht umgeben und vom Meere aus schon von weitem sichtbar sind, gehören zu Montenegro.

Den erwähnten Weg noch Montenegro schlagen beinahe alle Reisende ein, da er selbst zu Pferde gemacht werden kann und über Zetinje und Rjeka beinahe bis zum Skadarischen See (See von Skutari) führt. Das erste Dorf, welches man auf dieser Tour berührt, ist Njeguschi, die weitläufige und reiche Besißung der regierenden Familie, von der selbst der Wladika (Herrscher) den Namen, nämlich Njegosch, trägt. Sie zieht sich als ein meilenlanges Thal von Westen nach Often zwischen den Bergen Kretaz und Schanik und bildet einen von Felsen eingeschlossenen Keffel. Auf den ersten Blick zeigt sich uns die selbe Gebirgsphysiognomie, welche dem illyrischen Zuge eigen ist, der sich als Wetebit von Görz und Triest aus längs des kroatischen Küstenlandes durch Dalmatien bis nach Albanien zieht. Um das Nje guscher Thal herum liegen in den Bergen zerstreut noch die Ansiedelungen Wrba, Dugido, Welikraj, Rojtschewitji und Kopito. Ein Gieß bach fehlt; die Gewässer des Frühlings laufen, wie überall in diesen Bergen, unterirdisch ab.

hat man den Schanik in östlicher Richtung überschritten, so ge langt man in ein zweites Thal, in dem Zetinje, die Residenzstadt des Wladika, liegt. Ein einstöckiger Palast von 30 Fenstern, mit einem von einer Mauer umgebenen, viereckigen Hofe, in dessen Winkeln Thürme mit Schießscharten und in der Mitte desselben vier von den Türken erbeutete Geschüße stehen, die Wohnung des Archimandriten oder Kirchen-Obersten, und die zehn unscheinbaren Häuschen der Senatoren, das ist die Hauptstadt des Reiches, die Residenz des Fürsten. In der Zerkjew (Kirche) ruhen die irdischen Reste des früheren Wladika, Peter, den das Volk als Heiligen verehrt. Im Jahre 1478, also kurz nach der Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen, stiftete Zwo Tscherni (der Schwarze) nach Zerstörung der Stadt Schablak das Zetinjer Kloster, in das sich der Archimandrit mit seinen Leuten zurückzog.

Aus dem Zetinger Thale führt der Weg öftlich weiter durch die Dörfer Dobro und Strugari nach dem Dorfe Rjeka, von dem der ganze Kreis den Namen hat. Beinahe in derselben Richtung, nur etwas mehr füdlich, dehnt sich nach dem Skader See zu, in den auch das kleine Flüßchen Tschernojewítja mündet, abermals ein Thal aus.

*) Die Gazzetta di Zara vom 11. Oftober 1838 nimmt 80-90, Paitsch und Scherb 65 Quadratmeilen, Petter sogar nur 300 italiänische Quadratmeilen an.

**) Die slawischen Namen find so geschrieben, wie sie im Deutschen aus gesprochen werden.

Fruchtbare Felder und ein ergiebiger Fischfang machen das Rjeker Gebiet zu einem wohlhabenden; der Montenegriner Handel, vorzugsweise der mit Süßwasserfischen, hat hier feinen Sig, und seine Abzugsquelle auf dem angegebenen Wege nach Cattaro.

Das von Norden nach Süden fließende Flüßchen Seta theilt Montenegro so ziemlich in zwei gleiche Theile. Der westliche gegen Dalmatien zu gelegene - Montenegro in engerer Bedeutung - umfaßt den Katuner, Tschermnitscher, Njeker und Leschaner Kreis, der öftliche dagegen, der erst später dem Lande einverleibt wurde und Berda heißt, diejenigen von Piperi, Bjelopawlitschki, Kutschi und Rowtji mit der Moratscha.

Die seit den ältesten Zeiten bewohnten Thäler um die Seta und Moratscha herum gehörten zu den Zeiten der Römer zur Provinz Jllyricum; der westliche Theil Montenegro's wurde jedoch erst lange nach der berühmten Schlacht auf dem Koffower Felde (1389), wo das serbische Zarenreich der Macht des Halbmondes unterlag, nämlich im funfzehnten Jahrhunderte, bevölkert. Sieger und Besiegte lagen von da an in fortwährendem Kampfe, ein Kreis nach dem anderen entzog sich dem türkischen Joche und dem drückenden Haradsch, bis endlich, 1777 nach der Schlacht an der Krassa, Rußland und Oesterreich stilschweigend die Unabhängigkeit Montenegro's anerkannten, und dieses sich als selbständiger Staat organisirte.

