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ren Uebung ist mein Onkel die erste Dämmerung musikalischer Theorie gewahr worden.

Ich.

O Narr! Erznarr! rief ich aus, wie ist es möglich, daß in deinem garstigen Kopf so richtige Gedanken vermischt mit so viel Tollheit sich finden?

Er.

Wer Teufel kann das wissen? Wirft sie ein Zufall hinein, so bleiben fie drinnen. So viel ist gewiß, wenn man nicht alles weiß, so weiß man nichts recht. Man versteht nicht, wo eine Sache hinwill, wo eine andre herkommt, wohin diese oder jene geordnet seyn will, welche vorausgehn oder folgen soll. Unterrichtet man gut ohne Methode? und die Methode? woher kommt sie? Seht, lieber Philosoph, mir ist, als wenn die Physik immer eine arme Wissenschaft seyn würde, ein Tropfen Wasser mit einer Stecknadelspiße aus dem unendlichen Ocean geschöpft, ein Sandkörnchen von der Alpenkette losgelöst. Und nun gar die Ursachen der Erscheinungen! Wahrhaftig es wåre besser gar nichts zu wissen, als so wenig so schlecht zu wissen. Und da war ich gerade, als ich mich zum Lehrer der musikalischen Begleitung aufwarf. Worauf denkt Ihr?

Ich.

Ich denke, daß alles, was Ihr da sagt, auffallender als gründlich ist. Es mag gut seyn. Ihr unterwies't, sagtet Ihr, in der Begleitung und Tonsetzung?

Ja.

Er.

Ich.

Und wußtet gar nichts davon?

Er.

Nein, bei Gott! und deßwegen waren jene viel schlimmer als ich, die sich einbildeten, sie verständen was. Wenigstens verdarb ich weder das Urtheil, noch die Hånde der Kinder. Kamen sie nachher von mir zu einem guten Meister, so hatten sie nichts zu verlernen, da sie nichts gelernt hatten, und das war immer so viel Geld und Zeit gewonnen.

Ich.

Wie machtet Ihr das aber?

Et.

Wie fie's alle machen. Ich kam, ich warf mich in einen Stuhl. Was das Wetter schlecht ist! wie das Pflafter ermüdet! Dann kam es an einige Neuigkeiten. Mademoiselle le Mierre sollte eine Vestalin in der neuen Oper machen, sie ist aber zum zweytenmal guter Hoffnung; man weiß nicht, wer sie dupliren wird. Mademoiselle Arnaud hat ihren kleinen Grafen fahren lassen. Man sagt, sie unterhandelt mit Bertin. Unterdessen hat sich der kleine Graf mit dem Porcellan des Herrn von Montami entschädigt. Im lehten Liebhaber-Concert war eine Italiånerin, die wie ein Engel gesungen hat. Das ist ein feltner Körper, der Préville. Man muß ihn in

dem galanten Mercur sehen. Die Stelle des Räthsels ist unbezahlbar. Die arme Dumenil weiß nicht mehr was sie sagt, noch was sie thut.... Frisch, Mademoiselle, Ihr Notenbuch! Und indem Mademoiselle sich gar nicht übereilt, das Buch sucht, das sie verlegt hat, man das Kammermädchen ruft, fahre ich fort: Die Clairon ist wirklich unbegreiflich. Man spricht von einer sehr abgeschmackten Heirath der Mademoiselle . . . . wie heißt fie doch? einer kleinen Creatur, die er unterhielt, der er zwey, drey Kinder gemacht hat, die schon so mancher unterhalten hatte Geht, Rameau, das ist nicht

möglich

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Genug, man sagt, die Sache ist gemacht. Es geht das Gerücht, daß Voltaire todt ist. Desto besser Warum desto besser? - Da gibt er uns gewiß wieder was Neckisches zum Besten. Das ist so feine Art, vierzehn Tage ehe er stirbt .... Was soll ich weiter sagen? Da sagte ich nun einiges Unanståndige aus den Häusern, wo ich gewesen war: denn wir sind alle große Kläischer. Ich spielte den Narren, man hörte mich an, man lachte, man rief: Er ist doch immer allerliebst. Unterdessen hatte man das Notenbuch unter einem Sessel gefunden, wo es ein kleiner Hund, eine kleine Katze herumgeschleppt, zerkaut, zerrissen hatte. Nun setzte sich das schöne Kind an's Clavier, nun machte sie erst allein gewaltigen Lårm darauf. Ich nahte mich dann und machte der Mutter heimlich ein Zeichen des Beifalls. Nan, das geht so übel nicht (sagt die Mut

ter), man brauchte nur zu wollen; aber man will nicht, man verdirbt lieber seine Zeit mit Schwäßen, Tåndeln, Auslaufen und mit Gott weiß was. Ihr wendet kaum den Rücken, so ist auch schon das Buch zu, und nur, wenn Ihr wieder da seyd, wird es aufgeschlagen. Auch hdr' ich niemals, daß Ihr einen Verweis gebt. Unterdessen, da doch was geschehen mußte, so nahm ich ihr die Hände und setzte sie anders. Ich that bdse, ich schrie: Sol, sol, sol, Mademoiselle, es ist ein sol. Die Mutter: Mademoiselle, habt Ihr denn gar keine Ohren. Ich steh' nicht am Clavier, ich sehe nicht in Euer Buch und fühle selbst, ein sol muß es seyn. Ihr macht dem Herrn eine unendliche Mühe, behaltet nichts was er Euch sagt, kommt nicht vorwärts. Nun fing ich diese Streiche ein wenig auf, zuckte mit dem Kopfe und sagte: Verzeiht, Madame, verzeiht! Es könnte besser gehen, wenn Mademoiselle wollte, wenn sie ein wenig studirte; aber so ganz übel geht es doch nicht. — An Eurer Stelle hielt ich sie ein ganzes Jahr an einem Stücke fest Was das betrifft, soll sie mir nicht los, bis sie über alle Schwierigkeiten hinaus ist, und das dauert nicht so lange, als Mademoiselle vielleicht glaubt. meau, Ihr schmeichelt ihr; Ihr seyd zu gut.

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Herr Ra

Das ist

von der Lection das Einzige, was sie behalten und mir gelegentlich wiederholen wird. - So ging die Stunde vorbei. Meine Schülerin reichte mir die Marke mit anmuthiger Armbewegung, mit einem Reverenz, wie sie

der

der Tanzmeister gelehrt hatte. Ich steckte es in meine Tasche, und die Mutter sagte: Recht schön, Mademoiselle! Wenn Favillier da wäre, würde er applaudiren. Ich schwaßte noch einen Augenblick der Schicklichkeit wegen, dann verschwand ich, und das hieß man damals eine Lection in der Begleitung.

Ich.

Und heut zu Tage ist es denn anders?

Er.

Bei Gott! das sollt' ich denken. Ich komme, bin ernsthaft, werfe meinen Muff weg, dffne das Clavier, versuche die Tasten, bin immer eilig, und wenn man mich einen Augenblick warten läßt, so schrei' ich als wenn man mir einen Thaler ståhle. In einer Stunde muß ich da und dort seyn, in zwei Stunden bei der Herzogin so und so, Mittags bei einer schönen Marquise, und von da gibt's ein Concert bei Herrn Baron von Bagge, rue neuve des petits champs.

Ich.

Und indessen erwartet man Euch nirgends.

Das ist wahr!

Er.

Ich.

Und wozu alle diese kleinen niederträchtigen Künste ?
Er.

Niederträchtig? und warum, wenn's beliebt? In meinem Stand sind sie gewöhnlich, und ich erniedrige

Goethe's Werke. XXXVI. Br.

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