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viele Menschen der Vater der Tochter zum Hochzeitszug eingeladen hat, auch ist der Tag der Hochzeit darin bestimmt. Sieben Tage vor der Hochzeit werden die Braut und der Bräutigam mit einer aus Mehl, Del und einigen wohlriechenden Stoffen bestehenden Komposition wohl abgerieben und gewaschen, was oft dringend nötig ist. Wenn am Hochzeitstage der Bräutigam auf einem Pferde reitend, in Begleitung seiner Verwandten unter einer fürchterlichen, ohrzerreißenden Musik im Hause seines Schwiegervaters an kommt, so ziehen sie ihm dort ein schönes Kleid an, auf sein Haupt sehen sie eine Art von Diadem aus Silber und Gold und auf seine Stirn binden sie einen Kranz aus Goldfäden bestehend. Dann wird ein Feuer im Hofraum angezündet, um das der Priester den Bräutigam und die Braut viermal herumführt. Ist einmal die Braut viermal um das Feuer herumgeführt, so darf sie dann, auch wenn ihr Gemahl stirbt, nicht mehr heiraten. Am zweiten Tage rufen die Eltern oder Verwandten der Braut die Eingeladenen zusammen und bewirten sie mit allerlei süßem Backwerk, wobei auch viel gesungen wird, besonders von dem weiblichen Teile, der in den Frauengemächern notorischer Weise sich oft mit obfcönen Liedern und Possen vergnügt. Am dritten Tage der Festlichkeiten wird Reis mit faurer Milch aufgewartet und in großen Quantitäten verspeist. Am vierten Lage werden die Hochzeitsgeschenke gegeben und die Gesellschaft zerstreut sich. Reiche Leute feiern solche Hochzeiten mit außerordentlichem Prunke. Als sich Graf Goblet d'Alviella zu Sir Mulguldaß Nathonboy in Bombay begab, welcher die Hochzeit seiner zwei Söhne begieng, konnte er tausend bis zwölfhundert Frauen betrachten, welche, in die schönsten Stoffe: in weiße, blaue, gelbe, rote, grüne, mit Gold- und Silberfransen geschmückte Gaze gekleidet, in fünf langen Reihen saßen oder vielmehr zusammengekauert waren. Vor ihnen befanden sich Teller und Schüffeln, auf welchen alle Leckerbissen der einhei mischen Küche lagen. Die Damen, welchen man ebensowenig Eßbestecke als Size gereicht hatte, bedienten sich auf die natürlichste und geschickteste Weise ihrer Hände. Zwischen den langen Reihen der Frauen bewegten sich Diener, nackt bis an den Gürtel, welche in großen Gefäßen die Speisen trugen und jenen reichten, welche sie wünschten. Das Gastmahl dauerte zwei bis drei Stunden und als die Damen abgespeist waren, kam die Reihe an die Männer. Ein nationaler Tanz beschließt gewöhnlich die Festlichkeiten. Die Tänze, von denen man sich in Europa Wunder verspricht, befriedigen nicht allzusehr die Erwartung. Zuerst," erzählt d'Alviella, „erschienen drei Männer, einer mit einem Lamburin, die zwei anderen mit einer Art von Guitarre versehen. Ihnen folgten zwei Tänzerinnen, welche sich in Bombay eines außerordentlichen Rufes der Schönheit erfreuen, ohne daß fie besonders schön wären. Das Honorar, das eine solche Tänzerin für einen Abend erhält, beträgt tausend Frank. Im Gegensaze zu den Erscheinungen auf unserem Theater waren diese Tänzerinnen für die Soiree weit mehr gekleidet als für die Straße. Ihre Kleider waren am Halse geschlossen, die Röcke fielen in reichen Falten herab und die Pantalons umschlossen enge die Knöchel. Der „Nautsch“, ein nationaler Tanz, bestand mehr im Gesange als im Tanze. Nur hie und da bewegte sich eines der jungen Mädchen und glitt bis in die Mitte des Salons, die Hände über dem Haupte und die Bewegung leicht in den Hüften markierend, so daß die mit Goldmünzen besehten Arm- und Fußbänder ertönten. Die Lieder, welche etwas näselnd die rhythmischen Bewegungen des Körpers begleiteten, waren Liebeslieder; man hätte aber ebenso gut dieselben für Hymnen halten können. Die Bewegungen entbehrten nicht einer gewissen Grazie, zu deren Erkenntnis man nach und nach gelangte, aber das Ganze ermangelte vollständig, besonders wenn man die Worte nicht verstand, jenes Lebens und jener Be lebung, welche man im Oriente zu finden hofft."