Mannigfaltiges.

- Englische Ruderer auf der Donau. Im vorigen Jahre machte durch die deutschen Zeitungen eine Nachricht die Runde, wonach drei Engländer in Folge einer Wette die Reise auf einem Ruderboote von London nach Konstantinopel gemacht hätten, wobei sie über den Kanal nach Rotterdam und dann den Rhein hinauf, über den Main, den Main - Donau-Kanal und die Donau gefahren und endlich über das Schwarze Meer an das Ziel ihrer Reise gelangt wären. An dieser Nachricht, die besonders von Wiener Blättern in ihrer Weise ausgeschmückt wurde, ist allerdings nicht Alles wahr gewesen, aber doch ein gutes Stück, wie aus einem jezt gedruckt vorliegenden Reiseberichte hervorgeht. „Die Wasserlilie auf der Donau,“ heißt dieser Reisebericht, dessen weitere Ueberschrift allerdings die jedoch durch den Inhalt des Berichtes selbst widerlegte Prahlerei von einer Seereise des kleinen Ruderboots im Publikum gern verbreiten möchte.") Die „Wasserlilie", ein aus Mahagoniholz gezimmertes Boot für zwei Ruderer und einen Steuermann, ohne Segel, aber mit dem Union - Jack (die englische Flagge) geschmückt, war von einem Dampfboote nach Köln gebracht worden, von wo die drei Gentlemen - unstreitig Mitglieder des Rowing Club - zunächst einige Ausflüge auf dem Rhein, dem Neckar und der Mosel unternommen hatten, was Einer der Reisenden in der unter dem Titel „,The Log of the Water Lily" erschienenen Broschüre beschrieb. Aufgemuntert durch den Erfolg, unternahmen sie nun auch die Fahrt auf der Donau, aber nur bis Pesth und nicht nach Konstantinopel, wie die Passauer und die Wiener Zeitungen leichtgläubig gemeldet hatten. Zu diesem Zwecke hatten sie ihr kleines Ruderboot, abermals vermittelst eines Dampfschiffes, nach Kizingen am Main kommen lassen, von wo sie diesen Fluß hinauf nach Bamberg fuhren, hier in den Main-Donau-Kanal einliefen und bei Nürnberg vorüber nach Weltenburg an der Donau ruderten. Ihre Mühseligkeiten und Gefahren auf dem leßtgedachten Strome selbst waren allerdings sehr groß, wenn nämlich ihre Schilderungen nicht eben so übertrieben sind, wie z. B. der Titel ihres Buches und ihre Darstellungen der bayerischen und österreichischen Kleinbürger, denen fie, nach ihrer Versicherung, die seltsamsten und unglaublichsten Dinge aufgebunden haben. Nachdem man sie auf ihrer Nußschale an den Stromfällen bei Regensburg und Paffau, so wie am „,Strudel“ und „Wirbel" bei Grein, mitten in Sturm und Regen, ohne Lootsen und unter Aufsuchung gerade der klippenvollsten Stellen, hatte vorübergleiten sehen, konnten sie die ländlichen Bewohner wohl leicht glauben machen, daß sie nach Konstantinopel und von da durch das Mittelländische Meer und die Meerenge von Gibraltar nachhause rudern wollten. Auf der ungarischen Donau haben sie sich übrigens gleichwohl gehütet, in die Nähe des sogenannten „eisernen Thores" zu kommen, und so verkauften fie in Pefth ihre „Wafferlilie“, wie es viele Schiffer mit ihren Fahrzeugen machen, welche von der oberen Donau dorthin mit HandelsArtikeln kommen.

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Wöchentlich erscheinen 3 Nummern. Preis jährlich 8 Thlr. 10 Sgr., halbjährlich 1 Thlr. 20 Sgr. und vierteljährlich 25 Sgr., wofür das Blatt im Inlande portofrei, und in Berlin frei ins Haus geliefert wird.

