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schichte feines Zeitalters zu dienen, wie die ausführliche Lebensgeschichte dieses Mannes. Ursprünglich einer der niedrigeren Klaffen der bürgerlichen Gesellschaft angehörend, hat Beaumarchais im Verlaufe feines Lebens gewissermaßen alle Stellungen und Verhältnisse in der Gesell schaft durchgemacht. Die Staunen erregende Mannigfaltigkeit seiner Fähigkeiten hat ihn in Beziehungen gebracht zu den verschiedensten Persönlichkeiten und Ereignissen und ihn in den Stand geseht, nach einander und zum Theil auch zu derselben Zeit in seinem Leben die verschiedensten Rollen zu spielen. Uhrmacher, Musiker, Liederdichter, Dramaturg, Komödienschreiber, Verfasser von Opernterten, ein Mann,,Cours de Littérature" ausmacht.) Diese Arbeit La Harpe's, des Vergnügens und des Hofes, Unternehmer kaufmännischer Specus lationen, Financier, Fabrikant, Herausgeber, Schiffbau-Unternehmer, Lieferant, geheimer Agent, diplomatischer Unterhändler, gelegentlich auch Vertreter der Rechte des Voltes, seiner Natur nach zum Frieden geneigt und doch fortwährend in Streitigkeiten verwickelt, kurz: wie sein Figaro alle nur möglichen Nollen spielend – ist Beaumarchais fast an allen großen oder kleinen Ereignissen, welche der Revolution voran gegangen find, mehr oder weniger betheiligt.

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Fast in derselben Zeit sieht man ihn, als einen durch das Minifterium Maupeou zum Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte Verurtheilten den Sturz der Staatsbehörde bewirken, welche ihn ver urtheilt hat, den,,Barbier von Sevilla“ zur Aufführung bringen, von London aus einen geheimen Verkehr mit Ludwig XVI. unterhalten und noch belastet von dem richterlichen Urtheil und alles Kredits beraubt, da all' sein Hab und Gut mit Beschlag belegt ist vom Könige selbst eine Million erhalten, mit deren Hülfe er die Interven tion Frankreichs einleitet in der zwischen den Vereinigten Staaten und England stattfindenden Streitigkeit. Etwas später betreibt Beaumarchais, dabei immer noch Lieder, Komödien, Opern schreibend und immer noch mindestens zwei oder drei Prozeffe führend, den Handel in allen Theilen der Welt: er hat vierzig eigene Schiffe auf den Meeren; er läßt ein ihm gehörendes Kriegsschiff von 52 Kanonen mit den Schiffen des Staats mitkämpfen in der Schlacht von Granada, sorgt dafür, daß seine Offiziere mit Ordenszeichen dekorirt werden, berathet mit dem Könige die Koften des Krieges und macht mehr und mehr seinen Einfluß geltend in der Unterhandlung mit dem Kongreß der Vereinigten Staaten.

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Mächtig genug zu alle Diesem, mächtig genug, auch wider den Willen Ludwig's XVI. den „Figaro" aufführen und wider den Willen der Geistlichkeit und der Regierung die erfte Gesammtausgabe von Voltaire's Werken erscheinen zu laffen, hat er doch nicht genug Macht, es zu verhindern, daß er an einem schönen Morgen ohne Urtel und Spruch verhaftet und im Alter von 53 Jahren einige Tage lang, wie ein junger Laugenichts, in einer Besserungs-Anstalt eingesperrt wird; - was ihn übrigens aber daran nicht hindert, als Beschüßer der Literaten bei den Ministern Fürsprache zu thun, als Finanzmann und sogar in der Rolle eines Agenten und einflußreichen Rathgebers den lebhaftesten Verkehr mit den Herren Sartines, Maurepas, Vergennes, Necker und Catonne zu unterhalten, Besuche von vielen großen Herren zu empfangen, welche Geld von ihm leihen und oft ver. geffen, es zurückzugeben, selbst für Fürsten) sich beim Erzbischof von Paris zu verwenden und mächtig, wenn auch ohne es zu wollen, wie man sehen wird, an der Zerstörung der Monarchie mitzuwirken.

Unter dem Königthum als Mann der Opposition eingesperrt, unter der Republik als Aristokrat verfolgt, wird der Eragent Ludwig's XVI. dennoch wider seinen Willen der Agent und Lieferant des Wohlfahrts Ausschusses. Diese Stellung, die ihn hatte retten sollen, bringt sein Leben in Gefahr und beraubt ihn feines ganzen Vermögens. Arm geboren, reich geworden und zwei oder dreimal ruinirt und wieder reich geworden, sieht er nun all sein Hab und Gut der Plünderung preis gegeben; und nachdem er 150,000 Francs fährlichen Einkommens gehabt, ist der alte Beaumarchais, unter einem falschen Nanien in einem Dachftübchen zu Hamburg wohnend, eine Zeit lang in solche Armuth verseßt, daß er, seiner eigenen Aussage zufolge, ein Schwefelhölzchen, das er schon gebraucht, verwahrt, um es noch ein zweites Mal zu gebrauchen.

Im Alter von fünfundsechzig Jahren in sein Vaterland zurückges kehrt, krank, taub, aber immer unermüdlich, betheiligt sich Beaumarchais auch jezt noch mit einer jugendlichen Lebendigkeit an Allem, was in der Welt um ihn her vorgeht, besorgt die Aufführung feines legten Dramas (,,die schuldbeladene Mutter, rafft mit ungeschwächtem Muth die Trümmer feines Vermögens zusammen und fängt noch einmal, mit einem Fuß schon im Grabe, die ganze Arbeit seines Lebens von vorn an, wehrt sich gegen eine Unzahl von Gläubigern, verfolgt eine Unzahl von Schuldnern und stirbt mitten in der Führung eines Prozesses, den er zugleich gegen die französische Republik und gegen die Republik der Vereinigten Staaten erhoben.

*) Der sehr romantische Fürst von Nassau-Siegen suchte für seine Verbindung mit einer geschiedenen Polin die Legitimation des Erzbischofs durch