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Wenn man bedenkt, daß diese Feste oft eine ganze Woche hindurch dauern, wird man die ganz außerordentlichen Ausgaben ermessen, welche eine Hochzeit den Hindu_verursacht. Es ist dies zwar der einzige Lurus dieses Volkes, allein er ruiniert mit einem Male Familien, die nicht sehr wohlhabend sind und doch nicht den Mut besigen, fich der Tyrannei der Sitte zu entziehen. Es wird deshalb die Geburt einer Tochter als ein Unglück angesehen und vornehme Radschputen ziehen es vor, ihre Töchter gleich nach der Geburt in warmer Milch zu ertränken, weil sie die Hochzeitsauslagen für ihre Töchter fürchten. Auch sonst ist die Mädchentötung in Hindustan sehr gebräuchlich Revue d'Anthropologie Vol. III, p. 705-706. Globus, Bd. XVIII, S. 3a, Bd. XX, S. 256). Viele der am Leben gelassenen Mädchen werden wegen gänzlicher Vernachlässigung ge= brechlich und krank. Um nun den Erwachsenen der mädchenmordenden Stämme Frauen zu verschaffen, hat sich eine Art Heiratsmaklergilde gebildet, die anderswo Mädchen raubt und kauft und jenen verkauft; ja zu Mannukgunge bei Kalkutta existierte vor mehreren

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Jahren, und vielleicht auch noch jezt, ein förmlicher Mädchenmarkt, wo Mädchen von etwa dreizehn Jahren öffentlich zum Verkaufe ausgestellt waren.

Den Mittelpunkt des geselligen Lebens bei den Hindu bildet der Haushalt; aber der äußeren Welt ist derselbe nicht leicht zugänglich, denn das Haus, namentlich der höheren Kasten, ist in jeder Beziehung ein Heiligtum, in welchem der Vater fast unumschränkte Autorität ausübt, zugleich aber auch für die leiblichen und geistigen Be dürfnisse der ganzen Familie zu sorgen hat. Denn die verheirateten Söhne führen ihre Gattinnen unter das väterliche Dach, unter dem dann auch die Enkel aufwachsen. Nächst dem Oberhaupte der Familie steht dessen Gattin, deren Stellung sehr mannigfaltige und schwierige Pflichten umfaßt, besonders in Achtung. Ihre Haupttugend ist die Sparsamfeit, denn der Charakter der Hindu ist jeder Verschwendung abgeneigt. Außerdem ist die Hindufrau ein Muster von Hingebung, Keuschheit und Selbstlosigkeit. Sie befizt natürlichen Verstand und gutes Gedächtnis, ist aber meist wenig gebildet, troßdem liegt der. Unterricht der Töchter fast ganz in ihren Händen. Die beklagenswertesten Familienmitglieder find unstreitig die Schwiegertöchter, weil sie keine selbständige Beschäftigung haben und ganz unter der Kontrolle der Schwiegermutter stehen. Mit Ausnahme der legteren führen sämtliche weibliche Personen des Haushalts ein sehr abgeschlossenes Leben, ja genau genommen find fie eigentlich auf den bloßen Umgang mit den Kindern beschränkt. Ohne Erlaubnis des Familienvaters dürfen sie das Haus nicht verlassen, ja faum die äußeren, für die Männer bestimmten Räume des Wohnhauses betreten. In Gegenwart der Schwiegermutter oder einer älteren Frau dürfen sie nicht den Schleier lüften oder die Lippen öffnen, um mit ihrem Manne zu sprechen. In Gegenwart von Männern zu effen, gilt für höchst unschicklich; deshalb kauern die Frauen zur Essenszeit auf der Erde und warten, bis die Männer ihre Mahlzeit vollständig beendet haben. Sie, sowie ihre Kinder, müssen dreimal täglich baden und die