No 17.

für die

Bestellungen werden von jeder deutschen Buchhandlung (in Berlin bei Beit u. Comp., Jägerftr. Nr. 25, und beim Spediteur Neumann, Niederwallstr. Nr. 21), so wie von allen königl. Post-Uemtern, angenommen.

Literatur des Auslandes.

Frankreich.

Jean Jacques Rousseau.

(Nach St. Mare Girardin.)

Berlin, Dienstag den 8. Februar

II. Rousseau und Voltaire im Kampfe.") Solcher Art waren die Arbeiten oder vielmehr die literarischen Exercitien Rousseau's bei seiner Rückkehr nach Paris. Er hatte sich vorgenommen, wieder nach Genf zu gehen, ja, er hatte sogar Lust, sich daselbst niederzulassen. Er verzichtete darauf, sagt er in den,, Confessious", weil die Widmung seiner „Abhandlung über die Ungleichheit" nicht nach Wunsch aufgenommen worden; nichtsdestoweniger war es doch eigentlich ein anderer Grund, der ihn hauptsächlich bestimmte, Genf zu entsagen, nämlich die Niederlassung Voltaire's in der Nähe dieser Stadt. Ich erkannte, daß dieser Mann eine Revolution dort hervorbringen würde, daß ich in meinem Vaterlande den Ton, die Art und Weise und die Sitten wiederfinden würde, die mich eben aus Paris verjagten, daß ich ohne Unterlaß würde kämpfen müssen, und daß ich im meinem ferneren Leben und Betragen nur die Wahl zwischen einem unerträglichen Pedanten und einem lässigen, schlechten Bürger haben würde." Rousseau hegte gegen Voltaire ein Bischen den Haß des Armen gegen den Reichen; nicht daß er ihm seinen Reichthum beneidete, noch auch, daß er es nicht verstanden hätte, mitunter in bestem Behagen bei den reichen und großen Herren seiner Zeit zu leben. Was er an Voltaire am meisten verabscheute, war die gemächliche Ungezwungenheit, das Glück und die Macht, die ihm sein Vermögen gab, Vorzüge, die allzu sehr von dem schüchternen und genirten Wesen Rousseau's abstachen. Einem wohlwollenden großen Herrn gegenüber empfand Rousseau, der seine geistige Ueberlegenheit fühlte, durchaus keine Unterordnung nach Vermögen und Stellung: er fand von der anderen Seite das Gleichgewicht wieder. Dagegen Voltaire gegenüber fühlte er sich zwar an Genie ihm gleich, aber in allen anderen Punkten untergeordnet. Ich weiß allerdings, daß diese anderen Punkte, welche sich auf die irdischen Glücksgüter beziehen, von einem Philosophen verachtet werden können und müssen; aber man verabscheut auch häufig bei den Anderen die Güter, die man für sich selbst verachtet. Es sey uns nun gestattet, in Kürze die Beziehungen zwischen Voltaire und Rousseau darzustellen.

Bekanntlich war die Stadt Lissabon im Jahre 1755 zur Hälfte von einem Erdbeben zerstört worden. Voltaire, welcher stets auf alle Katastrophen und Uebel der Menschheit lauerte, um daraus Argumente gegen die Religion zu schöpfen, verfehlte nicht, auch diese Gelegenheit zu ergreifen, und verfaßte ein Gedicht über das Erdbeben in Lissabon, worin er den Sah Leibniz's und Pope's, daß Alles gut fey, lebhaft angriff. Es geschah dies keinesweges, weil Voltaire etwa nicht an Gott glaubte; aber ich möchte sagen, daß Voltaire, um mein Beispiel der Geschichte der parlamentarischen Regierungen zu entlehnen, den lieben Gott der Art liebte, wie manche Leute in der Opposition den König liebten, das heißt, unter der Bedingung, ihm von Zeit zu Zeit einen üblen Streich spielen und seine Regierung nach Gefallen kritisiren zu können. Voltaire schickte sein Gedicht an Rousseau, weil sich diese beiden großen Männer damals noch Höflichkeiten erwiesen; aber diese Sendung war vom Ueblen. Rousseau verstand in Bezug auf Gott keinen Spaß; er liebte ihn und glaubte an ihn von ganzem Herzen. Eines Abends ergingen sich die Schöngeister der Zeit in dem Salon der Mademoiselle Quinault mit vollem Behagen in Angriffen gegen die Religion. Madame Epinay, welche die Scene erzählt,,,bat, da sie fürchtete, man möchte alle Religion zerstören wollen, wenigstens für die Naturreligion um Gnade. Nichts hiervon, sagte Saint-Lambert, sie verdient diese Gnade so wenig wie alle anderen; was ist ein Gott, der ärgerlich Mademoiselle Quiwird und sich gelegentlich wieder besänftigt?

