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legenheit zu einer edlen und würdigen Darstellung nicht unbenußt gelassen håtte, suchte der gute Kopf durch ein kurzes allegorisches Vorspiel den glücklichen Stoff nur geschwind los zu werden, worauf er hingegen ein Schubladenstück, der Cirkel, folgen ließ, worin er das, was seiner literarischen Kleinheit am nächsten lag, mit Selbstgefälligkeit behandelte.

Es erschienen nåmlich in diesem Stücke übertriebene Poeten, anmaßliche Gönner und Gönnerinuen, gelehrte Frauen und dergleichen Personen, deren Urbilder nicht selten sind, sobald Kunst und Wissenschaft in das Leben einwirkt. Was sie nun Lächerliches haben mögen, wird hier bis in's Abgeschmackte übertrieben dargestellt, anstatt daß es immer schon dankenswerth ist, wenn jemand Bedeutendes aus der Menge, eine Schöne, ein Reicher, ein Vornehmer am Rechten und Guten theilnimmt, wenn es auch nicht auf die rechte Weise geschieht.

Ueberhaupt gehört nichts weniger auf's Theater, als Literatur und ihre Verhältnisse. Alles was in diesem Kreise webt, ist so zart und wichtig, daß keine Streitfrage aus demselben vor den Richterstuhl der gaffenden und staunenden Menge gebracht werden sollte. Man berufe sich nicht auf Molière, wie Palissot und nach ihm andre gethan haben. Dem Genie ist nichts vorzuschreiben, es läuft glücklich wie ein Nachtwandler über die scharfen Gipfelrücken weg, von denen die wache Mittelmåßigkeit bei'm ersten Versuche herunterplumpt. Mit

wie leichter Hand Molière dergleichen Gegenstände be= rührt, wird nächstens anderswo zu entwickeln seyn.

Nicht genug, daß Palissot seine literarischen Zunftverwandten vor Hof und Stadt durchzog, ließ er auch ein Fraßenbild Rousseau's auftreten, der sich zu jener Zeit, zwar parador aber doch würdig genug, angekündigt hatte. Was von den Sonderbarkeiten dieses aus ßerordentlichen Mannes den Weltmenschen auffallen konnte, ward hier, keinesweges geistreich und heiter, sondern tåppisch und mit bdsem Willen vorgestellt, und das Fest zweyer Könige pasquillantisch herabgewürdigt.

Auch blieb diese unschickliche Kühnheit für den Verfasser nicht ohne Folgen, ja sie hatte Einfluß auf sein ganzes Leben. Die Gesellschaft genie und talentreis cher Menschen, die man unter dem Namen der Philosophen oder Encyklopädisten bezeichnete, hatte sich schon gebildet und d'Alembert war ein bedeutendes Glied derselben. Er fühlte was ein solcher Ausfall, an einem solchen Tage, bei einer solchen Gelegenheit, für Folgen haben könne. Er lehnte sich mit aller Gewalt dagegen auf; und ob man gleich Palissoten nicht weiter beikom= men konnte, so ward er doch als ein entschiedener Gegner jener großen Societåt behandelt, und man wußte ihm auf mancherlei Weise das Leben sauer zu machen. Dagegen blieb er von seiner Seite nicht müßig.

Nichts ist natürlicher, als daß jene verbündete Anzahl außerordentlicher Männer, wegen dessen was sie

waren und was sie wollten, viele Widersacher finden mußten. Zu diesen schlug sich Palissot und schrieb das Lustspiel, die Philofophen, worüber der folgende Artikel nachzusehen.

Die Philosophen.

Ein Lustspiel von Palissot, zum erstenmal den 2ten Mai 1760 zu Paris aufgeführt.

Wie ein Schriftsteller sich ankündigt, fährt er meis stentheils fort, und bei mittleren Talenten sind oft im ersten Werke alle die übrigen enthalten. Denn der Mensch, der in sich selbst eins und rund ist, kann auch in seinen Werken nur einen gewissen Kreis durchlaufen.