Kleidung wechseln; würden sie diese Pflicht der Reinlichkeit versäumen, so dürften sie keinerlei häusliche Arbeit zur Hand nehmen. Ihre Erholungen sind sehr beschränkt; einige lesen, andere, welche diese Kunst nicht verstehen, zerstreuen sich durch Handarbeit und Kartenspiel, oder sie hören sehr findische Erzählungen an, wobei sie eine große Vorliebe für alles Phantastische befunden. Dies liegt übrigens im indischen Volkscharakter überhaupt, wie aus den uns bekannten zahlreichen indischen Märchen deutlich hervorgeht. Im übrigen werden schon im zarten Alter von fünf Jahren die Gedanken der Mädchen auf die Ehe gelenkt, und beten sie um zärtliche und treue Gatten. Ein Hinduweib fürchtet nämlich nichts so sehr, als daß ihr Mann eine zweite Frau neben ihr nehmen möchte; denn Polygamie ist gestattet, namentlich wenn die erste Frau keine Kinder hat. Als ein anderes schweres Uebel be trachten sie die Witwenschaft. Wenn ein Mädchen ihren Gatten verliert, noch ehe fie das Haus ihrer Eltern verlassen hat, muß sie doch während ihres ganzen Lebens Witwe bleiben. Als solche aber wird sie als Ausgestoßene, als unreines Geschöpf betrachtet und darf sich nicht mehr an den geselligen und häuslichen Angelegenheiten des Lebens betei ligen; ift fie gar kinderlos, so wird ihr dies geradezu als Verbrechen angerechnet. In neuester Zeit sind allerdings, was früher unerhört, einige seltene Fälle von Wiedervermählungen von Witwen vorgekommen. Der ehemals allgemeine Brauch der „Sati“ oder „Suttee", nach dem die Witwe gezwungen war, sich auf dem Scheiterhausen ihres Gatten lebendig dem Flammentode zu weihen, ist jest fast völlig erloschen, kommt aber vereinzelt wohl noch im Innern vor, wo die Briten weniger Einfluß haben und Personen fehlen, welche die Ausübung dieser Sitte zur Anzeige bringen würden..

Die Stellung der Hindufrauen beginnt übrigens neuerdings durch den Einfluß der Engländer mehr und mehr eine andere zu werden. Denkende Hindu, welche Gelegen= heit hatten, die Vorzüge der westlichen Kultur kennen zu lernen, find sehr bemüht, ihren Frauen und Töchtern die Vorteile derselben zuzuwenden. Schon hat die weibliche Erziehung solche Fortschritte gemacht, daß im ganzen 2000 Mädchenschulen bestehen, in denen 50,000 Schülerinnen erzogen werden. Wenn man aber die ungeheure Ausdehnung des Landes bedenkt, die etwa zwei Drittel des Flächenraumes von ganz Europa beträgt, so wird man zugeben, daß dieser Fortschritt für die Millionen von Eingeborenen nur ungenügend zu nennen ist. Auch muß man bedenken, daß eine große Anzahl indischer Frauen und Mädchen jedem Einflusse der Schule unerreichbar ist, weil dieselben ja eben ihr lebenlang in der Abgeschiedenheit der Zenana" (Frauengemächer) eingeschlossen gehalten werden, und wenn es nicht gelingt, die Bildung dort hinein zu tragen, so fönnen und werden sie nie herauskommen, um diese zu suchen. Deshalb hat sich in England eine Gesellschaft gebildet, welche unabhängige englische Damen aussendet, um in