nault: Aber sagen Sie mir doch, bester Marquis, wollen Sie denn Atheist werden? Bei seiner Antwort wurde Rousseau verdrießlich und murmelte etwas zwischen den Zähnen; man spöttelte hierüber. — Rousseau: Wenn es eine Erbärmlichkeit ist, zu dulden, daß man von

*) Vgl. Nr. 10 des Magazins.

1853.

einem abwesenden Freunde Schlechtes sagt, so ist es ein Verbrechen, zu dulden, daß man Schlechtes von seinem Gotte sagt, der da gegenwärtig ist, und ich, meine Herren, ich glaube an Gott."

Nachdem Rousseau sich auf solche Weise bei Mademoiselle Quinault für Gott bekannt hatte, zögerte er keinen Augenblick, die göttliche Vorsehung gegen die Argumente und Sarkasmen Voltaire's zu vertheidigen.

Ihr sagt, daß Alles gut und Alles sey vonnöthen! schrieb Voltaire in seinem Gedicht;

Wie? War' das ganze All wohl schlechter anzuseh'n,
Wenn solch ein Unheil nicht in Lissabon gescheh'n?

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In Demuth wünscht' ich nur, - ich lästre nicht den Herru,
Es hätte dieser Pech- und Schwefel-Abgrund fern
Im Wüstensand entflammt der wilden Feuer Schwall.
Ich liebe meinen Gott, doch lieb' ich auch das All.
Wenn sich der Mensch erkühnt und solches Leid beklagt,
It's nicht sein Stolz, nein, fein Gefühl nur spricht und zagt.
Würd' Jenen dort, den Armen, deren Stadt verheert,
Jumitten ihres Leids ein Trosteswort gewährt,
Spräch' Einer ihnen so: Stürzt hin und geht zu Grabe!
Zum Heil der Welt zerfällt in Trümmer Eure Habe;
Baläste baut allhier dereinst ein and'rer Arm;

In Euren Mauern haust einst and'rer Völker Schwarm;
Durch Guren Untergang gewinnt der Nord sich Schäße,
Ein Gut ist Euer Leid im großen Weltgefeße!

Wie sehr diese Art, gegen die Vorsehung zu polemisiren, Voltaire gefallen habe, läßt sich aus dem Umstande schließen, daß er sie in der Vorrede seines Gedichtes abermals aufnimmt, und wenn wir hier einige Wendungen dieser Vorrede citiren, so geschieht dies, weil die stets lebendige und pikante Prosa Voltaire's durch ihren Gegensaß am besten begreifen läßt, was seiner Poesie so oft abgeht: „Wenn unsere Philosophen, als Lissabon, Mequinez, Tetuan und so viele andere Städte mit einer so großen Zahl ihrer Einwohner im November des Jahres 1755 zerstört wurden, den Unglücklichen, die nur mit Mühe dem Untergang entflohen, zugerufen hätten: Alles ist gut! die Erben der Todten werden ihr Vermögen vermehren, die Maurer werden durch den Neubau der Häuser Geld gewinnen, die Thiere werden sich von den in den Trümmern begrabenen Leichen nähren! es ist Alles nichts, als die nothwendige Wirkung der nothwendigen Ursachen, Euer besonderes Einzelunglück ist nichts, Ihr tragt zu dem allgemeinen Guten bei! wenn, sagen wir, unsere Philosophen so gesprochen hätten, so wäre diese Rede sicher eben so grausam gewesen, wie das Erdbeben ein furchtbares Unglück war, und das ist es hauptsächlich, was der Verfasser des Gedichtes über das schreckliche Geschick Lissabons sagt.“