Dieser flüchtige Ueberblick über ein so merkwürdiges Menschenleben wird auch unsere Leser wohl geneigt machen, den Mann, dem ein solches Leben zu Theil geworden, etwas genauer kennen zu lernen. Wir freuen uns, jezt endlich eine die erste -die Biographie des berühmten Mannes, die als eine gelungene, als eine eines solchen Mannes werthe bezeichnet werden kann, unseren Lesern hier vorzuführen. Alles Ausführlichere, was bisher in funfzig Jahren über Beaumarchais geschrieben worden ist, ist der im Jahre 1800 erschienenen Abhandlung von La Harpe entnommen, welche einen Theil seines welche mit einer seltenen Gerechtigkeit die großen Eigenschaften Beaumarchais' würdigt und zur Ehrenrettung des von so vielen Gegnern und Feinden angegriffenen und verdächtigten großen Mannes so unendlich viel beigetragen hat, ist in biographischer Beziehung doch nichts weiter als eine ganz oberflächliche und unvollständige Skizze, welcher nur ganz allgemeine und unbestimmte Angaben der Witwe des Verstorbenen zu Grunde liegen. Ein schäzenswerther Schriftsteller, Gudin de la Brenellerie,°°) der mehr als fünfundzwanzig Jahre einer der vertrautesten Freunde Beaumarchais' gewesen (von 1770 ab bis zum Tode Beaumarchais'), hatte ein im Manuskript: 419 Seiten umfassendes Werk ausgearbeitet, unter dem Titel: „Histoire de Pierte Augustin Caron de Beaumarchais, pour servir à l'histoire littéraire, commerciale et politique de son temps." Den Befürchtungen der frommen Witwe, daß das im Geiste der Philosophie Voltaire's geschriebene Werk dem Rufe ihres verstorbenen Mannes und auch der Ruhe und Sicherheit ihrer Familie nachtheilig seyn würde, brachte der Verfasser, der bei all' seiner philosophischen Ungläubigkeit ein sehr guter liebevoller Mensch war, sein Werk, das Ergebniß langer fleißiger Arbeit, zum Opfer; er begnügte sich damit, ein Kapitel aus demselben, über die Dramen und die Komödien seines. Freundes, zum Schluffe der von ihm 1809 veranstalteten Ausgabe der Werke Beaumarchais' in sieben Bänden zu veröffentlichen.***) Das erwähnte Manuskript Gudin's, welches, wenn es auch in Beziehung auf das frühere Leben Beaumarchais' weniger vollständig und mitunter auch sehr ungenau ist, doch immer als eine sehr werthvolle Vorarbeit für einen Biographen Beaumarchais' bezeichnet werden muß, hat dem Verfasser, deffen Arbeit uns vorliegt, zu Gebote gestanden. Demselben sind aber außerdem durch die Herren Delarue, den Schwiegerfohn und den Enkel Beaumarchais', sämmtliche von Beaumarchais hinterlafssene Papiere zugänglich gewesen, die funfzig Jahre lang unbenußt auf einer Bodenkammer gelegen hatten. †)

Den merkwürdigen, genialen, noch wenig erkannten Mann durch Mittheilungen aus einer Biographie, deren Verfaffer aus solchen Quellen hat schöpfen können, kennen zu lernen, wird dem Publikum sicher. lich willkommen seyn.

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I. Beaumarchais' Herkunft. — Seine Familie. Das geistige Leben einer Bürgerfamilie des achtzehnten Jahrhunderts. Pierre Augustin Caron, der im Alter von 25 Jahren den Namen Beaumarchais annahm', wurde den 24. Januar 1732 in einer auf der Straße St. Denis gelegenen Uhrmacher-Werkstatt geboren. Seine Familie war eine schlichte Bürgerfamilie. In derselben finden wir aber eine Bildung, die befremdend erscheint. En einem nicht veröffentlichten Briefe, den Beaumarchais 1765 an feinen Vater, von Madrid aus, geschrieben, sagt er: „Die Bürger find in Madrid noch erstaunlich vumm, ganz anders, wie bei uns, wo guter Ton und Bildung in alle Stände eingedrungen sind." In Beaumarchais' älterlichem Haufe scheint dieser gute Ton, diese Bildung in besonders hohem Maße heimisch gewesen zu seyn. Sein Vater, André Charles Caron, war der Sohn eines armen Uhrmachers in Lizy-sur-Ourcq,

*) Als eine Ausnahme rühmt Louis de Loménie einen Versuch über Beaumarchais, welchen vor kurzem Sainte-Beuve auf Grund einiger neuen Des tails, welche derselbe ihm verdankte, herausgegeben habe. **) Geb. 1738, geft. 1812; von Voltaire vft recht sehr gerühmt, Verfasser vieler Werke in Prosa und in Verfen. Eine Tragödie von ihm wurde 1768, Inquisition zufolge, zu Rom verbrannt. Für eine sehr um widmet und auf welche er in Beziehung auf seinen Ruhm große Hoffnungen gefest, fand er feinen Herausgeber.

einem

fangreiheil der Frankreichs", der er einen großen Theil seines Lebens ge=

"

***) In dieser Ausgabe fehlen noch recht viele interessante Schriften Beaumarchate'; von der großen Menge der hinterlassenen Briefe sind nur sehr wenige und zum Theil sehr unwichtige abgedruckt.

†) Die auf die zahllosen und verschiedenartigsten Geschäfte Beaumarchais' sich beziehenden Papiere fand Herr de Loménie sorgfältig geordnet. Die übri gen aber, die ein biographisches, literarisches oder historisches Intereffe darbieten, lagen in der größten Unordnung durch einander. Die hier vorgefundenen ersten Entwürfe fast aller schriftstellerischen Werke Beaumarchais' von seiner eigenen Hand widerlegen endlich auch vollends die bis in die jüngsten Betten aufgeworfene lächerliche Frage, ob Beaumarchais wohl auch wirklich der Vers faffer der unter seinem Namen gangbaren Werke, sey. Die Manuskripte der beiden drameisterwerke: des Barbier von Sevilla" und der „Hochzeit des fagen mit einem künstlichen, in Kupfer gearbeiteten Bewegungs-Apparat einer Uhr, einem Meisterstück des früheren Uhrmachers Beaumarchais, zusammen in einem und demselben Koffer. dem Apparate nämlich waren die Worte gravirt: „Caron filius aetatis 21orum regula

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senz zu bringen, die man denen, welche, wie ich, Ohnmachten ausgesezt sind, zu riechen giebt. Ach, mein liebes Kind, vielleicht werde ich es bei Deiner Rückkehr nicht mehr brauchen. Ich bitte alle Tage

bewahren vor jedem Unfall; daß werden immer seyn die Gebete Deines guten Freundes und Dich innig liebenden Vaters Caron.

