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Diderot's Versuch über die Mahlerey.

Weberseht und mit Anmerkungen begleitet.

Geständniß des Ueberseßers.

Woher kommt es wohl, daß man, obgleich dringend aufgefordert, sich doch so ungern entschließt, über eine Materie, die uns geläufig ist, eine zusammenhangende Abhandlung zu schreiben? eine Vorlesung zu entwerfen? Man hat alles wohl überlegt, den Stoff sich vergegenwärtiget, ihn so gut man nur konnte geordnet, man hat sich aus allen Zerstreuungen zurückgezogen, man nimmt die Feder in die Hand, und noch zaudert man, anzufangen.

In demselbigen Augenblicke tritt ein Freund, vielleicht ein Fremder, unerwartet herein, wir glauben uns gestört, und von unserm Gegenstande hinweggeführt; aber unvermuther lenkt sich das Gespräch auf denselben, der Ankömmling läßt entweder gleiche Gesinnungen merken, oder er drückt das Gegentheil unserer Ueberzeugung aus, vielleicht trågt er etwas nur halb und unvollstän=

dig vor, das wir besser zu übersehen glauben, oder er: höht unsere eigne Vorstellung, unser eignes Gefühl, durch tiefere Einsicht, durch Leidenschaft für die Sache. Schnell find alle Stockungen gehoben, wir lassen uns lebhaft ein, wir vernehmen, wir erwidern. Bald gehen die Meinungen gleichen Schrittes, bald durchkreuzen sie sich, das Gespräch schwankt so lange hin und her, kehrt so lange in sich selbst zurück, bis der Kreis durchlaufen und vollendet ist. Man scheidet endlich von einander, mit dem Gefühl, daß man sich für dießmal nichts weiter zu sagen habe.

Aber dadurch wird die Abhandlung, die Vorlesung nicht gefördert. Die Stimmung ist erschöpft, man wünscht, daß ein Geschwindschreiber das vorüberrauschende Gespräch aufgefaßt haben möchte. Man erinnert sich mit Vergnügen der sonderbaren Wendungen des Dialogs, wie, durch Widerspruch und Einstimmung, durch Zweyseitigkeit und Vereinigung, durch Rückwege so wie durch Umwege, das Ganze zuleht umschrieben und beschränkt worden, und jeder einseitige Vortrag, er sey noch so vollständig, noch so methodisch gefaßt, kommt uns traurig und steif vor.

Daher mag es kommen! Der Mensch ist kein lehrendes, er ist ein lebendes, handelndes und wirkendes Wesen. Nur in Wirkung und Gegenwirkung erfreuen wir uns! und so ist auch diese Uebersetzung mit ihren fortdauernden Anmerkungen in guten Lagen entstanden.

Eben als ich in Begriff war, eine allgemeine Einleitung in die bildende Kunst, nach unserer Ueberzeugung, zu entwerfen, fållt mir Diderot's Versuch über die Mahlerey zufällig wieder in die Hände. Ich unterhalte mich mit ihm auf's neue, ich tadle ihn, wenn er sich von dem Wege entfernt, den ich für den rechten halte, ich freue mich, wenn wir wieder zusammentreffen, ich eifre über seine Paradore, ich ergöße mich an der Lebhaftigkeit seiner Ueberblicke, sein Vortrag reißt mich hin, der Streit wird heftig, und ich behalte freilich das lezte Wort, da ich mit einem abgeschiednen Gegner zu thun habe.

Ich komme wieder zu mir selbst! Ich bemerke, daß diese Schrift schon vor dreyßig Jahren geschrieben ist, daß die paradoren Behauptungen vorsätzlich gegen pedantische Manieristen der Französischen Schule gerichtet sind, daß ihr Zweck nicht mehr statt findet, und daß diese kleine Schrift mehr einen historischen Ausleger verlangt, als einen Gegner auffordert.

Werde ich aber bald darauf wieder gewahr, daß seine Grundsåße, die er mit eben so viel Geist als rhetorisch sophistischer Kühnheit und Gewandtheit geltend macht, mehr um die Inhaber und Freunde der alten Form zu beunruhigen, und eine Revolution zu veranlassen, als ein neues Kunstgebäude zu errichten; daß seine Gesinnungen, die nur zu einem Uebergang vom Manierirten, Conventionellen, Habituellen, Pedantischen, zum Ge=

fühlten, Begründeten, Wohlgeübten und Liberalen einladen sollten, in der neuern Zeit als theoretische Grundmarimen fortspuken, und sehr willkommen sind, indem sie eine leichtsinnige Praktik begünstigen: dann finde ich meinen Eifer wieder am Plat, ich habe nicht mehr mit dem abgeschiedenen Diderot, nicht mit seiner, in gewißsem Sinne schon veralteten, Schrift, sondern mit denen zu thun, die jene Revolution der Künste, welche er hauptsächlich mit bewirken half, an ihrem wahren Fortgange hindern, indem sie sich auf der breiten Fläche des Dilettantismus und der Pfuscherey, zwischen Kunst und Natur hinschleifen, und eben so wenig geneigt sind eine gründliche Kenntniß der Natur, als eine gegründete Thätigkeit der Kunst zu befördern.

Möge denn also dieses Gespräch, das auf der Gränze zwischen dem Reiche der Todten und Lebendigen geführt wird, auf seine Weise wirken, und die Gesinnungen und Grundsätze, denen wir ergeben sind, bei allen, denen es Ernst ist, befestigen helfen!

Erstes Capitel.

Meine wunderlichen Gedanken über die Zeichnung.

,,Die Natur macht nichts Incorrectes. Jede Ge,,stalt, sie mag schön oder håßlich seyn, hat ihre Ursache, ,,und unter allen existirenden Wesen ist kein's, das nicht ,,wåre, wie es seyn soll.“

Die Natur macht nichts Inconsequentes, jede Gestalt, sie sey schön oder häßlich', hat ihre Ursache, von der sie bestimmt wird, und unter allen organischen Naturen, die wir kennen, ist keine, die nicht wäre, wie sie seyn kann.

So mußte man allenfalls den ersten Paragraphen åndern, wenn er etwas heißen sollte. Diderot fångt gleich von Anfang an die Begriffe zu verwirren, damit er künftig, nach seiner Art, Recht behalte. Die Natur ist niemals correct! dürfte man eher sagen. Correction setzt Regeln voraus, und zwar Regeln, die der Mensch selbst bestimmt, nach Gefühl, Erfahrung, Ueberzeu gung und Wohlgefallen, und darnach mehr den äußern Schein als das innere Daseyn eines Geschöpfes beurs theilt; die Geseke hingegen nach denen die Natur wirkt, fordern den strengsten, innern organischen Zusammenhäng. Hier find Wirkungen und Gegenwirkungen, wo man' immer die Ursache als Folge und die Folge als Ur

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