Wenn Voltaire sagen will, man solle denen, die so eben nur mit Mühe dem Ausbruch eines Vulkaus oder einer Pest entronnen sind, nicht predigen: Alles sey gut, so hat er vollkommen Recht; aber soll man diesen denn auch predigen: Alles sey schlecht? Dieses scheint mir keinesweges vernünftiger zu seyn; man muß den Unglücklichen weder sagen, daß sie zufrieden seyn sollen, was unmöglich ist, noch auch, daß sie unzufrieden seyn und sich über die Vorsehung beklagen sollen, denn dieses würde ihnen mindestens nichts nüßen; sie würden dadurch nur die Kraft der Resignation verlieren, welche das einzige Heilmittel für unverbesserliche Uebel ist. Was sagt ihnen Voltaire also? denn nachdem er Jene, welche Alles für gut ausgeben, kritisirt hat, will doch auch er nicht geradezu behaupten, daß Alles schlecht sey. Er sagt, daß Alles unbestimmt und zweifelhaft sey; ein sehr bequemer Schluß, der freilich die, welche den Vulkanen oder der Peft entgingen, nicht sonder lich trösten wird.

Was denn vermag der Geist mit seinem kühnsten Flug?
Ein Nichts! Verschlossen liegt vor uns des Schicksals Buch.
Der Mensch ist fremd fich selbst, von Menschen nicht gekannt.
Was bin ich denn? Wo komm' ich her? Wo halt' ich Stand?
Ein wirr Atomgemisch auf diesem Haufen Staub,
Mit dem das Schicksal spielt, das einst des Todes Raub,
Und das doch denkt und, von des Denkens Kraft beschwingt,
Mit seinem Blick die Himmel mißt, den Raum durchdringt,

--

So steh'n wir da im All, indeß umsonst wir brennen,
Unseinen Augenblick zu seh'n und zu erkennen!

Das sind allenfalls leidliche Verse, aber armselige Tröftungen. Nichtsbestoweniger beruht hierauf das ganze System Voltaire's über die Vorsehung, ein System übrigens, welches sich sehr leicht in ein chriftliches umgestalten ließe, wenn man nur ein einziges Wort hinzufügte; und Voltaire ermangelt keinesweges, dieses Wort hinzuzufügen, wenn er es für seine Sicherheit dienstlich hält. Was Voltaire den auf unserem ganzen Daseyn ruhenden Zweifel nennt, ist nichts Anderes, als das Geheimniß des menschlichen Lebens, wie es der Christ auffaßt, und das er durch den Glauben und durch die Hoffnung löft, die er auf seinen himmlischen Vater seßt. Wo der Philosoph zweifelt oder im Unbestimmten verharrt, hofft der Christ. Es ist dies ein und dasselbe Verhältniß, aur das Gefühl weicht dabei von einander ab.

Sehen wir nun, was Rousseau über das große Problem der Eristenz des Bösen in der Welt fagt. Er beginnt mit einer sehr geistvollen Analyse des Gedichtes von Voltaire, welches Pope und Leibniz vorwirft, daß sie unserer Uebel spotten, indem sie behaupten, Alles sey gut, und welches das Bild unserer Leiden der Art übertreibt, daß es das Gefühl für fie vergrößert. Statt der Tröftungen, die ich hoffte", sagt Rousseau,,,quälen Sie mich nur; es ist fast, als fürch teten Sie, ich möge nicht hinlänglich sehen, wie sehr ich unglücklich bin, und es scheint, als glaubten Sie, mich zu beruhigen, indem Sie mir beweisen, daß Alles schlecht ist. . . . . Das Gedicht Pope's mildert meine Leiden und leitet mich zur Geduld; das Ihrige verschärft meine Qual, erregt mein Murren und führt mich, indem es mir Alles außer einer erschütterten Hoffnung raubt, zur Verzweiflung."