"Wenn es möglich ist, laß Deine Adresse bei Miron,°) damit ich Dir im Falle, daß es mit mir zu Ende geht, meinen lezten Segenschicken kann."

einem Nleinen Dorfe bei Meaur, geboren 1698, und gehörte einer zahlreichen calvinistisch-protestantischen Familie an. In einem Gesuche an den König bemerkt Beaumarchais einmal gelegentlich, daß er von väterlicher Seite einen Oheim gehabt, der als Grenadier-Capitain_mit_meines Lebens den Herrn, Dich zu segnen, Dich zu belohnen, Dich zu Bem Ludwigs - Kreuz gestorben, einen Cousin, der Direktor der Indischen Gesellschaft, and einen Cousin, der Secretair des Königs gewesen. Hiernach scheint die väterliche Verwandtschaft in besseren Verhältnissen gelebt zu haben, als der Vater selbst, der eben nichts weiter war, als ein armer Uhrmacher. André Charles Caron kam, nach dem er kurze Zeit in einem Dragoner-Regimente gedient, 1721 nach Paris, um die Uhrmacherkunft zu lernen, und schwur hier, einen Monat nach seiner Ankunft, den Calvinismus ab. Beaumarchais ist also der Sohn eines Vaters, der früher Protestant gewesen. Diesem Um stande ist vielleicht der Eifer zuzuschreiben, den er später immer für die Sache der Protestanten an den Tag gelegt. Ein Jahr nach seinem Nebertritt zur römisch-katholischen Kirche richtete André Charles Caron ein Gesuch an den König, in welchem er um die Erlaubniß bat, sich troßdem, daß er die gefeßliche Lehrzeit bei einem Meister nicht durchgemacht hätte, als Uhrmachermeister etabliren zu dürfen. Aus dem Gesuche geht hervor, daß damals auch für den Gewerbe-Betrieb eines Uhrmachers die Zugehörigkeit zur römisch-katholischen Kirche gefordert wurde. Seine vertraulichen Briefe aber beweisen, daß André Charles Caron wirklich ein aufrichtiger Katholik war, also keinesweges blog in eigennüßiger weltlicher Absicht katholisch geworden war. In die Zunft der Uhrmacher aufgenommen, heiratete er 1722 die Tochter eines Bürgers von Paris", die eine herzensgute, aber nicht besonders gebildete Person war. Er selbst aber zeigt in seiner Korrespondenz eine für seinen Stand außerordentliche wissenschaftliche Bildung. Troß dem aber gelang es ihm nicht, Vermögen zu erwerben; in seinen lezten Lebensjahren mußte er sich von seinem Sohne unterhalten laffen. Als Probe seiner Bildung mag der folgende Brief dienen, der auch, in Beziehung auf die Beurtheilung, welche Beaumarchais darin seitens seines Vaters erfährt, interessant ist.

Paris, den 18. Dezember 1764.

Du bittest mich in Deiner Bescheidenheit, Dich ein wenig zu lieben; das ist nicht möglich, mein lieber Freund! Ein Sohn, wie Du bist, ist dazu nicht gemacht, nur ein wenig geliebt zu werden von einem Vater, der, wie ich, fühlt und denkt. Die Thränen zärtlicher Liebe, welche aus meinen Augen auf das Papier fallen, geben ein gutes Zeugniß dafür. Die Eigenschaften Deines vortrefflichen Her zens, die Stärke und die Größe Deines Geistes erfüllen mich mit der zärtlichsten Liebe für Dich. Mein Sohn, Du Stolz meines Alters, mein theurer Sohn! womit habe ich die Gnade verdient, mit der mein Gott mich gesegnet, indem er mir einen solchen Sohn gegeben? Eine größere Gunft, glaube ich, kann er einem rechtschaffenen und gefühlvollen Vater nicht bezeigen, als die, daß er ihm einen solchen Sohn giebt. Meine großen Schmerzen, die ich gestern noch gehabt, sind vorüber, da ich an Dich schreiben kann. Fünf Tage und vier Nächte habe ich zugebracht, ohne essen, ohne schlafen, ohne mich des Schreiens erwehren zu können; in den Zwischenzeiten, wo ich weniger litt, las ich den Grandisson.") In wie vielen Dingen habe ich meinen Sohn dem Grandiffon ähnlich gefunden! Vater Deiner Schwe Stern, Freund und Wohlthäter Deines Vaters! Wenn England, sagte ich mir, seinen Grandisson hat, so hat Frankreich seinen Beaumarchais, mit dem Unterschiede, daß der englische Grandisson nur eine Einbildung eines liebenswürdigen Schriftstellers ist, der französische Beaumarchais aber wirklich existirt zum Troste meiner Tage. Wenn es einem Sohne Ehre macht, wenn er seinen Vater rühmt als einen guten Mann, warum sollte es mir nicht erlaubt seyn, mich meines Soh nes zu rühmen, indem ich ihm Gerechtigkeit zu Theil werden laffe? Ja, ich mache aus ihm meinen Ruhm, und ich werde nicht aufhören, es bei allen Gelegenheiten zu thun.

,,Adieu, mein theurer Freund! Ich verleze Deine Bescheidenheit; um so beffer! Du erscheinst dadurch nur um so liebenswürdiger den Augen und dem Herzen Deines guten Vaters und Freundes

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Andere Briefe zeigen, daß Beaumarchais' Vater Sinn für die Literatur, für die Künste, für das gesellige Leben gehabt, daß Wiß, Scherz und ein natürlicher guter Humor ihm eigen gewesen. Seinen Briefen zufolge, ist er mit Allem, was eben in der Literatur erscheint, ganz vertraut; er selbst, sein Sohn, seine Töchter — alle machen Gedichte gute oder schlechte; auch Musik treiben sie alle; sein Sohn insbefondere zeigt, von frühester Jugend an, Talent auf allen Instrumenten. Die Briefe Beaumarchais' an seinen Vater zeigen ein Gemisch von kindlicher Zärtlichkeit und von tiefer Verehrung. Mitunter aber läßt der zukünftige Verfasser der „Hochzeit des Figaro" sich auch seinem Vater gegenüber etwas gehen; und es ist erfreulich, zu sehen, wie gut der alte Uhrmacher auf die Scherze und Späße einzugehen versteht. Daß der alte Caron sich zum zweiten Male verheiratete, geschah auf Beaumarchais' Betrieb. „Ich wundere mich gar nicht", schreibt er von Madrid an seinen Vater, über Ihre Neigung zur Frau Henry: sie ist die Heiterkeit selbst und eines der besten Herzen, die ich kenne. Ich würde mich freuen, wenn Sie so glücklich gewesen wären, ihr eine noch lebhaftere Gegenliebe einzuflößen. Es wäre wirklich ein Glück für Sie; und sie würden sie gewiß dahin bringen können, eine Verbindung, zu welcher eine 25 jährige Zärtlichkeit und Achtung den Grund gelegt, auch jezt noch einzugehen. Wäre ich an Ihrer Stelle, ich weiß, wie ich mich benehmen würde; and, wäre ich Frau Henry, ich weiß, wie ich antworten würde; aber ich bin weder an Ihrer Stelle, noch bin ich Frau Henry, und es ist nicht meine Sache, diese Geschichte in Ordnung zu bringen; ich habe genug mit den meinigen zu thun.“ Auf diese Andeutung antwortet der Vater Caron (am 19. September 1764): „Wir sind gestern zum Abendessen bei meiner guten und theuren Freundin gewesen; sie hat viel gelacht über die Stelle Deines Briefes, in welcher Du andeutest, wie Du Dich an meiner Stelle benehmen würdest; sie meinte, daß man Dir ein gehöriges Benehmen schön zutrauen könnte, und daß sie Dich herzlich küssen würde, wenn Du nicht 300 Meilen weit entfernt wäreft.“ (Forts. folgt.)

England.