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Indien als Zenana-Lehrerinnen zu wirken. Natürlich können die auf solche Weise ausgestreuten Samen nur langsam reifen. Uebrigens wäre es ein schwerer Irrtum, zu glauben, daß die geringe Bildung der Hindufrauen ausnahmslos sei; vielmehr besist die moderne Hindulitteratur ebensogut ihre weiblichen Berühmtheiten als die deutsche. Die schriftstellernden Frauen Hindostans sind ausschließlich Dichterinnen und tragen dann neben ihrem gewöhnlichen Namen immer noch einen Beinamen, der sich auf ihre Werke bezieht. Stirbt ein Brahmane, Kfchatry oder Waiçya, so machen seine Söhne oder Enkel, nach ihren Mitteln, einen schönen Baldachin und legen den Toten darauf, in einen Shawl oder in ein seidenes Tuch eingewickelt. Der älteste Sohn läßt das Haupt des Vaters rasieren, bindet Ringe von Kusagras um seine Hände und trägt mit drei anderen Brüdern oder Verwandten den Toten hinaus. Die übrigen Hausgenossen gehen mit bis zum Ort des Scheiterhaufens, indem sie über den Toten hinweg Blumen, Süßigkeiten. Kupfer und Silbermünzen unter die Leute werfen, und sprechen: Sri Ram nam sat hai. d. h. „Der Name von Sri Ram ist wahrhaftig." Auf dem Verbrennungsplate ange kommen, legen sie den Toten nieder, machen eine Oblation von einer Reiskugel (aus Reis, Milch, geronnener Milch und Blumen zu einer Kugel zusammengeballt) für die Manen des Verstorbenen; auf allen vier Seiten um den Leichnam herum wird Wasser ausgegossen und ein irdenes Gefäß zerbrochen. Dann legen sie den Leichnam, mit oder ohne die Schale oder Tücher, in die er eingewickelt war, auf den Holzstoß; am vierten Tage werden die noch übrigen Gebeine gesammelt und nach dem Ganges gesendet, in den fie geworfen werden. Durch einen Todesfall wird ein Haus auf zwölf Tage unrein. Vier Jahre nach dem Tode wird zum Andenken an den Verstorbenen eine Trauer: feierlichkeit (Sradh") abgehalten, wobei eine Anzahl Brahmanen mit verschiedenen Speisen bewirtet wird; denn die Hauptsache bei solchen Zeremonien ist immer das Essen und Trinken. Wer irgend es vermag, läßt das Sradh jedes Jahr wiederholen.

Die Gebräuche der Sikh sind verschieden von denen der Hindu. Die echten Sift gebrauchen keine Brahmanen, die sie hassen, noch achten sie auf die Veda oder sonstige heilige Schriften der Hindu, sondern das heilige „Granth" (Buch) ist die Richtschnur ihres Glaubens und ihres Lebens. Echte Sith achten darum nicht auf die Kaste und tragen auch nicht die heilige Schnur, wie die drei höhern Hindukasten. An die Stelle des Ärlegens der heiligen Schnur tritt bei dem Sikhknaben im Alter von sieben bis zehn Jahren die Einweihung oder der „Tahul", der in Amritsar, wo der heilige Tempel der Sikh steht. vollzogen wird. Dies geschicht auf folgende Weise. Fünf Sith, worunter wenigstens ein "Granthi" (ein Vorleser des heil. Granths) sein sollte, versammeln sich am Teich des heiliger. Tempels; es wird aus dem heiligen Teich Wasser in ein Gefäß geschöpft, in welches etwas Zucker geworfen und mit einem zweischneidigen Dolch umgerührt wird. Der Einzuweihende steht da mit den flachen Händen aneinander gelegt und in die Höhe gehalten, und sagt den kurzen, in Versen abgefaßten Sikhglauben her. Der Granthi sprigt dann etwas von diesem Wasser in sein Gesicht und auf seine Person, und giebt ihm dann auch davon zu trinken, worauf der Novize ausruft: Wah Guru! (Heil dem Guru!), Guru-ji ki fathe!" (Sieg dem Guru!); die übrigen trinken dann den Rest des Waffers aus. Die ganze Zeremonie schließt mit einem Bade in dem heiligen Teiche. Die