So waren auch Palisfots Philosophen nur eine Amplification jenes Feststückes zu Nancy. Er geht weiter, aber er sieht nicht weiter. Als ein beschränkter Widerfacher eines gewissen Zustandes erblickt er keinesweges, worauf es im allgemeinen ankommt, und bringt auf ein beschränktes, leidenschaftliches Publicum eine augenblick= liche Wirkung hervor.

Erheben wir uns hdher, so bleibt uns nicht verborgen, daß ein falscher Schein gewöhnlich Kunst und Wissenschaft begleitet, wenn sie in den Gang der Welt eins treten: denn sie wirken auf alle vorhandenen Menschen und nicht etwa allein auf die vorzüglichsten des Jahrhunderts. Oft ist die Theilnahme halbfähiger, anmaßlicher

Naturen fruchtlos, ja schädlich. Der gemeine Sinn er schricht über die falsche Anwendung höherer Marimen, wenn man sie mit der rohen Wirklichkeit unmittelbar in Verhältniß bringt.

Sodann haben alle zurückgezogenen, nur für ein gewisses Geschäft wirksamen Menschen vor der Welt ein fremdes Ansehen, das man gern lächerlich findet. Sie verbergen nicht leicht, daß sie auf das, worauf sie ihr Leben verwenden, einen großen Werth legen, und erschei nen dem, der die Bemühung nicht zu schäßen oder gegen das Verdienst, das sich vielleicht zu sehr fühlt, keine Nachsicht zu haben weiß, als übermüthig, grillenhaft und eingebildet.

Alles dieses entspringt aus der Sache, und nur der wåre zu loben, der solchen unvermeidlichen Uebeln derge stalt zu begegnen wüßte, daß der Hauptzweck nicht verfehlt würde und die hdhern Wirkungen für die Welt nicht verloren gingen. Palissot aber will das Uebel årger machen, er gedenkt eine Satyre zu schreiben, und gewissen bestimmten Individuen, deren Bild sich allenfalls verzerren låßt, in der öffentlichen Meinung zu schaden, und wie benimmt er sich?

Sein Stück ist in drey Acte kurz zusammengefaßt. Die Oekonomie desselben ist geschickt genug und zeugt von einem geübten Talente; allein die Erfindung ist mager, man sieht sich in dem ganz bekannten Raume der Französischen Komödie. Nichts ist neu, als die Kühn

heit ganz deutlich ausgesprochene Personalitåten auszubringen.

Ein wackrer Bürger hatte seine Tochter vor seinem Tode einem jungen Soldaten zugesagt, die Mutter aber ist nunmehr als Wittwe von der Philosophie eingenom men und will das Mädchen nur einem aus dieser Gilde zugestehen. Die Philosophen selbst erscheinen abscheulich, und doch in der Hauptsache so wenig charakteristisch, daß man an ihre Stelle die Nichtswürdigen einer jeden Classe setzen könnte.

Keiner von ihnen ist etwa durch Neigung, Gewohnheit oder sonst an die Frau und das Haus gebunden, keiner betriegt sich etwa über sie, oder hat sonst irgend ein menschliches Gefühl gegen dieselbe: das alles war dem Autor zu fein, ob er gleich genugsame Muster hierzu in dem sogenannten Bureau d'esprit vor sich fand; verhaßt wollte er die Gesellschaft der Philosophen machen. Diese verachtet und verwünscht ihre Gdnnerin auf das plumpste. Die Herren kommen sämmtlich nur in's Haus, um ihrem Freund Valère das Mädchen zu verschaffen. Sie versichern, daß keiner, sobald dieser Anschlag gelungen, die Schwelle je wieder betreten werde. Unter solchen Zügen soll man Månner, wie d'Alembert und Helvetius, wieder erkennen! Denken läßt sich, daß die von dem Lehtern aufgestellte Marime des Eigennutes wacker durchgezogen und als unmittelbar zum Ta=

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