Englische Lebensbeschreibungen der Brüder Humboldt.

Bei Ingram, Cooke & Comp. in London find kürzlich, zu einem Buche vereinigt, die beiden Lebensbeschreibungen von Wilhelm und Alexander v. Humboldt, nach dem Deutschen bearbeitet von Juliette Bauer, erschienen.") Es sind dazu Gustav Schlesier's „Erinnerungen an Wilhelm v. Humboldt“ und eine biographische Arbeit über Alexander v. Humboldt, Klencke's Memorial", benußt worden.

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Der Berichterstatter über das Buch im Londoner Athenaeum beklagt zunächst, daß jeßt so viele Unberufene, die vielleicht eben erst gelernt haben, eine fremde Sprache halb und halb verstehen, sich dadurch schon für befähigt halten, ihre Ueberseßungen aus einer Sprache in die andere dem literarischen Publikum anzubieten. Das ist ein Klagelied, in das auch der Herausgeber des Magazins oft Gelegenheit hat, einzustimmen. Es ist gar nichts Seltenes, daß der Redaction zugemuthet wird, Schülerarbeiten zu korrigiren und dafür noch ein erkleckliches Honorar zu bezahlen. Auch Frau oder Fräulein J. Bauer hat es noch nicht bis zum Testimonium maturitatis in der englischen Sprache gebracht. Das Athenaeum befürchtet, daß, wenn das Unwesen solcher Ueberseßungen noch weiter um sich greife, dadurch die Reinheit des englischen Styles leiden könne. „Wir sind es (fährt der Reviewer fort) den Literaturen beider Sprachen, der deutschen und noch mehr unserer eigenen, schuldig, gegen einen Mißbrauch zu protestiren, der beiden gleich nachtheilig ist, und der gerade in diesem Augenblicke eine leidige Aufmunterung in dem Verlangen nach wohlfeilen neuen Büchern findet, auf welche, wenn auch nicht ausschließlich, doch hauptsächlich solche Fabrik-Arbeit verwandt wird.“

Aber aller Blunders, Germanismen and Druckfehler ungeachtet, bezeichnet der Reviewer das neue Buch, eben seines Gegenstandes wegen, als eine für das englische Publikum sehr anziehende Erscheinung. Er ist mit der Humboldt-Literatur augenscheinlich vertrauter, als die Ueberseßerin selbst, und macht es ihr mit Recht zum Vorwurf, daß sie

*) Miron war einer der Schwäger Beaumarchais'.

*),, The History of Sir Charles Grandisson", der bekannte Roman lated and arranged by Juliette Bauer. **) Lives of the Brothers Humboldt, Alexander and William. Trans

von Samuel Richardson.

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Elisa Mayer's Werk über Wilhelm v. Humboldt und dessen, Briefe an eine Freundin" nicht benußt und, wie es scheint, auch nicht gekannt habe.

Von den beiden Lebensbeschreibungen sagt ihm gleichwohl die des älteren Bruders am meisten zu, wie denn auch Gustav Schlefier, der ein vollendetes Leben dargestellt hat, ein vollständigeres Material benußen durfte, als der Biograph des noch in gewohnter Wirksamkeit und mit entschiedener Abwehr jeder momentanen, wie monumentalen Huldigung unter uns weilenden Verfaffers des „Kosmos“, nach dessen hoffentlich noch recht lange sich verzögerndem Lebensende die Welt einmal einen um so reicheren Schaß von Denkwürdigkeiten über ihn zu erwarten hat, mit deren Sammlung, wie wir vernehmen, ein Gelehrter beschäftigt ist, der früher bereits in Verbindung mit einigen geographischen Arbeiten Alerander v. Humboldt's genannt wurde.

Sehr schön und treffend sagt der Kritiker im Athenaeum über Wilhelm v. Humboldt: „In ihm waren ganz verschiedenartige Naturen auf merkwürdige Weise mit einander verbunden. Mit einem scharfen und imponirenden praktischen Verftande, liebte er es doch, sich in die tiefsten Speculationen zu versenken. Seine Gefühlsweise, merkwürdig zusammengefeßt aus Zartheit und Strenge, entzückte einerseits durch ihren anmuthigen Ausdruck und ihre edlen Impulse und hatte andererseits durch Troß und satirische Zurückhaltung etwas Abstoßendes. Diese vielgestaltige Natur, verbunden mit der mannig faltigsten Bildung und einem fortwährenden Streben nach innerer Veredelung und geistiger Entwickelung, trat um so markirter durch die Ereignisse eines reichbewegten und in jeder Beziehung ausgezeich neten Lebenslaufs hervor, der ihn mit den ersten Menschen seiner Zeit, in der Wissenschaft, in der Philosophie, in der Literatur und in der Politik, in Berührung brachte. Mit den größten Staatsmännern nahm er Theil an den Verhandlungen über die Geschicke Europa's in einer Periode, welche reicher, als irgend eine andere in der neueren Geschichte, an wechselvollen und bedeutenden Begebenheiten war. Daher glaubt man denn auch in einem Ueberblicke seines Lebens nicht Einen großen Mann, sondern mehrere zugleich vor sich zu haben. Der Humboldt des Briefwechsels mit Schiller, der Sonette, der Abhandlung über Hermann und Dorothea, der Ueberseßer des Aeschylus und Pindar, scheint einer anderen Welt anzugehören, als der Diplomat Humboldt, welcher den Pariser Friedensvertrag unterzeichnet und an dem Wiener Kongreffe theilnimmt. Eine andere Scene eröffnet sich bei dem eleganten Mäcen in Rom und wieder eine andere bei dem Staatsminifter in Berlin, dessen Rechtschaffenheit und Weisheit in Preußen allgemein anerkannt waren. Und abermals verändert sich die Scene: der Staatsmann, dessen Entlassung selbst ihm zu hoher Ehre gereichte, wirft die Sorgen und Mühen der Geschäfte von sich, der Philosoph kehrt in sein Studirzimmer, als seine eigentliche Heimat, zurück, und den Denker, der die kühnften Flüge der Speculation wagt, den Philologen, welchem es eine bloße Erholung ist, die Geheimniffe der Sprache zu erforschen, ziert der Gelehrtenmantel, in den er sich jezt einhüllt, so außerordentlich, als ob er niemals ein anderes Kleid getragen hätte." Alexander von Humboldt sagt von diesen lezten Studien seines Bruders, denen wir deffen großes, nachgelassenes Werk über die Kawi-Sprache“ und „über die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues" verdanken, in der Vorrede zu demselben eben so finnig als bezeichnend: „Wenn nicht alle meine Hoffnungen mich täuschen, so muß das vorliegende Werk, indem es den Ideenkreis mächtig erweitert und in dem Organismus der Sprache gleichsam das geistige Geschick der Völker deuten lehrt, den Leser mit einem aufrichtenden, die Menschheit ehrenden Glauben durchdringen. Es muß die Ueberzeugung darbieten, daß eine gewisse Größe in der Behandlung eines Gegenstandes nicht aus intellektuellen Anlagen allein, sondern vorzugsweise aus der Größe des Charakters, aus einem freien, von der Gegenwart nie beschränkten Sinne und den unergründeten Tiefen der Gefühle entspringt."