Mädchen werden jezt nicht eingeweiht, früher aber soll es auch geschehen sein. Sonst belästigen fich die Sith nicht viel mit Zeremonien; ihr Hauptgebot ist, das heilige Granth zu lesen, oder es lesen zu hören, was gewöhnlich von einem Granthi in einem Dharmsal“ (dem Bersammlungsort der Sith) geschieht. Die Sith heiraten etwas später als die Hindu, und find darum auch ein viel kräftigerer Volksschlag. Die echten Sikh gebrauchen bei ihren Heiraten nur Granthi, die dabei einen passenden Abschnitt aus dem Granth vorlesen: der viermalige Umgang um das Hochzeitsfeuer findet nicht statt. Die Sith scheren ni: das Haupthaar noch den Bart, sondern lassen alles wachsen, und binden ihr Haupthaar in langen Zöpfen um das Haupt. Sie tragen eine Art enganliegender Hosen, einen hohen Turban, in dem sich etwas Stahl befinden muß, da jeder Sikh Stahl bei sich haben soll. Ihre Toten verbrennen sie wie die Hindu, wobei aber nur das Granth gebrauch: wird; Sradh und sonstige Zeremonien der Hindu verwerfen sie als gottlos. Es giebt aber viele Sith, welche die Kasten festhalten und auch der Brahmanen sich bedienen, wie die übrigen Hindu. Sie betrachten sich einfach als Schüler (Sikh) Nanakz, ehren and den Granth, aber sind nicht aus dem Schoße des Hinduismus ausgetreten. Es ist wobl bekannt, daß die gegenwärtige Zeitrichtung unter den Sikh dahin geht, wieder zum Hinduismus zurückzukehren, seit ihnen die weltliche Macht und zeitlicher Vorteil ent zogen sind.

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Eine wichtige Klasse der Hindu sind die eingebornen Muhammedaner, deren man jezt mehr denn 50 Millionen in Indien zählt, so daß sie ein Sechstel der Gesamtbevölkerung ausmachen. Sie bilden keine eigenen Gemeinden, sondern leben unter den andersgläubigen Hindu und sind aus diesen durch Annahme des Islam erwachsen. Die Einführung des Jelam in den Gangesländern datiert aus dem elften Jahrhundert vom Einfall der Afghanen; vor der Spize des Schwertes beugten sich die Hindu und nahmen damals, wie später unter den ersten Mogulsultanen zu Delhi, die Lehre Muhammeds an. Die Zahl der fremden Muselmänner, die sich in Indien niederließen, ist indes sehr gering und ihr Blut hat nur in wenigen nicht volkreichen Gruppen Epuren zurückgelassen, wie in den Pathan, den Nachkommen der afghanischen und persischen Eroberer, die sich am zahlreichsten im Nordwesten finden, aber in ganz Indien nicht zwei Millionen erreichen; größere Ansprüche machen die Mogul, die Nachkommen der türkisch-tatarischen Eroberer. Die große Mehrzahl der gegenwärtigen Bekenner des Jslam in Indien ist aber nicht von fremdem Blute, sondern entstammt niederen Kasten der Hindu. Den Ursachen des Uebertritts zum Jelam entspricht die geographische Verteilung der Mussalman", wie die Engländer fie nennen. Nächst dem Pandschab und Sindh, wo jeder Eroberer Indien zuerst betrat und sich Araber, Afghanen und türkisch-tatarische Völker in größerer Zahl niederließen als irgendwo sonst, hat Bengalen die meisten Muhammedaner. Im Pandschab und Sindh bilden die Moslemin längs der ganzen Westgrenze vom Meer an bis zum Himalaya hinauf nirgends unter 80 Proz. der Bevölkerung, in den Distrikten zunächst den Hauptpaßübergängen um Peschawar nach Afghanistan nicht unter 90 