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Voltaire und Rousseau, beide hatten sich einen Gegner gewählt, den sie bei jeder Gelegenheit angriffen: Voltaire den lieben Gott, Rousseau die Gesellschaft. Wie Voltaire das Erdbeben von Lissabon dem lieben Gott vorwirft, so legt es Rousseau der Gesellschaft zur Last. Die Stelle klingt wunderlich: „Sie werden gestehen müssen“, sagt er zu Voltaire, „daß, wenn man in Lissabon nicht zwanzigtausend sechs- bis siebenstöckige Häuser angehäuft hätte, und wenn sich die Einwohner dieser großen Stadt weiter zerstreut und bequemer logirt hätten, die Verheerung weit geringer, ja, vielleicht ganz unbedeuganz unbedeutend gewesen wäre .... Sie sprechen den Wunsch aus, das Erdbeben hätte lieber in einer Wüste, als in Lissabon stattfinden sollen. Kann man zweifeln, daß nicht auch in den Wüsten dergleichen Erscheinungen vorkommen? Aber wir sprechen nicht davon, weil sie den Herren der Städte, den einzigen Menschen, um die wir uns beküm mern, keinen Schaden thun. Sie schaden selbst nicht einmal den Thie ren und den Wilden, welche diese entlegenen Orte da und dort zerftreut bewohnen, und die weder den Einsturz der Dächer, noch das Abbrennen der Häuser fürchten; was bedeutet nun aber ein solches Privilegium? Soll man wohl sagen, die Ordnung der Welt müsse sich nach unseren Launén umwandeln, die Natur müsse unseren Gesehen unter worfen werden, und daß wir nur da eine Stadt zu bauen brauchten, wo wir ihr ein Erdbeben zu untersagen wünschten?" Es ist ein wunberliches Ding um die Verblendung eines in ein System eingepferch ten Geistes! er bezieht Alles auf seine fire Idee. Das Erdbeben von Lissabon ist nach dem Einen die Schuld der Vorsehung, nach dem Anderen die Schuld der Gesellschaft!.

England.

Literatur-Briefe aus England im Jahre 1853.
Erfter Monatsbericht.

(Schluß.)

In London hat lange eine gelehrte, linguistisch puristische Gesellschaft bestanden, welche den Zweck hatte, die Aussprache des Englischen und die Schriftzeichen in Einklang zu bringen, d. h. so zu schreiben, wie gesprochen wird, und sie hat auch einige Sachen versuchsweise nach diesem Prinzipe drucken laffen; aber man hat bald einge sehen, daß es nicht durchzuführen ist. Man müßte denn beinahe eber so viel Vokalzeichen erfinden und gießen lassen, als es Worte gieb wobei auch wieder eine Art Chinesisch herauskäme. Das Englische ift einmal praktisches Leben mit allen seinen häßlichen und unschönen Gebilden, es läßt sich nicht in todten Worten plastisch wiedergeben. Jedes Wort ist ein lebendiges Blatt an des Lebens grünem, goldenem Baume. Mag oft eines wie das andere erscheinen, jedes hat und behauptet seine besondere Individualität, auch schon deshalb, weil sonst bei den vielen scheinbaren Gleichlauten die Engländer selbst aus Mißverständnissen unter einander nicht herauskämen.

Uebrigens rächt sich Deutschland hier gehörig für das schlechte Englisch, was zuhause gelehrt wird, und bringt den Engländern ein Deutsch bei, das vielleicht dem lezten polnischen Bauern an der ruffischen Gränze zu schlecht seyn würde. Ich denke nur an einen gewiffen Lebahn, der in London als einer der ersten Sprachlehrer gilt und unendlich viel Lehrbücher und klassische Werke mit Noten für die Engländer herausgegeben hat, ohne daß er selbst grammatisch oder phonisch richtig sprechen kann. Er handelte einft mit Band in HinterPommern und ist jeßt erster Profeffor der deutschen Sprache in London. Blos in wirklich gebildeten Kreisen und durch unzählige Flüchtlinge, die den gebildeten Ständen angehören und hundertweise Lehrer geworden, ist es neuerdings besser geworden.

Dies gilt übrigens Alles blos für den großen Wochenmarkt des Lehrens und Lernens und schließt eben so wenig gründliches Studium und Verstehen des Deutschen unter Engländern aus, wie tüchtiges Lehren von seiten Deutscher. Es werden stets viele gute, besonders wissenschaftliche und historische Bücher aus dem Deutschen übertragen und gelesen. Ich habe schon Engländer getroffen, die besser bewandert waren in Schiller und Goethe und anderen deutschen Autoren, als ichh selbst, eben so wie wir zuhause oft den Shakespeare beffer kennen, als die Engländer. Wir lesen einen modernen, schön überseßten Shakespeare, die Engländer einen sprachlich und anderweitig antiquirten, den fie deshalb auch im Durchschnitt nicht so gut verstehen, als wir unseren deutschen(?). — Unter den Uebersehungen aus dem Deutschen habe ich mir zufällig Herrn Ranke's sechzehntes und fiebzehntes Jahrhundert" und Müffling's Memoiren angesehen. Daß fie Alles übersehen, was Humboldt, Liebig und berühmte Männer anderer Wissenschaften geschrieben haben und schreiben, versteht sich. schrieben haben und schreiben, versteht sich. Und was den unglücklichen, berühmten deutschen Botaniker betrifft, so werden sie wohl bereits sein ganzes wissenschaftlich-werthvolles Herbarium für eine jede Erwartung des Eigenthümers übersteigende Summe „übertragen“ haben.