Mannigfaltiges.

Barthold Niebuhr in England. In einem neulich er schienenen Supplement-Bande zu der englischen Ueberseßung von Niebuhr's Leben und Briefwechsel) theilt die Herausgeberin, Miß Susanna Winkworth, einige sehr interessante Nachträge in Bezug auf das öffentliche Leben und den politischen Charakter des berühmten Geschichtschreibers mit. Es umfaffen diese Nachträge: 1) einen Aufsaß aus Bunsen's Feder über die politischen Ansichten seines großen Freundes und Lehrers; 2) eine Reihefolge von Auszügen aus Nie

*) The Life and Letters of Barthold George Niebuhr, and Selec tions from his Minor Writings. Edited and translated by Susanna Winkworth. Vol. III. Supplementary. London, Chapman & Hall.

buhr's Briefen aus Holland, in den Jahren 1808-9 an feinen Vater, an Dora Hensler und Andere gerichtet; 3) eine Sammlung politischer Fragmente, und 4) Auszüge vermischten, besonders historischen und antiquarischen Inhalts aus Niebuhr's kleineren Schriften. Bunsen's Auffah behandelt vornehmlich zwei Gesichtspunkte: „Niebuhr's Ansichten über moderne conftitutionelle Regierung, in Bezug auf welche in England und in Deutschland wesentlich verschiedene Ansichten herrschen“, und „seinen im Jahre 1810 erfolgten Austritt aus dem Amte, der in seinem Vaterlande zu einem Gegenstand ungerechtfertigter Angriffe gegen ihn gemacht worden.“

Niebuhr, als Lehrer der alten und der neueren Geschichte, ist in England eine so große Autorität, daß seine Werke in den Händen aller politisch gebildeten Männer, wie aller Studirenden, sich befinden. Seine „Römische Geschichte“ ist auf den Universitäten des Landes ein Lehrbuch, deffen Kenntniß bei jedem Lernenden vorausgesezt wird. In Orford und Cambridge sollen allein schon nahe an fünftausend Exemplare dieser Geschichte verkauft worden seyn. Es läßt sich daher leicht denken, mit welcher Begierde jedes Buch aufgenommen wird, das über die historischen und politischen Ansichten des Geschichtschreibers, so wie über seine politische Lebensstellung, neuen Aufschluß zu geben verheißt.

Englische Minister und Ministerien. Der neue englische Premier, Lord Aberdeen, ist ein Mann von gediegener klaffischer Bildung, der sich durch seine archäologischen Reisen in Griechenland, so wie als Präsident der Society of Antiquaries und Mitglied oder Protektor mehrerer anderer gelehrten Vereine, nicht unbedeutende Verdienste um die Wissenschaft erworben hat. Wegen seiner Stiftung der „atheniensischen Gesellschaft", an der Niemand theilnehmen durfte, der nicht in Griechenland gewesen, erhielt er von Byron den Beinamen „Athenian Aberdeen", der in der Folge, als ihn die liberale Presse nicht mit Unrecht einer allzu großen Hinneigung zur Metternichschen Politik beschuldigte, in,,Austrian Aberdeen" umgeändert wurde. Im Jahre 1784 geboren, folgte er seinem Vater schon 1801 in der alten schottischen Grafenwürde seines Hauses, ward aber erst 1814 in Anerkennung seiner glücklichen Unterhandlungen in Wien, durch welche er Oesterreich zum Anschluß an die koalisirten Mächte bewegen half, unter dem Titel eines Viscount Gordon zur Pairie des Vereinigten Königreichs erhoben. Nächst dem russischen Kanzler Nesselrode ist er wohl der einzige der in jener Periode thätigen Diplomaten, der sich noch in Aktivität befindet. Er ist ferner seit Lord Bute, dem berüchtigten Günstling Georg's III. (1763), der erste Schotte, der an der Spiße einer englischen Regierung gestanden. In diesen neunzig Jahren haben vierundzwanzig Minister (First Lords of the Treasury) längere oder fürzere Zeit das Staatsruder gelenkt, nämlich: George Grenville, der Marquis von Rockingham, der Herzog von Grafton, Lord North, der Marquis von Rockingham (zum zweitenmal), Graf Shelburne (Vater des Marquis von Lansdowne ), der Herzog von Portland, William Pitt, Henry Addington, William Pitt (zum zweitenmal), Lord Grenville, Herzog von Portland (zum zweitenmal), Spencer Perceval, Graf Liverpool, George Canning, Viscount Goderich (jeßt Graf von Ripon), der Herzog von Wellington, Graf Grey, Viscount Melbourne, Sir Robert Peel, Viscount Melbourne (zum zweitenmal), Sir Robert Peel (zum zweitenmal), Lord John Ruffell und Graf Derby. Von diesen Ministerien hatten das erste von Pitt (1783-1801) und das von Lord Liverpool (1812-1827) die längste Dauer; weniger als ein Jahr bestanden die Ministerien Rockingham, Shelburne, das erste von Portland, Canning, Goderich, das erste von Melbourne, das erste von Peel und das des Grafen Derby. Im Amte gestorben sind Lord Rockingham, Pitt, Portland, Perceval und Canning.

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Wöchentlich erscheinen 3 Nummern. Preis jährlich 3 Thlr. 10 Sgr., halbjährlich 1 Thlr. 20 Sgr. und vierteljährlich 25 Sgr., wofür das Blait im Julande portofrei, und in Berlin frei ins Haus geliefert wird.

No No 2.

für die

Bestellungen werden von jeder deutschen Buchhandlung (in Berlin bei Beit u. Comp., Jägerstr. Nr. 25, und beim Spediteur Neumann, Niederwallstr. Nr. 21), so wie von allen königl. Poft-Aemtern, angenommen.

Literatur des Auslandes.

Montenegro.

Berlin, Dienstag den 4. Januar

Geschichtliches über die Montenegriner. *)

Zu Anfang des 6sten Jahrhunderts erschien ein bisher unbekanntes Volk, die Slawen, auf dem Schauplaß der Geschichte, bedrohte das byzantinische Reich, vertrieb die Gothen und befeßte alles Land von der Oftsee bis zur Elbe, der Theiß und dem Schwarzen Meere. Im 7ten Jahrhundert schloffen die Slawen, nach Unterwerfung Pannoniens, ein Bündniß mit dem Kaiser, drangen in Illyrien ein, befiegten die Avaren und gründeten neue Provinzen unter dem Namen Kroatien, Slavonien, Serbien, Bosnien und Dalmatien. Alle diese Provinzen bildeten anfangs ein einiges Königreich, das serbische; aber durch innere Zerwürfnisse wurde dieses mächtige Reich in viele kleine Gebiete zersplittert. Die Plünderungszüge und blutigen Kämpfe der kleinen unabhängigen Fürften entkräfteten das Volk. Im 14ten Jahrhundert stellte Georg, nach Besiegung der anderen Stammhäupter, das serbische Reich wieder her, in welchem seine Nachkommen, aus dem Hause Tschernowitsch, bis zum Jahre 1480 herrschten, um welche Zeit die Slawen, durch Zwietracht geschwächt, fast überall ihre Selbständigkeit verloren: die einen wurden von den Osmanen unterjocht, die anderen gehorchten der Reihe nach verschiedenen fremden Gebietern, einige veränderten den Glauben und haben selbst ihre Muttersprache vergessen.