Proz., Zahlen, wie sie sonst im ganzen Reiche nirgends wiederkehren; östlich von Kalkutta erstreckt sich nördlich bis zu den Vorbergen des Himalaya, westlich bis zu den rohen Jagdvölkern an der birmanischen Grenze ein breiter, äußerst dicht bewohnter Streifen Landes, wo niemals unter 50, durchschnittlich aber 70 Proz. Muhammedaner sizen. Um Delhi herum, der Kaiserresidenz der vorenglischen Mogulherrscher, wohnen nur 20 Proz., und nur nordwestlich davon steigt die Zahl bis zu 33 Proz., fällt aber dann, und übersteigt nirgends mehr in ganz Hindustan biz hinab in die Deltaländer Bengalens die Zahl von 19 Proz. Entsprechend der Zusammenseßung der Muham= medaner ist Gliederung in Kasten vorherrschend nur in den Landschaften mit ausgebildetem Hindukultus, während unter den aus den niederen Volksschichten herausgewachsenen Bekennern des Islam die große Mehrheit (in Bengalen bis zu 94 Proz.) auf die Frage nach der Kaste keine andere Antwort zu geben wußte, als daß sie Moslemin seien. In Oude machte man die Bemerkung, daß die Aufteilung der Gruppen und Mehrung der Kasten unter den höheren Klassen der Muhammedaner in derselben Weise vor sich gehe wie unter den Hindu; sonst ziehen mit dem Islam die Titel „Scheith", "Sayad“, „Pathan" und Mogul" für angesehenere Familien ein, und da der Begriff Kaste dem Wesen des Islam fremd, den Neubekehrten anstößig ist, so bestimmen hier frühere Zusammengehörigkeit und Beschäftigung die Gliederung, wobei jedoch der Einfluß der Hinduumgebung dazu führte, daß landschaftlich einige Gruppen sich

von anderen kastenartig abschließen. (Emil von Schlagintweit in der Beil. zur Allg. 3tg. vom 29. August 1877.)

Die Grundlehren des Islam haben unter den Indern mannigfache Veränderungen erfahren, stellenweise ist es geradezu schwer die alte Lehre herauszufinden. Zahlreich find Sekten und fie bekämpfen sich zeitweise blutig. Politisch fällt am meisten ins Gewicht der Unterschied zwischen Sunniten und Schiiten. Die Sunniten bilden nun die große Mehrzahl; die vorliegenden Zahlen schwanken zwischen 89 bis 96 Prozent Sunniten, nur der Rest entfällt auf Schiiten. Im ganzen ist der indische Mussalman nicht bigott und wenig eifrig in seinem Glauben; die fanatischen Wahabi, die sich den Beruf auferlegen, jederzeit zum Kreuzzuge gegen die Andersgläubigen auszuziehen, haben von ihrer Heimat Arabien aus bis zur Südspite Indiens hinab Anhänger, aber fie gewinnen wenige neue Mitglieder und verschwinden der Zahl nach. Nur im Pandschab trifft man in den nördlichen Grenzdistrikten öfter Wahabi. Beachtenswerter als die Wahabi sind für Indien gegenwärtig die „Chodscha“ Schiiten, welche eine Fortsehung der Persönlichkeit Alis, des vierten Kalifen, durch Herabsteigung in seinen jeweiligen Imamnachfolger behaupten und diesem Stellvertreter des Propheten geradezu göttliche Ehren erweisen; dieser wohnt in Bombay und wird unter dem Titel „Uga Chan" geehrt. Die Chodscha sind unterneh mende Kaufleute, wohlhabend, wohnen in Bombay in einer eigenen nach ihnen benannten Straße, und unterhalten rege Verbindungen mit ihren Glaubensgenossen in anderen Orten Indiens. Harmlos ist dagegen der große Haufe und geradezu nur dem Namen nach Muhammedaner. Noch heute wie vor sechzig Jahren treffen in Bengalen Mussalman und Hindu