In belletristischer Beziehung machen die,,Memoiren der Herzogin von Angoulème", herausgegeben von Mrs. Romer, einiges Aufsehen (,,Filia dolorosa: Memorials of the Duchess of Angoulème"). Der sen timentale Ton, der darin in weiblicher Weise durchklingt, macht das Buch in feineren Kreisen um so anziehender, als zugleich der tragische Inhalt keine Dichtung, sondern bittere, thatsächliche Wahrheit ist. Die Philologie hat in Noel Humphrey's Ursprung und Entwickelung der Schreibkunst" (,,The Origin and Progress of the Art of Writing") eine gesunde, werthvolle Bereicherung gefunden. Das Werk ist mit vielen Schriftproben und anderen Illustrationen ausgestattet, welche den wissenschaftlichen Tert anmuthig erläutern. Unter den namenberühmten Erscheinungen macht schon jezt die neue Arbeit der Frau Beecher Stowe von sich reden. Sie schreibt einen „Schlüssel zu Onkel Tom's Hütte" (,,Key to Uncle Tom's Cabin"), d. h. die That fachen, Erlebnisse, Erfahrungen, Geseze u. f. w., welche ihrem Werke und der Sklaverei in Amerika zu Grunde liegen. Die Buchhandlung von Clarke kündigt es mit der Notiz an, daß sie der Verfasserin für die,,Hütte" bereits 2500 Pfund, über 17,000 Thaler, geschickt habe. Sie, die Frau eines armen Privatgeistlichen, schrieb die berühmte

Nachdem Rousseau seiner üblen Laune gegen die Städte, welche die Freiheit der Erdbeben behelligen, Luft gemacht, kömmt er zu dem von Voltaire so heftig angegriffenen Saße, daß Alles gut sey, und er beginnt mit der sehr richtigen Sonderung zwischen dem besonderen Nebel, dessen Existenz kein Philosoph jemals geleugnet hat, und dem allgemeinen Uebel oder Bösen, welches der Optimismus in Abrede stellt. Es handelt sich nicht darum", sagt Rousseau, „zu wiffen, ob Jeder von uns leidet, oder nicht, sondern ob es gut war, daß das Universum erisiirte, und ob unsere Uebel bei seiner Einrichtung unvermeidlich waren. Auf diese Weise dürfte, scheint es, die Hinzufügung eines Artikels den Sah viel schärfer normiren, und statt: Alles ift gut (tout est bien), könnte man vielleicht beffer sagen: (das All oder) das Ganze ist gut (le tout est bien), oder: Alles ist gut (für das AM) für das Ganze (tout est bien pour le tout). Dann ist es evident, daß kein Mensch weder für, noch gegen diesen Saß direkte Beweise vorzubringen im Stande seyn dürfte; denn diese Beweise hängen von einer vollkommenen Kenntniß der Einrichtung der Welt ab und von dem Zweck ihres Schöpfers, und diese Erkenntniß überragt unstreitig die menschliche Vernunft. Die wahren Prinzipien des Optimismus,,Hütte" zum Theil in der Küche beim Kochen, Auswaschen und laffen sich weder aus den Eigenthümlichkeiten oder Eigenschaften der Materie, noch auch aus der Mechanik des Universums ableiten, sondern einzig durch Induction aus den Vollkommenheiten Gottes, welcher gebieterisch über Allem waltet, der Art, daß man die Existenz Gottes nicht durch das System Pope's beweist, sondern das System Pope's durch die Existenz Gottes."

Scheuern, da die schmalen Einkünfte nichts Besonderes für einen Dienstboten übrig ließen. Im November hatte ihr das Buch schon über 150,000 Thaler Honorar eingetragen, eine Summe, die alle Schriftsteller eines ganzen Landes wohl kaum in ihrem ganzen Leben erschreiben. - Hierbei läßt sich erwähnen, daß die hohen englischen Herzoginnen, Ministerinnen und alle ihre offiziell hohen Kolleginnen,

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