Von dieser Epoche an ward Montenegro (Tschernogora, d. h. der schwarze Berg) zum Sandschak Skutari gerechnet; da aber die Türken wegen der öfteren Empörungen sich nie darin festsehen konnten, so zahlten die Montenegriner nach Umständen mitunter den Charadsch (Tribut), mitunter verweigerten fie ihn aber ganz und betrachteten sich stets als unabhängig. In den Jahren 1571 und 1657 bemäch tigten sich die Türken auf ihren Feldzügen gegen Cattaro auch Montenegro's; nach zweijährigen Anstrengungen indessen eroberten sich die Einwohner ihre Freiheit zurück. Seit dem Jahre 1658, wo der Wladyka (Bischof) Danilo Petrowitsch **) an der Spiße des Landes stand, ist Montenegro stets unabhängig von der Türkei geblieben.

Im Laufe von zwei Jahrhunderten hat die Pforte alle Mittel aufgeboten, diese Provinz zum Gehorsam zu bringen; allein selbst zu einer Zeit, wo ihre Waffen noch alle christlichen Mächte mit Schrecken erfüllten, mußten die Türken sich von der Erfolglosigkeit ihrer Versuche gegen Montenegro überzeugen. Nach dem Tode des berühmten Skanderbeg waren die tapferen Albaneser genöthigt worden, der Uebermacht zu weichen, die Montenegriner aber blieben frei. Die Ruinen von Kroja, der Hauptstadt Skanderbeg's, wo Sultan Murad mit 150,000 Os manlis von einer Handvoll Leute, unter denen sich auch Montenegriner befanden, geschlagen wurde, sind noch heute unweit der Gränze jenseits des Flusses Drino zu erblicken. Im Jahre 1612 rückte Mach med Pascha mit einer Armee von 30,000 Mann in dieses Land ein, erlitt jedoch von den Einwohnern eine Niederlage und mußte sich, nachdem er ein einziges Dorf im Bezirke Bjelopawlitschi verbrannt, mit großem Verlust zurückziehen. Im folgenden Jahre griff der Pascha Nuraslan, um das Mißgeschick seines Vorgängers wieder gutzumachen, Montenegro mit 60,000 Mann an und dachte es zu unterwerfen. Die Umstände waren ihm günstig. Das Land war durch innere Fehden zerrüttet, und der Pascha drang ohne Widerstand bis Klementi und Bjelopawlitschi. Diese Gefahr stellte die Einigkeit unter den Montenegrinern wieder her. Muthig traten sie dem Pascha entgegen und schlugen ihn in der Nähe des Distrikts Kuffon-lug aufs Haupt. Der größte Theil des feindlichen Heeres blieb auf dem Plage, eine reiche Beute fiel den Siegern in die Hände, und der Pascha selbst vermochte sich kaum mit einer Abtheilung Kavallerie zu retten. Freiheit und Unabhängigkeit Montenegro's waren durch diesen ruhmvollen Sieg auf lange befestigt; der Krieg wurde jegt die Lieblingsbeschäftigung der tapferen Bewohner, und ihre Feindschaft gegen die Türken nahm den Charakter eines erblichen Hafses an.

*) Nach dem Russischen.

**) Ahnherr des jeßigen Fürsten.

1853.

Die Folge einer solchen Stimmung war, daß sie allen Mächten, die mit der Pforte Krieg führten, ihre Dienste anboten. Der Ruhm Peter's des Großen erweckte in ihnen das Verlangen, sich dem glaubensverwandten Rußland anzuschließen. Im Jahre 1712 fertigten fie zu diesem Zwecke eine Deputation nach St. Petersburg ab, und Peter der Große versprach, sie unter seinen Schuß zu nehmen. Von nun an war Montenegro der Hort der von den Türken unterdrückten christlichen Einwohner der benachbarten Länder, welche in seinen Bergen herzliche Gastfreundschaft und einen sicheren Zufluchtsort fanden. Diese sogenannten Uskoken oder Auswanderer wurden wie leibliche Brüder angesehen, erhielten das volle Bürgerrecht und zeichnen sich noch jezt durch Muth und Treue gegen ihr neues Vaterland aus. Als die Venezianer 1718 der Türkei den Krieg erklärten, bewaffneten sich die Montenegriner zur Vertheidigung der Republik, zu deren Unterthanen sie sich erklärten; mit dem Frieden hörte jedoch dieses Verhältniß auf, und sie erkannten von neuem die Oberherrlichkeit Rußlands an, welches ihnen seinen Schuß angedeihen ließ, ohne das Opfer ihrer Selbständigkeit zu fordern. Die Kaiserin Elisabeth schickte zur Zeit einer Hungersnoth bedeutende Summen zum Unterhalt des Volks. Katharina II. bezeugte ihnen zu wiederholten Malen ihre Dankbarkeit für tapfere Mitwirkung in den Kriegen mit der Pforte. Kaiser Paul machte ihren Kirchen reiche Geschenke und errichtete unter ihnen einen obersten Gerichtshof, „Kuluk“, der aus sechzig Aeltesten bestand, denen er ein Gehalt von 2000 Dukaten ausseßte. Alexander legte Schulen an, deren Kosten von Rußland bestritten wurden. Das Volk ließ diese Wohlthaten nicht unvergolten; in allen Feldzügen Rußlands gegen die Türkei erschien es auf dem Kampfplag und focht in den Schlachten mit Heldenmuth und unwandelbarer Treue. Im Kriege von 1768 eroberten die Montenegriner die Stadt Podgoriga und die Festung Zabljak,®) verwüfteten die Umgegend, seßten Bosnien und Albanien in Schrecken und hielten die zahlreichen Truppen des Paschas von Skutari und anderer Befehlshaber an ihren Gränzen zurück, wodurch fie eine für Rußland nicht unwichtige Diversion machten. Sie nahmen, mit einem Worte, an allen Kriegen Katharina's II. mit den Türken den thätigsten Antheil.