bei demselben Heiligenschreine zusammen und beten zu demselben Gegenstande der Verehrung, nur daß ihm jede Gruppe einen anderen Namen beilegt; statt einen Brief „im Namen Gottes" zu beginnen, seht der Bengali Mussalman den Namen einer HinduGottheit vor sein Schreiben. Die Gebräuche der Muhammedaner find zwar fast überall die gleichen, da sie durch den Koran und die Ueberlieferung fixiert sind. In Indien ist ihnen aber viel von den alten Hindu- und Lokalfitten beigemischt, ja der gemeine Muhammedaner ist gewöhnlich so unwissend, daß er sich kaum über den Heiden erhebt; mit Ausnahme des Hersagens der „Kalimah" (des muhammedanischen kurzen Glaubensbekennt nisses) steht er fast in allem dem niederen Hindu gleich, nur seine Kleidung unterscheidet ihn äußerlich von demselben. Die Vielweiberei findet man felten unter den niederen Ständen, da sie ein Lurus ist, den der Arme sich nicht erlauben kann, wohl aber ift fie unter den Reicheren an der Tagesordnung. Die Frauen der Vornehmeren sieht man selten öffentlich und dann immer aufs tiefste verschleiert (mit dem häßlichen „Burka“ oder Hemd), die gemeinen dagegen arbeiten öffentlich, besonders auch auf den Feldern. wo sie immer ohne allen Schleier und oft nur notdürftig bekleidet sind. Die Muham= medaner heiraten alle sehr frühe (wie auch die Hindu), zwischen 12 bis 14 Jahren, was die Folge nach sich zieht, daß fie oft mit 30 Jahren schon ein ganz greisenhaftes Aussehen haben. Man muß sich eigentlich nur wundern, daß die physische Beschaffenheit des Volkes nicht noch tiefer gesunken ist, als sie in der That ist. Das ganze Leben des Muhammedaners, wenigstens im Pandschab, geht in den drei Hauptmomenten, Geboren: werden, Heiraten und Sterben auf. Ist er einmal glücklich in die Welt geboren, so verbringt er seine ersten Kindheitsjahre ziemlich harmlos und macht seinen Eltern wenig Mühe, da er keinerlei Kleidung bedarf und bis zum fünften bis sechsten Jahre nackend geht. Mit Lernen zerbricht er sich gewöhnlich nicht den Kopf, da er durch keinen Schul: zwang dazu angehalten wird; soweit er nicht mit Spielen seine Zeit hinbringt, wird er zum Erwerb der Nahrung angehalten, indem er gewöhnlich das Gewerbe des Vaters ergreift. Ift er 12-14 Jahre alt, so sorgen ihm seine Eltern für ein Weib, das er heiratet, ohne es vielleicht je gesehen zu haben. Sind aber die Eltern so arm, daß fie die ziemlich hohen Hochzeitsauslagen (oft 400-800 M.) nicht auftreiben können, so muß er wohl länger warten, bis er die nötige Summe dazu aufgebracht hat; geringere Leute lassen sich oft noch eine hübsche Summe für ihr Mädchen bezahlen, verkaufen sie also gewissermaßen. Das Sterben geht bei den Muhammedanern ziemlich lautlos und stille vorüber; der Tote wird sogleich gewaschen und in ein Leintuch gewickelt; dann wird er auf eine einfache Bahre gelegt und 4 Mann laufen mit ihm in schnellem Schritt dem Begräbnisort zu, nur von wenigen Personen begleitet, wo er an demselben Tage noch beerdigt wird, da das heiße Klima keinen Aufschub auf den andern Tag gestattet. Im ganzen ist der Mussalman schmuzig, schmierig und seine Frau unmoralisch; mit Aus: nahme der Grundbefizer und einzelner Handelsklassen sind ihre Verhältnisse ärmlich. Die

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