Im Jahre 1785 versuchte Butschali-Mahmud, Pascha von Stutari, diese Provinz endlich zu unterwerfen; er sammelte eine zahlreiche Armee und drang bis in die Mitte des Landes vor. In den engen Päffen hielten jedoch die Montenegriner Stand, und nachdem die Türken die von ihnen beseßten Ortschaften eingeäfchert hatten, mußten fie mit großem Verluste das Land räumen. Die Montenegriner sannen auf Rache, wozu sich im Jahre 1789 eine Gelegenheit darbot. Mit einem öfterreichischen Detaschement unter dem Kommando des Majors Wukassowitsch vereinigt, schlugen sie den Pascha, fielen in Albanien ein, verbrannten eine Menge türkischer Dörfer und kehrten mit Beute beladen nach Hause. Im Auftrage des Petersburger Hofes warb der Oberstlieutenant Graf Zwelitsch in der Herzegowina und der Provinz Cattaro ein Corps von 5000 Freiwilligen an; der Metropolit von Tschernogora aber beunruhigte die benachbarten Paschas durch immerwährende Einfälle und Scharmügel und zog sie dadurch von der Donau ab, wo die Ruffen und Desterreicher mit den Türken kämpften.

Unterdessen wurde 1791 in Siftowo der Friede geschlossen, ohne daß die Unabhängigkeit der Montenegriner anerkannt ward. Der Sultan forderte von ihnen, als Zeichen der Unterthänigkeit, einen kleinen Tribut; allein die kühnen Bergbewohner wollten sich auch nicht zum geringsten Schein der Dienstbarkeit verstehen. Die Pforte bemühte sich, sie durch Unterhandlungen zu diesem Schritt zu bewegen, aber Alles war vergebens, und die Türken mußten es von neuem mit der Waffengewalt versuchen.

Im Jahre 1796 erhielt der schon erwähnte Mahmud, Pascha von Skutari, den Befehl, die Truppen aus allen benachbarten Paschaliks an sich zu ziehen und um jeden Preis das widerspenstige Slawenvolk zum Gehorsam zu bringen oder auszurotten. Der Pascha überschritt die Gränze mit einer starken Heeresmacht, aus tapferen

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Albanesern und Janitscharen bestehend. Der Metropolit Peter Petrowitsch erwartete an der Spiße seines kleinen Häufleins den Feind beim Flecken Kruffe, unweit der Festung Podgoriza an der Gränze des Landes, und erklärte, daß man hier siegen oder sterben müsse. Entschloffen, den Krieg durch eine Schlacht zu enden, stellte er sich im Angesicht der Feinde auf den Höhen auf, machte einen Scheinangriff auf das türkische Lager und zog sich dann zurück, indem er fünftausend auserlesenen Kriegern die Vertheidigung der Engpässe anvertraute - ließ auf die Gipfel der Felsen die rothen Kappen, die von den Montenegrinern getragen werden, aufftecken, machte mit seinem Hauptcorps einen forcirten Nachtmarsch, kam dem Feinde in den Rücken und schnitt ihm den Rückzug ab. Die Türken, von den Wachtfeuern und den rothen Mügen getäuscht, näherten sich am Morgen dem Engpaß. Die fünftausend Montenegriner leisteten tapfere Gegenwehr, wichen keinen Schritt und hielten während mehrerer Stunden den Andrang des ganzen feindlichen Heeres aus. Um Mittag erschienen die Schaaren des Metropoliten, welche unterdeffen die unwegsamsten Berge überftiegen hatten, im Rücken des türkischen Lagers, stürzten von den Anhöhen herab und fielen mit voller Kraft auf die erstaunten Osmanlis. Die Türken kämpften wie Verzweifelte; die Montenegriner, für die Vertheidigung des Vaterlandes begeistert, hieben sich todesmuthig in die dichten Reihen der Gegner ein: die Schlacht dauerte drei Tage. Von allen Seiten umringt, war es Von allen Seiten umringt, war es dem Feinde unmöglich, fich durchzuschlagen: sie erlitten eine vollStändige Niederlage. Dreißigtausend blieben auf dem Plaße; der Pascha selbst verlor das Leben; die Bagage und das reiche Lager fielen den Siegern in die Hände. Das Haupt des Paschas, als die glänzendste Trophäe, ward nebst den Fahnen im Kloster Cetinje aufgestellt. Dieser ruhmvolle Sieg verbreitete Schrecken unter den Türken, sicherte die Freiheit der Montenegriner und gesellte ihrer natürlichen Tapferkeit die Idee der Unüberwindlichkeit bei. Die Folge hiervon war, daß die Gränzdistrikte Berda, Kutschi und Piperi sich mit Montenegro vereinigten.

Im Jahre 1803 richtete Napoleon seine Blicke auf Montenegro, welches ihm einen wichtigen Anhaltspunkt in seinen Plänen auf das türkische Reich darbot. Die Montenegriner, die stets bereit sind, ihre Dienste jeder Macht anzubieten, welche bei ihren Angriffen gegen die Türken mitzuwirken verspricht, wären leicht für ein Bündniß mit Frankreich gewonnen worden; um sie davon abzuhalten, schickte Rußland den ihnen schon bekannten Grafen Zwelitsch, der jest den Rang eines Generallieutenants bekleidete, nach Montenegro, deffen Sen dung den erwünschten Erfolg hatte. In dem Kriege, der bald darauf zwischen den Ruffen und Franzosen ausbrach, stellte sich das tapfere Bergvolk auf Seiten der Ersteren, half das von einem kleinen russischen Corps besezte Cattaro gegen die französische Armee vertheidigen und entwickelte bei jeder Gelegenheit den unerschrockensten Muth. Dieser Muth und das Vertrauen auf die eigenen Kräfte wurden noch. mehr durch den Sieg bei Alt-Ragusa und durch die Vertreibung des Generals Lauriston aus seiner verschanzten Stellung auf dem Berge Wargart erhöht, endlich aber durch die Niederlage des Ober-Generals Marmont selbst, der sich, troß seiner überlegenen Macht, in größter Eil von Castelnuovo zurückziehen mußte und, die Eroberung Montenegro's aufgebend, genöthigt wurde, an seine eigene Sicherheit zu denken.

Frankreich. Beaumarchais.

Sein Leben, seine Schriften und seine Zeit.

(Fortfehung.)

Es gelang dem Vater Caron wirklich, mit Hülfe seines Sohnes, das Herz der Frau Henry, einer Kaufmanns-Witwe von 60 Jahren und von einigem Vermögen, zu rühren; sie wurde seine zweite Frau am 15. Januar 1766; er war damals 68 Jahre alt. Nach zwei Jahren verlor er sie durch den Tod; später ließ er sich noch zu einer drit ten Ehe verleiten: er heiratete am 18. April 1775, diesesmal wider den Willen und sogar ohne Wissen des Sohns, seine alte, verschmißte Haus hälterin, welche nur in der Abficht, später von Beaumarchais etwas zu erpressen, seine Frau wurde. Und wirklich sah sich Beaumarchais nach dem Tode feines Vaters genöthigt, 6000 Francs zu opfern, um sich diese Person vom Halfe zu schaffen. Die Störung, welche durch diese Frau in das innige Verhältniß zwischen dem Vater und Sohn gebracht wurde, war bald wieder ausgeglichen.

Um die Schilderung der Familie Beaumarchais vollständig zu machen, müssen wir auch die Schwestern Beaumarchais' dem Leser vorführen. Es waren ihrer fünf; zwei von ihnen waren älter als Beaumarchais. Die älteste, mit einem Baumeister Guilbert verheiratet, ging mit ihrem Manne und einer ihrer Schwestern nach Madrid. Sie etablirten hier eine Puß- und Mode-Handlung. Der Mann verlor

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den Verstand und starb; die Witwe kehrte 1772 ohne Vermögen mit zwei Kindern nach Frankreich zurück; Beaumarchais sorgte für ihren und der Kinder Unterhalt. Die zweite Schwester Beaumarchais', Marie Luise, in den Familienbriefen Lisette genannt, ist die in dem Trauerspiel von Goethe vorkommende Braut Clavigo's. Sie war, wie es scheint, ein geistreiches und hübsches Mädchen. Sie ist unverheiratet geblieben und hat später in einem Kloster in der Picardie gelebt. Die dritte Schwester wurde 1756 an den berühmten Uhrmacher Lepine verheiratet. Die beiden jüngsten Schwestern verdienen, da Beaumarchais vorzugsweise nur mit ihnen in dauerndem innigem Verkehr gewesen und geblieben, eine genauere Schilderung. Von allen feinen Schwestern ist die vierte, Marie Julie, die ausgezeichnetste; sie ward vier Jahre später geboren, als Beaumarchais, und ist ein Jahr früher ge= storben; sie ist nicht verheiratet gewesen und hat ihr ganzes Leben ihrem Bruder geweiht, der sie auch aufs innigfte geliebt hat. Sie ist unter dem Namen Julie Beaumarchais in der vornehmen Welt bekannt geworden als eine Dame von tiefer Geiftesbildung und von sehr liebenswürdigem Charakter. Sie war keine regelmäßige Schönheit; über ihre Nase, die ein wenig lang war, macht sie sich selbst luftig; aber sie hatte ein sehr gefälliges Benehmen, ein interessantes Gesicht und Augen so bezaubernd schön, daß mehrere unbekannte Dichter dieselben befungen haben. Ohne in dem Maße, wie ihre jüngste Schwester, musikalisch zu seyn, war sie doch eine tüchtige Harfenspielerin; sie spielte auch das Violoncell; sie sprach das Italiänische und das Spanische; sie hat Verse und die Musik dazu aus dem Stegreife gemacht. Die Verse zeichnen sich mehr durch fröhliche Laune, als durch poetischen Werth aus. Einige Dichtungen von ihr in ernstem Ton zeigen von nicht unbedeutendem Talente. Am schönsten offenbart sich ihr Geist mit all' seiner Anmuth und Lebendigkeit in ihren vertrauten Briefen. Als ein noch sehr junges Mädchen schreibt sie einer Freundin : ,,Du mußt wissen, auf welch' närrischem Fuß ich mit Deinem Bruder stehe. Die Art von Neigung, die er für mich hat, wie ich Dir vor einem Monate erzählt, ist immer stärker und immer schöner geworden, besonders seit der Abreise unserer Freundinnen. Er kam fast alle Abende zu uns, um nach dem Abendeffen mit mir bis Mitternacht oder gar bis Ein Uhr zu lustwandeln; da, mein liebes Lenchen, unterhielt er mich von seiner Neigung in einer wirklich recht altväterischen Weise, die aber nicht wenig belustigend war. Daß ich auf eben diesen Ton einging mit meiner Dir bekannten närrisch-ernsten Manier, kannst Du Dir vorstellen; aber mitten in allem Scherz habe ich mitunter ziemlich glückliche Wendungen gefunden, um ihn im Ernst zu überzeugen, daß ich ihn nicht liebe; und ich glaube, er ist davon überzeugt, obwohl ich ihm niemals so viel Angenehmes gesagt, wie ich jezt thue, in Folge eines Uebereinkommens, welches wir getroffen, uns zwei Tage in der Woche zu lieben; er hat den Montag und den Sonnabend gewählt, ich den Dienstag und den Sonntag."

In Bezug auf diesen selben Bruder schreibt Julie ihrer Freundin ein andermal: „Mein leßter Brief hat Dir Deinen Bruder im besten Zustande wiedergegeben. Was soll ich Dir noch mehr geben? Kann ich Dir ein anständigeres Geschenk machen? Er befindet sich in einem Zustande, der Dir Appetit machen könnte, ihn unzubereitet blos mit etwas Salz, zu genießen, wenn Du nicht wüßtest, daß ein Advokat vielleicht von allen Gerichten das ledernste und unverdaulichste ist."

Der muntere, neckische und originelle Geist, welchen im Keime schon diese Proben zeigen, erscheint in späteren Briefen immer mehr ausgebildet. Und es kann nicht befremden, daß dieser Geist bei Julien eben so, wie bei ihrem Bruder, auch seine Schattenseite hat: es ist ihm eine gewiffe Affectation, eine mitunter zu sehr gesuchte Spigfindigkeit, bisweilen eine etwas zu ungemäßigte Ausgelaffenheit eigen, Um ihrer jüngeren Schwester ihre Trägheit im Schreiben vorzuwerfen, drückt Julie fich in folgender Art aus: Wie schlecht sehe ich Dich Deinen Reichthum anwenden! Mit so viel Geist, um zu geben, mit einem so vortrefflichen Sinn für den Ausdruck, mit einer so reichen und so ausgezeichneten Fülle inneren Lebens, läßt Du mich betteln, mich, einen armen Lazarus! Ich muß anklopfen an die Thür Deines Herzens, muß mir viel Mühe geben, Deinen Geist für mich zu gewinnen, muß aufwecken alle Deine Diener: die guten Vorfäße, muß bezahlen Deine Kammerfrau: die Erinnerung, um auf die Beine zu bringen Deinen Pförtner: den guten Humor, und Deine süßen Leute: die guten Gedanken; geh, ich glaube: Du wirst verdammt werden, weil Du so viel Geist und so wenig Güte haft.") Uebrigens aber schließt die humoristische Lustigkeit bei Julien die Tiefe der Empfindung nicht aus. Das beweist folgende einem Tagebuche Julie's entnommene Stelle, die auch um der Beziehung willen, welche fie auf Beaumarchais hat, von Intereffe ist:

„Richardson, göttlicher Mann, wie lese ich Dich mit Liebe! Meine

*) Ein andermal schreibt sie: „J'aime toujours ma Lenon par Д, parcequ'elle est affable; je la désire par B, parcequ'elle est bonne; je l'envoie promener par C, parcequ'elle est capricieuse; je la reprends par D, parcequ'elle est douce; je la rends par F, parcequ'elle est folle."

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